Zoom inZoom inZoom inZoom in
Zoom outZoom outZoom outZoom out
Go homeGo homeGo homeGo home
Previous pagePrevious pagePrevious pagePrevious page
Next pageNext pageNext pageNext page
Unable to open [object Object]: Error loading image at https://iiif.acdh.oeaw.ac.at/iiif/images/hsl-nfp/1865.03.14-0001.jp2/full/full/0/default.jpg
Wörter einzeln suchen

Neue Freie Presse
Morgenblatt
No. 194. Wien, Dienstag den 14. März 1865

Dinorah“ oder „Die Wallfahrt nach Ploërmel“.

Komische Oper in drei Acten von M. Carré und J. Barbier. Musik von Meyerbeer. II.

(Im Hofoperntheater zum erstenmal aufgeführt am 11. März 1885.)

Ed. H. Treten wir nun näher an den musikalischen Theil der „Dinorah“ und lassen die einzelnen Musikstücke rasch vor unserer Erinnerung Revue passiren. Da ist gleich die Ouverture ein raffinirtes Effectstück von größter Ausdehnung und absonderlichsten Zurüstungen. Sie beginnt mit der leisen, leichtgeschwungenen Violinfigur in h-moll, welche in der Oper das Auftreten Dinorah’s anzukündigen pflegt, das hüpfende Allegrothema im Sechsachteltact mit dem abgestimmten Glöcklein schließt sich an. Das Orchester übergeht allmälig in die Schilderung eines Sturmes, — plötzlich hält dieser inne und hinter dem Vorhang der Bühne ertönt ein kurzer melodiöser Chor: „O heilige Jungfrau!“ Der Sturm beginnt von neuem, weicht dann einem Marsch von angeblich kirchlichem Charakter, dessen sentimentale Violoncell-Melodie dem bekannten „Schiller-Marsch“ Meyerbeer’s aus dem Gesichte geschnitten ist. Durchführung des Sturms, des Gebets, des Marsches, mit einem verklärungsartigen Anhängsel von Harfen-Accorden und Flötenpassagen, — in diese Tonfluth wirft der unsichtbare Chor unermüdlich denselben Brocken „O heilige Jungfrau“. Ein kurzes Stretto in Dur schließt endlich dieses in den grellsten Farben und dabei mit kleinlichster Sorgfalt gemalte Seitenstück der „Struensee“ und „Nordstern“-Ouverture.

Die Oper beginnt mit einem Hirtenchor von graciöser, polonaisenartiger Melodie. Wie fast alle lyrischen, nicht in die Handlung eingreifenden Chöre Meyerbeer’s, hat auch dieser keinen chormäßigen, ein Allgemeingefühl ausdrückenden Charakter, die kokette Melodie und die nervös bewegliche Modulation sind ganz individuellen Ausdrucks, genau wie der Einleitungschor zum „Propheten“. *) Als Mittelsatz erscheint ein zweistimmiger Gesang (zwei Hirtenknaben), dessen rhythmische Einschnitte der Chor „Stark in die Hände schlagen“ markirt. Es ist dies einer jener äußerlichen, fatalen Effecte, deren so viele in „Dinorah“ zu Hilfe gerufen sind. Dinorah erscheint mit einigen geschickt aneinandergefügten kürzeren Sätzen, worunter natürlich das Glöckchenmotiv, und übergeht in ein der Ziege dargebrachtes Schlummerlied, — ein sehr wohlklingendes, graciöses Musikstück.

Ein Orchester-Ritornell, das mittelst geschickter Mischung von Oboe-, Fagott- und tiefen Clarinett-Tönen den Dudelsack trefflich imitirt, führt Corentin ein. Seine Couplets zerfallen in einen komisch sein sollenden süßsauren Menuettsatz und ein lustiges Allegretto, dessen Thema: „La bonne chère plait à l’un“, einem bekannten österreichischen Schnaderhüpfel auffallend ähnelt.

In dem folgenden Duett singt Dinorah die Passagen nach, die Corentin auf ihr Geheiß der Sackpfeife entlockt: ein geschmacklos überladenes Concertstück, den Flöten-Imitationen im Nordstern“ getreu, aber mit ungleich schwächerem Erfolge nachgebildet. Die Nummer gibt uns den deutlichsten Begriff davon, was in der „Dinorah“ als heitere und komische Musik anzusehen sei. Hoël’s Arie an die Magie ist eine der schwächsten, affectirtesten Nummern der Oper. Aus einem heroischen Mollsatz à la Bertram stürzt sich Hoël in eine lustige Polacca: „De l’or, de l’or — encore, encore“, die an Trivialität das Höchste leistet. Die „Beschwörungsscene“ zwischen Hoël und Corentin (beinahe hätten wir Bertram und Raimbaut geschrieben) mit ihrem lächerlich „dämonischen“ Fis-moll-Satz schließt sich leider der Arie würdig an. Das Trinkduett der Beiden beginnt unbedeutend und endet gemein. In der Partitur ausdrücklich als „Duo bouffe“ bezeichnet, hat dies Stück doch keinen Atemzug wahrer, behaglicher Komik; triviale Themen und der Meyerbeer’sche Lieblingsspaß, den einen Sänger die Phrasen des andern nachplappern zu lassen, vertreten deren Stelle.

Zum Glück folgt auf diese schwachen, mitunter widerwärtigen Scenen ein anmuthigeres Stück, das den ersten Act mit glücklicher Wirkung abschließt, das „Terzettino de la clochette.“ Gegen den Schluß erhebt sich eine anmuthige, gebundene Melodie Dinorahs, „Oh doux moment“, überaus hübsch über den Männerstimmen; der langentbehrte ruhige Fluß des Gesangs thut unendlich wohl nach so vielen zerhackten Rhythmen und gequälten Harmonien. Das Terzett verklingt leise, absterbend; das Glöckchen theilt mit hellem Klang die Perioden, bald enger, bald weiter, ähnlich dem hübsch verwendeten Glöckchen in der Domscene des „Propheten“.

Den zweiten Act eröffnet ein Chor etwas angetrunkener Landleute („Qu’il est bon, le vin“); die Männer singen mit „Brummstimmen“, (!) die Frauen zupfen eine Melodie in geschleiften Sechzehnteln hinein. Die Composition ist kokett und ganz humorlos, der wüthende Aufschrei ins hohe C, „Qu’il est bon,“ am Schlusse ein echt Meyerbeer’scher Zug. Nach einer kurzen Romanze der Dinorah in E-moll, die an bessere Vorbilder erinnert, folgt ihr berühmter Schattentanz. Die ganze Anordnung dieser Walzer-Arie ist sehr effectvoll und der wunderlichen (bekanntlich der „Grille“ entlehnten) Situation äußerst geschickt angepaßt. Musikalisch thut sich das Stück trotzdem kaum durch Anderes als durch das graciöse erste Walzerthema hervor; was folgt, ist theils ganz alltäglich, theils trivial, durchwegs überladen mit rein instrumentaler Coloratur von zweifelhaftem Geschmack. Die folgenden Couplets Corentin’s drücken dessen Angst in charakteristischer, aber sehr übertriebener Weise aus — von den komischen Nummern noch die beste, und dennoch wie raffinirt und gezwungen!

Ein kurzes, wirkungsvolles Stück ist Dinorah’sLegende“ in Es-moll mit dem wie eine Fackel aufleuchtenden Schluß in Es-dur. Nun folgt das Duett zwischen Hoël und Corentin, die einander den gefährlichen Vortritt zu dem Schatz zuschieben — nicht bedeutend, aber fließend und melodiös. Die refrainartig nachsingende Figur der Violinen klingt reizend. Dinorah eröffnet das Schlußterzett (alle Augenblicke „changeant brusquement d’idée“) mit allerlei zerhacktem, tollen Zeug, lenkt aber dicht vor dem Eintritt der Katastrophe in ein Allegretto (As-dur 6/8) ein, das bei aller Koketterie sehr hübsch und sogar („Oh tourment d’un coeur blessé“) von einem Moment inniger Empfindung durchleuchtet ist. Nun kommt der Sturm, die Ziege erscheint auf dem Steg, Dinorah folgt ihr mit der beliebten, ins hohe Cis reichenden Papageno-Pfeifchen-Passage, trillert acht Viertelnoten nacheinander, und stürzt schließlich mit einem dreigestrichenen C ins Wasser.

Der dritte Act beginnt mit einigen Liedern, die als episodische Ausfüllstücke den allzu nahen Ausgang der Oper aufhalten sollen. Sie gehören zu den glücklichsten Momenten des ganzen Werkes. In dem frischen „Jägerlied“ mit der köstlichen Begleitung von vier Waldhörnern weht uns eigentlich zum erstenmale reine, gesunde Luft an. Auch der muntere Zwiegesang der beiden Hirtenknaben, allerdings schon etwas gekünstelter, macht den freundlichsten Eindruck. Nach unserem Gefühle sind diese beiden, allerdings kurzen Nummern die frischesten und originellsten des ganzen Werkes. Hier ruht das Ohr und das Gemüth des Hörers erquickt und beruhigt aus. Ungleich tiefer steht das Lied des Schnitters mit der musikalischen Nachahmung des Sichelschärfens; das Gebet, zu welchem hierauf der Jäger, der Schnitter und die zwei Hirtenknaben sich vereinen, kann durch den reinen Zusammenschlag von vier unbegleiteten schönen Stimmen günstig wirken. Diese beiden Stücke blieben hier weg. Hoël trägt die todtgeglaubte Dinorah herbei und besingt sie mit einer für den Sänger sehr dankbaren Romanze, deren gewöhnliche italienische Melodie überdies durch abscheuliche rhythmische Scurzzen verunstaltet ist. Das Wiedererkennungs-Duett zwischen Hoël und Dinorah gehört zu den längsten, aber schwächsten Stücken der Oper; zu Anfang muß wieder das stückweise Nachplappern der Phrasen herhalten, einige Motive im Verlaufe lassen Besseres hoffen, aber der triviale Schlußsatz in As-dur mit Harfenbegleitung, ein unverkennbarer Abkömmling des entsetzlichen Liebesduets aus „Linda“, enttäuscht uns gründlich. An das Duett schließt sich sehr wirksam die Hymne: „O heilige Jungfrau“ und der Processionsmarsch an, von einigen raketenartig auffliegenden hohen C Dinorah’s durchschnitten, die Scene füllt sich mit dem Festzug, die Schlußdecoration zeigt uns in effectvoller Perspective und elektrischem Lichte die zur Kirche strömenden Wallfahrer und entläßt den Hörer mehr unter der Gewalt eines decorativen als eines musikalischen Schlußeindrucks.

Fassen wir Meyerbeer’s Dinorah-Musik schärfer in’s Auge, so zeigt sie sich als eine gealterte, schwächliche Dame, die, stark geschminkt und pfiffig costümirt, dabei von eleganten und lebhaften Bewegungen, immerhin in großer Gesellschaft noch irreführen kann. Selbst die heitersten Musikstücke dieser Oper scheinen uns eigenthümlich gedrückt, wie vom Alter durchkältet. Gegen den früheren erstaunlichen Erfindungsreichthum Meyerbeer’s gehalten, erscheint seine schöpferische Ader hier beinahe versiegend, durch Reminiscenzen und Abfälle ersetzt, denen ein enormes Kunstgeschick den Glanz der Neuheit anzutäuschen versteht. Originell im besten Sinn, d. h. wahrhaft neu und schön zugleich sind kaum hundert Tacte in der ganzen Oper. Der reiche Componist hatte leicht borgen, er hat namentlich seinen Nordstern“ stark in Anspruch genommen. Die bekanntesten Meyerbeer’schen Phrasen, gerade mit ihren unangenehmsten Kennzeichen, dem zerhackten Rhythmus, der gekünstelten und überladenen Melodie, den grellen (nicht durch Wort oder Scene gerechtfertigten) Uebergängen, finden sich in der „Dinorah“ auf Schritt und Tritt. **) Aeußerlich elegant und glanzvoll, ist diese Musik innerlich dürftig und unwahr. Das blendende Licht, das sie ausströmt, ist der gefühllose Glanz von Edelsteinen, nicht der glänzende Strahl eines seelenvollen Auges. In keiner früheren Oper des Meisters finden wir so viel Unbedeutendes und Banales, in keiner die bloße Virtuosität in solchem Uebergewicht über die eigentlich musikalische Erfindung. Von „Robert“ und den „Hugenotten“ nicht zu reden, besitzen „Prophet“ und Nordstern“ noch zahlreiche und große Nummern, an welche keine in der „Dinorah“ hinanreicht. Selbst der jetzt vergessene und mißachtete „Crociato“ Meyerbeer’s ist an echter Musik und selbst an wahrem dramatischen Ausdruck unbedingt reicher, als „Dinorah“, in welcher Meyerbeer allerdings weit mehr Er selbst ist, nur nicht immer im günstigsten Sinne. Gegen ihre Vorgängerinnen hat „Dinorah“ nur den Vorzug, einheitlicher, gleichmäßiger zu sein und keiner großen äußern Zurüstungen zu bedürfen. Musikalisch dünkt uns darin Alles klein, ausgenommen das Kleine. Als komische Oper darf man nun vollends „Dinorah“ nicht beurtheilen, ohne den Stab zu brechen. Und doch will der Componist sie also angesehen wissen. Wenn seinem so vielseitigen und beweglichen Talent ein Feld des Ausdrucks unzugänglich war, so ist es das Komische. Die specifisch musikalischen Ausdrucksmittel für das Komische sind an und für sich äußerst gering, Hauptsache bleibt immer die allgemeine heitere Grundstimmung, das fröhlich behagliche Temperament, die gesunde unbefangene Lust am Leben und am Spaß. Meyerbeer’s künstlerische Individualität liegt dem ferne, das unruhig aufgeregte Temperament seiner Musik, das des Glanzes und der grellen Effecte keinen Augenblick entbehren kann, reagirt heftig gegen die Lebenslust der Opera buffa. Einzelne komische Effecte gelingen ihm, eine gute komische Oper nimmermehr, denn diese ist ohne Natürlichkeit und volles inneres Behagen undenkbar.

Was unterscheidet trotz alledem die „Dinorah“ vortheilhaft von vielen ähnlichen Novitäten und hebt sie über das Niveau der Tageserscheinungen empor? Ihre formelle Abrundung und technische Meisterschaft. Wir begegnen nirgends einem unsichern Probiren und Experimentiren, einem Anlehnen oder Nachahmen; durch das ganze Werk herrscht die Sicherheit des erfahrenen Meisters. Alles kommt gerade so, wirkt genau so, wie der Componist es gewollt. Zu dieser imponirenden Sicherheit einer ausgebildeten Technik kommt als zweiter durchgreifender Vorzug die Klarheit und Uebersichtlichkeit der Form. Den Rhythmus im Kleinen verzerrt Meyerbeer mit besonderem Vergnügen, die Eurhythmie im Großen respectirt er immer. Der wohlgegliederte, übersichtliche Bau ist ihm Bedürfniß und hängt mit seiner tüchtigen, strengen Schule zusammen. Klingt auch die Musik im Einzelnen unerheblich, mitunter selbst widerwärtig, das Ganze ist doch im bezeichnenden Sinne musikalisch, aus specifisch musikalischer Anschauung hervorgegangen. Der melodische Gedanke herrscht, er baut sich nach musikalischen Gesetzen in übersichtlichen Proportionen aus, bleibt überall verständlich und selbstständig. Die menschliche Stimme ist nicht nur respectirt, sie ist überall nach ihrer eigenthümlichen Wirksamkeit verwendet, das Orchester herrscht nicht, sondern ordnet sich dem Gesange unter. Der Hörer braucht nicht durch ein unabsehbares Gestrüpp von declamatorischer Recitation, zusammenhangsloser Modulation und „unendlicher Melodie“ stets nach dem Faden des Verständnisses zu haschen und sich mit schwindelerregenden, geheimnißvollen „Intentionen“ abzuquälen, die unverständlicher und meistens illusorischer sind, als Meyerbeer’s praktische „Absichten“.

So wird es erklärlich, daß „Dinorah“ (vollends wenn man all’ die pikanten Zuthaten mit in Anschlag bringt) das Publicum ergötzt und selbst den Kenner bis zu einem gewissen Grade anregt und fesselt. Für nachhaltig können wir die Wirkung der „Dinorah“ nicht halten; das äußere und innere Raffinement ist zu vorwiegend, als daß das Publicum, einmal gegen diese Reizmittel abgestumpft, nicht den totalen Mangel an Empfindung und Wahrheit wahrnehmen und erkalten sollte. In der That hat sich „Dinorah“ selbst in Paris, wo das Unglaubliche dafür geschah, nicht auf dem Repertoire erhalten können. Wenn sie hier in Wien für einige Jahre Lebenskraft gewährt, so wird sie dies zum guten Theil der vorzüglichen Aufführung zu danken haben.

Dinorah“ ist trefflich besetzt, scenirt und einstudirt. Direction und Regie haben es an nichts fehlen lassen. Die Maschinerie wie die Decorationen erwiesen sich von bestem Effect. Die Wildniß im zweiten Act, dann das reizende Landschaftsbild im dritten gehören zu den gelungensten Compositionen des Herrn Brioschi, der umsomehr Dank verdient, als ihm wenig Zeit und auf der Bühne wenig Raum gegönnt war.

Von den drei verdienstvollen Darstellern der Hauptrollen nennen wir Herrn Beck zuerst, da seine Leistung als Hoël alle Anforderungen erfüllte und seine Stimme hinreißender klang als je. Sein Erfolg war glänzend. Den furchtsamen Corentin gab Herr Eppich aus Graz, im Gesang vollkommen genügend, im Spiel ganz vorzüglich. Da letzteres der wichtigere Theil ist und wir seit undenklicher Zeit keinen Tenoristen gehört, der gut spielen und sprechen kann, so erfreute sich Herr Eppich nach Verdienst der wohlwollendsten Aufnahme. Mit großem Erfolg sang Fräulein v. Murska die Dinorah. Es dürfte kaum eine zweite Rolle sich so ausnehmend für die Individualität dieser Sängerin schicken, allen ihren Vorzügen so dienstbar sein, wie diese Bravourpartie. Sie ist ein Concertstück auf der Bühne. Was die Rolle vor Allem erfordert: eine leichtansprechende bedeutende Höhe, geläufige Coloratur, brillanten Triller, besitzt Fräulein Murska, und was dieser Sängerin mangelt, das hat die Rolle auch nicht. Wir berichten diesmal mit aufrichtiger Freude über Fräulein Murska’s Dinorah, die weitaus ihre beste Leistung ist und es wahrscheinlich bleiben wird. Daß auch hier die rein gesangliche Leistung ungleich war, nach meisterhaft ausgeführten Passagen mitunter recht geschmacklos gesungene brachte, ist nicht zu leugnen, kommt aber gegen das überwiegend Gelungene, ja Glänzende der ganzen Leistung kaum in Betracht. Der schauspielerische Theil der Rolle ist leicht und mit äußerlichen Hilfsmitteln der Routine zu bestreiten, die Darstellung des ordinären Opernwahnsinns entzieht sich jedem Maßstab. Genialität und schöpferische Kraft, die eine solche Rolle darstellend umdichten, kann man füglich in der Oper von Niemandem verlangen — genug also, daß Fräulein Murska die Dinorah ganz anständig und zweckmäßig spielte. Nur ihr Costüm hat uns in großen Schrecken versetzt. Wer einen so eleganten, goldgestickten Anzug, eine solche Coiffüre und so feine, goldverschnürte Balletstiefelchen trägt, der läuft keiner Ziege nach. Fräulein Murska sah nicht aus wie eine arme, verwahrloste Hirtin, sondern wie eine modernisirte Pretiosa, die sich eben zur „Production“ sorgsam aufgeputzt hat. Fräulein Murska’s Costüm pflegt meistens unglücklich zu sein, in der „Dinorah“ ist es obendrein sinnwidrig. Die Fräulein Bettelheim und Tellheim als Hirtenknaben und Herr Rokitansky als Jäger trugen zum Erfolg des Ganzen nicht wenig bei, und es gereicht ihnen zur Ehre, sich dieser kleinen Partien so sorgfältig angenommen zu haben. Wir wurden — was uns in der Oper sehr selten widerfährt — ans Burgtheater erinnert, dessen Ruhm nicht zum geringsten Theil in der Pietät begründet ist, mit welcher selbst die kleineren Partien von bedeutenden Künstlern dargestellt werden. Das Orchester, welches in der „Dinorah“ eine bedeutende Aufgabe trefflich löst, verdient eine auszeichnende Erwähnung, ebenso Herr Capellmeister Dessoff, der um das schnelle und exacte Einstudiren der Oper sich besonders verdient gemacht hat.

Fußnoten
  • *)Charakteristisch für das Unchormäßige dieser Stücke sind nebenbei die zahllosen Vortragszeichen in Meyerbeer’s Chören; dies „portez la voix“, „glissé“, „doux“, „très doux“ etc. etc.
  • **)Die „pikanten“ Verschiebungen des Rhythmus, insbesondere das abscheuliche daktylische Abschnappen desselben am Ende einer Periode findet sich in der „Dinorah“ noch häufiger als in Meyerbeer’s früheren Opern. Von dem Einleitungschor, welcher (im Zweivierteltact) singt: „Der Abendglocke Ton klingt aus den Dörfern schon“, bis zu Hoël’s Romanze im 3. Act, mit dem Anfang (Andante, 4/4-Tact) „Dich rächet meine Reue, (2 Tacte) Daß ich Thor schied von Dir“ (1 Tact), dehnt sich Eine lange Reihe solcher Beispiele aus.