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Neue Freie Presse
Morgenblatt
No. 1099. Wien, Sonntag den 22. September 1867

[1]

Musik.

(„Doctor und Apotheker.“ — „Die Großherzogin von Gerolstein“.)


0003Ed. H. Ein süßer Trost war mir geblieben: daß ich
0004durch meine fünfmonatliche Abwesenheit von Wien keine No-
0005vität im Hofoperntheater versäumen würde. In der That
0006habe ich dort das Repertoire in derselben fleckenlosen Unbe-
0007rührtheit wiedergefunden, in der ich es Ende März zurückge-
0008lassen. Dafür lockten von den Anschlagzetteln des Wiedener
0009und des Carltheaters zwei neue Errungenschaften: Ditters-
0010dorf’s
nach 50 Jahren wieder aufgenommenes Singspiel
0011Doctor und Apotheker“*) und Offenbach’s nagelneue
0014Großherzogin von Gerolstein“. Welcher Abstand zwischen
0015diesen beiden Opern; ja, welche Verschiedenheit schon in der
0016äußeren Physiognomie der Vorstellung! Das Publicum im
0017Doctor und Apotheker“ fand bequem auf vier Sperrsitzreihen
0018Platz, die flaue, theilnahmslose Stimmung desselben ließ den Zu-
0019schauerraum noch öder erscheinen. Hingegen die „Großherzogin“!
0020Kein Plätzchen im ganzen Hause unbesetzt, kein Winkel, aus
0021dem nicht das dankbare Echo lauten Applauses und Gelächters
0022hervorbrach. Die Schauspieler: hier sämmtlich mit voller
0023Lust und Siegesgewißheit — dort (bei gleicher Sorgfalt)
0024sichtlich gedrückt und sich zum Spasse zwingend. So haben
0025wir die Dittersdorf’sche Oper im Carltheater wiederge-
0026sehen — wir können die Direction nur loben und das Publi-
0027cum nicht tadeln. Herr Ascher verdient aufrichtigen Dank
0028für die Vorführung eines Werkes, das einst einen Vorzugs-
0029platz auf den Bühnen und in den Herzen unserer Großeltern
0030errungen und der Geschichte der deutschen Oper eine bemer-
0031kenswerthe Spur eingedrückt hat. Wer immer sich für die
0032musikalische und culturgeschichtliche Entwicklung der Oper ernst-
0033lich interessirt, fühlt sich hocherfreut, wenn ihm einmal die
0034leibhaftige Bekanntschaft einer solchen ehrwürdigen Bühnen-
0035gestalt vergönnt ist. Wären wir egoistisch, wir würden die
0036Direction zu weiteren Ausgrabungen ermuntern und ihr eine
0037Reihe ganz interessanter Opern von Dittersdorf, Adam
0038Hiller, Zumsteg, Winter, Weigl, Reichardt und
0039Gyrowetz anempfehlen, die einst beliebt und berühmt waren.
0040Die Theater-Directoren würden freilich diese antiquarische
0041Gourmandise von zwanzig oder dreißig Kunstfreunden theuer
0042bezahlen müssen. Nimmermehr könnten wir den Glau-
0043ben vorschützen, das Publicum werde sich an diesen
0044Opern wieder erquicken, denn wir sind vom Gegen-
0045theil überzeugt — wollen wir doch selbst für unsern Theil
0046nicht als bewundernden Enthusiasmus ausgeben, was vorwie-
0047gend nur kunstgeschichtliches Interesse ist. Wenn man sich von
0048deutschen Musik-Lexikons und Handbüchern (siehe das neueste
0049von Schletterer) leiten läßt, oder von frommer Tradition,
0050dann sind freilich unsere alten Singspiele durchaus Werke von
0051„unverwelklicher Frische“ und „ewiger Jugend“, ein Jung-
0052brunnen, den man nur zu öffnen braucht, um die dürstende
0053Jetztzeit zu erquicken und zu stärken. Man beseitigt den
0054Schutt, sprengt die verrosteten Riegel, und was zeigt sich in
0055den meisten Fällen statt des gehofften Jungbrunnens? — „ein
0056längst versiegter Strom, der keines Kindes Mund mehr letzt.“
0057Alles Menschenwerk ist vergänglich, und das vergänglichste
0058der Menschenwerke eine komische Oper. Zunächst hängt ihre
0059Wirkung gar wesentlich vom Textbuche ab; wir können mit
0060bestem Willen uns nicht mehr an Lustspielen ergötzen, deren
0061Handlung Null ist und deren ganze Komik in kindischen Ver-
0062kleidungen, sehr viel Prügeln und Ehrentiteln, wie „du Esel!
0063du Vieh!“ u. dergl. besteht. Findet sich zu solch kindischem
0064Stoff eine wahrhaft geniale Musik, so trägt sie denselben
0065wie ein Schwimmgürtel über die Fluthen der Zeit; Pergo-
0066lese’s
Serva padrona“, Mozart’sEntführung“ und
0067Mädchentreue“ entzücken uns noch heute. Aber Ditters-
0068dorf und die übrigen einst beliebten Singspiel-Componisten
0069Deutschlands sind keine Pergoleses, keine Mozarts. Sie sind po-
0070puläre Tages-Componisten von soliderer Schulung und gefälli-
0071gem, aber wenig intensivem oder originellem Talente. Eine
0072ganze Generation zu befriedigen und zu ergötzen, ist kein klei-
0073nes Verdienst; sie haben das gethan und ihren Lohn dahin.
0074Die ganze dichte Gruppe deutscher Singspiel-Componisten ne-
0075ben und unmittelbar nach Mozart imponirt durch ihr com-
0076pactes Auftreten, ihre populäre Wirkung, endlich durch ihre
0077historische wie nationale Bedeutung gegenüber der absterbenden
0078italienischen Oper in Deutschland. Aber in der hohen Schätzung
0079ihrer Begabung und des substantiellen Werthes ihrer Musik
0080thut man ihnen, meines Erachtens, zu viel Ehre an. Ich kann
0081unmöglich finden, daß in Dittersdorf’s Opern ein reiche-
0082res und selbstständigeres Talent stecke, als z. B. in den Of-
0083fenbach
’schen, und wenn es eine musikalische Gerechtigkeit
0084gibt, wird in achtzig Jahren Offenbach ebenso respectirt und
0085ebenso vergessen sein, wie heute Dittersdorf.


0086Doctor und Apotheker“, Dittersdorf’s hervorragendste
0087Oper, hat unstreitig tüchtige und gefällige Momente, die im
0088Carltheater nicht wirkungslos an uns vorübergingen. An-
0089spruchslose Solidität, Routine der musikalischen Technik, Laune
0090und derbe Jovialität herrschen fast durchwegs. Eine und die
0091andere komische Nummer, deren Salz noch nicht verwittert ist,
0092findet sich wol in jeder besseren Oper Dittersdorf’s: die Arie
0093des Handelsjuden im „Rothkäppchen“, die Tonmalerei des
0094tauben „Hieronymus Knicker“, das überaus drastische Duett
0095zwischen dem Doctor und dem Apotheker. Auch einige lied-
0096mäßige Sätze, wie der Zwiegesang der beiden Mädchen, lä-
0097cheln gefällig hervor. Für den Total-Eindruck bleibt aber der
0098plumpe, hausbackene Ton des Ganzen mit seinem Mangel an
0099individuellem Ausdrucke und an feiner, geistreicher Charakteri-
0100stik entscheidend. Wir sind durch die erstaunliche Entwicklung,
0101welche die Opernmusik seit Dittersdorf durchlaufen hat, zu
0102sehr verwöhnt, als daß wir einen Abend hindurch diesen ärm[2]-
0103lichen, auf zwei oder drei Accorden festsitzenden Melodien, die-
0104sen monotonen Rhythmen und schablonenhaften, knappen For-
0105men mit Befriedigung lauschen könnten. Text und Musik
0106stecken mit all ihren Mängeln und Vorzügen in dem Zeitge-
0107schmacke einer längst abgelebten Periode. Kann man es unse-
0108rer Zeit verdenken, wenn sie nicht nach dem Commando der
0109Pietäts-Historiker, sondern mit eigenem Ohre hören, mit eige-
0110nen Sinnen empfinden will?


0111Zwei Tugenden sind es vorzüglich, die man an Ditters-
0112dorf
laut und zur besonderen Beschämung unserer modernen
0113Componisten zu preisen liebt: die künstlerische Mäßigung und
0114der specifisch deutsche Charakter seiner Musik. Beides läßt sich
0115nur mit einigen einschränkenden Randglossen unterschreiben.
0116Die Einfachheit der Melodie und Harmonie, das Gleichmaß
0117des Rhythmus, die Durchsichtigkeit des Orchesters bei Ditters-
0118dorf erscheint uns heutzutage allerdings als Muster von Mäßi-
0119gung, theils wohlthuend im Ausruhen nach modernem Lärm,
0120theils auch ermüdend durch ihre reizlos gewordene, Verstand
0121und Sinne nirgends überraschende, nirgends neckende Gleich-
0122förmigkeit. Als eine eminent künstlerische Tugend könnten wir
0123Dittersdorf diese Einfachheit aber nur dann anrechnen, wenn
0124seine übrigen Collegen raffinirt und lärmend gewesen wären.
0125Dies war aber nicht der Fall. Dittersdorf zeichnete und colo-
0126rirte so modern und effectvoll, wie nur irgend einer seiner
0127namhaften Rivalen. Die Zeitgenossen rühmten an Dittersdorf’s
0128Opern nicht die Mäßigung, sondern den Glanz, die Lebens-
0129fülle, die packende Kraft. In der Wirkung auf uns bleibt sich
0130die Sache gleich, aber für die Kritik sind Styl der Zeit und
0131individuelles Verdienst doch nicht dasselbe. Was den „echt deut-
0132schen“ Charakter der Dittersdorf’schen Opern betrifft, so kann
0133man gerne einräumen, daß er als grün knospendes Laub den
0134Stamm französischer Sujets und das Gezweige italienischen
0135Gesangstyls umgibt. Als das deutsche Singspiel sich an der
0136Seite und im Gegensatze zu der in Deutschland herrschenden 
0137italienischen Oper zu entwickeln begann und durch Kaiser Jo-
0138seph zum erstenmale eine eigene Stätte erhielt, da waren es
0139in der Regel französische Textbücher, welche von den deut-
0140schen Componisten bearbeitet wurden. Man übersetzte (mitunter
0141localisirend) die Librettos von Grétry, Monsigny, Phili-
0142dor
und Dalayrac, und hatte gar kein Hehl, daß man auch in
0143der musikalischen Gestaltung diesen französischen Mustern nacheifere.
0144Die besten deutschen Componisten dieser ursprünglich französi-
0145schen Singspiele steckten aber durch ihren ganzen Bildungsgang
0146so fest in dem Styl der damaligen italienischen Oper, daß
0147sie auch für das neue Genre sich unmöglich daraus ganz be-
0148freien konnten. Dittersdorf’s Partituren gehören zur guten
0149Hälfte dem italienischen Style an, wie dies von dem Schüler
0150Bonno’s und Trani’s, von dem Liebling wälscher und ver-
0151wälschter Höfe, dem Componisten so vieler italienischer Opern
0152und Oratorien, gar nicht anders zu erwarten war. Adam
0153Hiller, der Vater des deutschen Singspiels (dessen Texte
0154gleichfalls meist französischen Ursprungs waren), brachte eigent-
0155lich nur Comödien, ausgeschmückt mit einigen Strophenlie-
0156der und kleinen Duettchen, die, an das deutsche Volkslied
0157anlehnend, jede Opern-Prätension ausschlossen. Dittersdorf,
0158welcher den Rahmen der Hiller’schen Singspiele erweiterte
0159und der eigentlichen Oper näherte, ist schon weit weniger
0160deutsch. Fast alle seine ernsten, nicht strophenmäßig behandelten
0161Nummern sind italienisch in Form und Charakter; die reich
0162colorirten Arien seiner ersten Sopran- und Tenorpartien, die
0163größeren Duette u. dgl. könnten jeden Augenblick in einer
0164Opera seria von Piccini oder Paesiello stehen. Hätte man
0165im Carltheater nicht neun bis zehn solcher Nummern aus
0166Doctor und Apotheker“ weggestrichen, so würde die starke
0167Vertretung des italienischen Opernstyles selbst dem Laien auf-
0168gefallen sein. Wo immer das Singspiel, seine Form
0169erweiternd, zur komischen Oper sich auswächst, wird
0170es Situationen und Musikformen aufnehmen, die dem 
0171Style der gleichzeitigen großen Oper sich nähern. In
0172solchen Scenen lehnt sich Dittersdorf ebenso stark oder
0173noch mehr an die wälsche Opera seria seinerzeit, als Offen-
0174bach
heutzutage an Meyerbeer und Auber. Die stereotype
0175Bezeichnung Dittersdorf’s als „Deutschlands Grétry“ mag
0176man mit Beziehung auf die gleiche Richtung und die gleiche
0177Fruchtbarkeit beider Componisten gelten lassen; an Ursprüng-
0178lichkeit und Feinheit des Talentes war der Franzose dem
0179Deutschen jedenfalls überlegen, wenn auch keineswegs an musi-
0180kalischer Schulung. Viel Aehnlichkeit finden wir zwischen
0181Dittersdorf und Kotzebue, dessen komisches Talent und
0182großes Bühnengeschick dem des deutschen Componisten gewiß
0183nicht nachstand und der, um so viel jünger, dennoch auch schon
0184veraltet ist. Dittersdorf hat große Verdienste um seine
0185Zeit, die ihn auch mit Beifall reichlich lohnte. Er war eine
0186Art musikalischer „Fritz“, den ein Fürstbischof von „Gerol-
0187stein“ auf dem Fleck zum Forstmeister, Amtshauptmann und
0188Edelmann machte. Es ist ein Irrthum, wenn einer unserer
0189Collegen die Anerkennung Dittersdorf’s erst von dessen
0190Tode datirt; sie hat während seines Lebens aufs üppigste
0191geblüht, aber leider nicht einmal bis zu seinem Tode (1799)
0192vorgehalten. Mit dem Componisten war auch seine Musik so
0193gut wie verblichen, nicht etwa zeitweilig, sondern für immer.**) 
0199Es will wol genug sagen, daß im Leopoldstädter Theater
0200Doctor und Apotheker“ seit dem Jahre 1796 nicht wieder
0201gegeben wurde. In Dresden versuchte man vor zwei Jahren
0202Dittersdorf’sHieronymus Knicker“, ohne ihn über die
0203dritte Vorstellung zu bringen; in Berlin hatte die Wieder-
0204erweckung des „Rothkäppchen“ keinen viel besseren Erfolg. [3]
0205Auch im Carltheater dürften die Tage von „Doctor und Apo-
0206theker“ gezählt sein. Kann man ehrlicherweise die Directionen
0207aneifern, auf diesem Wege ihr Heil zu suchen? Wär’ ich ein
0208reicher Fürst, ich wüßte kein größeres Vergnügen, als die Er-
0209richtung eines kleinen musikalischen Theaters, das mir die besten
0210und merkwürdigsten Opern alter Zeit vorspielte. Welche Quelle
0211des Genusses und der Belehrung, die in der Musikgeschichte
0212nebelhaft verschwimmenden Schatten der alten Meister in Blut
0213und Leben verwandelt vor sich handeln zu sehen! Aber einer
0214von der Theilnahme des Publicums abhängigen Privatbühne
0215kann man nicht die Mission eines Museums zumuthen. Sie
0216spricht zu den Lebenden und muß sich daher an das halten,
0217was — neuen oder alten Datums — wirklich lebenskräftig ist.


0218Zu Offenbach’sGroßherzogin von Gerolstein“, welche
0219in diesen Blättern von befreundeter und competenter Hand be-
0220reits kritisirt wurde, erlaube ich mir blos die nachträgliche
0221Bemerkung, daß ihre Aufführung im Theater an der Wien
0222an Pracht der Scenirung und an musikalischer Tüchtigkeit die
0223Pariser Vorstellung weit übertrifft. Gleich beim ersten Aufzie-
0224hen des Vorhanges ist man überrascht von der malerischen
0225Wirkung, welche die unvergleichliche Tiefe des Bühnenraumes
0226hier gestattet. Von den glänzenden militärischen Evolutionen,
0227der Regimentsmusik auf der Bühne, dem Tanz im Lager
0228kann auf der kleinen Scene des Théâtre des Variétés ohnehin
0229keine Rede sein.


0230In Paris trägt das Stück mehr den Charakter eines
0231musikalischen Conversationsstückes oder Vaudevilles, während es
0232an der Wien geradezu an den Glanz der großen Oper streift.
0233Ob man in diesem Punkte hier nicht etwas zu weit geht, in-
0234dem man z. B. statt 6 oder 8 Hofdamen, welche einander
0235ihre Liebesbriefe vorlesen, deren 30 bis 40 versammelt, ist
0236eine andere Frage. Es ist bekannt, wie überaus nachsichtig
0237die Franzosen sich gegen ungenügende musikalische Leistungen
0238verhalten, wenn nur das Dramatische fein und effectvoll
0239herausgearbeitet ist — die Offenbach’schen Operetten 
0240in Paris liefern den besten Beleg dafür. Ich
0241sah dort eine Aufführung der „Schönen Helena“,
0242wo alle Mitwirkenden, von der alt und trivial gewordenen
0243Tautin angefangen bis herab zum zweiten Ajax, so abscheu-
0244lich stimmlos waren und falsch sangen, daß sie in Wien nach
0245den ersten acht Tacten ausgelacht worden wären. Weit besser
0246war allerdings die „Großherzogin“ besetzt, allein auch hier ge-
0247nügten Sänger und Orchester doch nur in bescheidenen Ansprü-
0248chen. Madame Schneider, eine graziöse Schauspielerin von
0249scharfem, etwas cancanisirtem Esprit, weiß mit ihrem kleinen
0250Stimmchen sehr nett vorzutragen; die effectvollsten Stellen der
0251Rolle kommen aber doch erst durch die volltönende Stimme
0252der Geistinger zur Geltung. Dupuy, der Darsteller des
0253Fritz, mit Swoboda als Sänger nicht zu vergleichen, erhebt
0254sich überhaupt nur sporadisch zu einer Art Gesang. Eine Fi-
0255gur à la Knaack und unwiderstehlicher Gesichterschneider wie
0256dieser, ist Dupuy von hinreißend drolliger Wirkung und läßt
0257das Publicum nicht aus dem Lachen kommen. Herr Swo-
0258boda
gibt die von Dupuy ins Groteske gezogene Rolle fei-
0259ner und mäßiger; was sie an komischer Kraft einbüßt,
0260gewinnt sie an Wahrscheinlichkeit, denn die Schwär-
0261merei einer Großherzogin (sei es auch einer von
0262„Gerolstein“) für einen so unmenschlichen Tölpel, wie dieser
0263Fritz-Dupuy, liegt außer den Grenzen des Möglichen oder
0264doch des Appetitlichen. Das zärtliche Tête-à-tête im zweiten
0265Acte erinnert in Paris unwillkürlich an Titania, die den Esel
0266liebkost. Das treffliche Wiener Verschwörungs-Kleeblatt (Bla-
0267sel
, Rott und Friese) gibt der Pariser Besetzung nichts
0268nach, welche schließlich auch keine so augenweidende Personifica-
0269tion der Wanda und des Groy herzustellen vermag, wie
0270das Theater an der Wien. Und so dürfte die „Großherzogin
0271von Gerolstein“, der es an drastisch-komischen Momenten und
0272anmuthigen Melodien bekanntlich nicht fehlt, sich in ihrer pracht-
0273vollen Wiener Ausstattung noch lange auf dem Repertoire
0274erhalten.

Fußnoten
  • *)In der Original-Ausgabe (Wien, 1787) lautet der Titel:
    Der Apotheker und Doctor. Eine deutsche komische Opera.“
  • **)Schon im Jahre 1819 klagt die Allgem. Musikalische Zei-
    tung: „Wie kommt es, daß Dittersdorf’s Opern gar nicht mehr
    auf die Bühnen kommen, und während man immer vom „Chaperon
    rouge“ eines französischen Componisten hört, des „Rothkäppchen“ von
    Dittersdorf gar keine Erwähnung geschieht?“