Neue Freie Presse
Morgenblatt
No. 1205. Wien, Mittwoch den 8. Januar 1868
[1]Oper und Concert.
(Fräulein v. Edelsberg — Virtuosen-Concerte. — Männergesang-Verein.)
0003Ed. H. Fräulein Philippine v. Edelsberg, königlich
0004preußische Hofopernsängerin, hat in vier Opern: „Faust“,
0005„Die Afrikanerin“, „Der Prophet“ und „Martha“, hier gastirt.
0006Die hervorragende Stellung, welche diese Sängerin zuletzt an
0007den Hofbühnen zu München und Berlin einnahm, mußte das
0008Publicum zu bedeutenden Ansprüchen berechtigen, die Kritik
0009dazu verpflichten. Bei ihrem ersten Auftreten in Gounod’s
0010„Faust“ hat Fräulein Edelsberg das Publicum ohne Frage
0011kalt gelassen — das Bedenklichste, was einem Gretchen
0012widerfahren kann. Thatsache ist, daß kürzlich eine Sängerin
0013von unberühmtem Namen, schwächerer Stimme und geringerer
0014Ausbildung (Frau Voggenhuber) in derselben Rolle die
0015Zuhörer ungleich stärker bewegte und erwärmt. Fräulein
0016Edelsberg besitzt sehr beachtenswerthe Vorzüge, aber es fehlen
0017ihr — um die Schattenseite gleich jetzt auszustecken — die
0018Jugendfrische der Stimme und die überzeugende Innigkeit des
0019Ausdruckes. Umfangreich darf man ihre Stimme nennen,
0020die, wo es noththut, das hohe C und das tiefe G anschlägt.
0021Doch scheint dieser Umfang weniger ein vollwichtiges Natur-
0022geschenk als ein Zwangsanlehen, das der ursprüngliche Mezzo-
0023Sopran nach der Höhe wie nach der Tiefe hin allmälig durch-
0024gesetzt hat — zum Vortheil des Repertoires, das bei Fräu-
0025lein Edelsberg nahezu universell ist, zum Nachtheil
0026der Klangschönheit. Die Mittellage ist klangvoll, die
0027Töne über G werden mit leiser Vorsicht berührt oder
0028mit Anstrengung gestürmt, das tiefere Altregister klingt etwas
0029hohl und verblasen. Auch Kraft ist der Stimme nicht abzu-
0030sprechen; die Töne haben ein großes Volumen, Rundung und
0031Schwere, allein ohne jenen Schmelz, jenes Metall, das sie
0032ohne Zweifel früher besaßen. Die Zeit scheint ihr neidisches
0033Recht an diese üppige Stimme vorzeitig geltend zu machen.
0034Wer kennt nicht schöne Gesichter und Gestalten, über welche
0035der Frühling des Lebens hinweggezogen und die nur um so
0036bedeutender und fesselnder erscheinen? Blos die Stimme büßt
0037den Verlust des Jugendschimmers am schwersten; sie muß uns
0038künstlich überreden, wo man ihr sonst ohne Beweis glaubte.
0039Eines nur vermag diese verlorene Poesie des Klanges theilweise
0040zu ersetzen: die Poesie des Herzens. Leider vermißten wir ge-
0041rade diese, die unentbehrliche Innigkeit und Tiefe der Empfin-
0042dung an dem Gretchen Fräulein Edelsberg’s. Sie hatte
0043Alles richtig angelegt, geschickt ausgeführt, selbst geistreich und
0044effectvoll; es fehlte nichts, was eine vollendete Bühnengewandt-
0045heit zu liefern vermag; aber es fehlte die Resonanz des Her-
0046zens. Ein äußerlicher, aber sehr bezeichnender Zug ist es, daß
0047Fräulein Edelsberg den größten Theil ihrer Rolle, die Mono-
0048loge namentlich, direct an das Publicum richtete. Die senti-
0049mentalen und naiven Momente ließen kalt, weil ihnen
0050der Zauber der Ursprünglichkeit abging. Auch läßt solch dunkle
0051und schwere Behandlung des Tones die leisen Vibrationen des
0052Gemüthes schwer durchscheinen; die Stimme Fräulein Edels-
0053berg’s bewegt sich meist in gleicher Tonstärke, ohne feinere
0054Schattirungen und Modulation. Hingegen wuchs der Erfolg
0055Fräulein Edelsberg’s in dem Maße, als die Rolle zu tragi-
0056scher Größe heranwächst. Die Domscene und jene im Kerker
0057brachte sie zu nicht gewöhnlicher Wirkung; freilich mehr noch
0058durch ihr energisches Spiel, als durch die überzeugende Kraft
0059des Gesanges. Das Publicum schied angeregt, anerkennend,
0060aber nicht tiefer berührt. Es schien sich zu sagen, daß hier
0061eine bedeutende Kraft auf heterogenes Gebiet gerathen und daß
0062diese sichtlich auf das Heroische, Hochtragische angelegte Per-
0063sönlichkeit sich erst als Fides und Selica in ganzer Größe
0064aufrichten werde. Aus der Vorstellung des „Prophet“ (die
0065wir leider nicht besuchen konnten) rühmen die Journale ein-
0066stimmig die effectvolle Mitwirkung Fräulein Edelsberg’s in
0067der Domscene; im Ganzen seien die Stimmmittel der Sän-
0068gerin nicht zureichend und der Erfolg nicht größer als jener
0069der ersten Gastrolle gewesen. In der darauffolgenden Auf-
0070führung der „Afrikanerin“ feierte den eigentlichen Triumph eine
0071schlanke, schwarzäugige junge Frau, welche seit Kurzem in Brünn
0072(also thatsächlich in der Wolle) sitzt und vordem unter dem Namen
0073Caroline Bettelheim über Nelusko’s Indianer und zahlreiche
0074Wiener eine glorreiche Herrschaft übte. Wie schwierig es sei,
0075unmittelbar nach solchem Flüchtling diese Throne zu besteigen,
0076mußte nach manch Anderen nun auch Fräulein Edelsberg er-
0077fahren. In den drei ersten Acten machte sie gar keinen Ein-
0078druck; dem fatalen Schlummerliede fehlte die Grazie und Leich-
0079tigkeit in noch höherem Grade, als jüngst der Schmuck-Arie im
0080„Faust“. Die eigentliche Rolle beginnt gewissermaßen mit dem
0081vierten Acte, hier erst tritt Selica in den Vordergrund der
0082Scene, um sie im fünften Acte ganz allein zu behaupten. Alles,
0083was Selica im vierten Acte an Recitativen und kurzen Ario-
0084sos zu singen hat, gehört zu Meyerbeer’s glücklichsten Inspi-
0085rationen, bis zu dem Duett-Allegro in Fis-dur, welches, be-
0086stimmt, den Gipfel des ganzen Actes zu bilden, leider nur
0087eine Banalität im schlimmsten italienischen Geschmacke gewor-
0088den ist. Fräulein Edelsberg sah im vierten Acte prachtvoll
0089aus, eine wahre Königin in Schmuck, Haltung und Geberde.
0090Sie spielte mit Feuer und phrasirte ausdrucksvoll, nur in
0091dem Liebesduett bereiteten ihr die hohen Töne Anstrengung.
0092Schade, daß die Leistung wieder im fünften Acte abfiel. Die
0093Scene unter dem Giftbaume verlangt, soll sie mehr als blo-
0094ses Effectstück sein, die rührendsten Töne eines liebeswunden,
0095resignirten Herzens. Fräulein Edelsberg sang die ganze Mo-
0096nodie mit der Aeußerlichkeit einer direct ans Parterre adres-
0097sirten Concert-Arie. — Von allen vier Gastrollen erhebt
0098Nancy in Flotow’s „Martha“, die geringsten Anforderungen,
0099und es kann keine Frage sein, ob Fräulein Edelsberg’s Kunst ihnen
0100gewachsen sei. Dennoch konnte die Leistung keine glänzende heißen.
0101Fürs erste ist die Partie für eine entschiedene Altstimme ge-
0102schrieben, d. h. sie taucht nicht blos sporadisch um einen oder
0103den anderen Ton in die Tiefe, wie Selica und Fides, sondern
0104bewegt sich anhaltend in einer Region, wo die Stimme der
0105Edelsberg dumpf und klanglos wird. Sodann reagirt die ganze
0106künstlerische Individualität der Sängerin gegen diese muntere,
0107neckische Figur. Haltung und Vortrag waren zu überlegen, zu
0108nachdrücklich, auch hätten wir in Nancy’s verändertem Beneh-
0109men gegen Plumkett gern das Keimen einer aufrichtigen
0110Zuneigung gesehen, anstatt dieser Bajonnet-Angriffe einer ge-
0111müthlosen Koketterie. Trotzdem war Nancy für Fräulein
0112Edelsberg keine undankbare Rolle, undankbar wäre nur der
0113Zuschauer, der die plastische Schönheit dieser (zum erstenmale
0114producirten) Arme und Schultern nicht würdigte, und die pracht-
0115vollen Toiletten obendrein. Im Uebrigen boten die genannten
0116Vorstellungen nichts Neues, als die Neubesetzung der Bertha
0117(im „Prophet“) durch Fräulein Rabatinsky, welche die
0118Rolle vortrefflich gesungen haben soll. Hingegen hat diese flei-
0119ßige, vielbeschäftigte Sängerin den Siebel in Gounod’s „Faust“
0120um Vortheile des Ganzen an Fräulein Benza zurückgegeben.
0121Fräulein Rabatinsky’s Stimme wie ihre Persönlichkeit ist
0122zu mädchenhaft zart für den enthusiastischen Studiosus und
0123Beschützer Gretchen’s; Fräulein Benza mit ihrer dunkleren
0124Klang- und Hautfarbe und kräftigerem Realismus paßt un-
0125gleich besser dafür.
0126Joseph Joachim hat Wien verlassen. Er nahm Ab-
0127schied an dem kältesten Tage dieses Winters; groß war sein
0128Spiel und groß die Kälte im ungeheizten Redoutensaale. Ihm
0129ist das Wunder gelungen, Frierende warmzuspielen und Zähne-
0130klappern in Beifallsjubel zu verwandeln. Joachim begann mit
0131seinem noch ungedruckten zweiten Violin-Concert in G-dur.
0132Es wäre vorschnell, über dies ernste und reich ausgestattete [2]
0133Werk nach dem ersten Hören zu urtheilen; sicher sind wir
0134aber des Total-Eindrucks, daß es an Erfindungskraft und
0135Schwung das „Ungarische Concert“ des Componisten nicht er-
0136reicht. In Joachim’s Schaffen ist die Reflexion von Haus
0137aus stark vorwaltend, seine schöpferische Ader fließt weder rasch
0138noch reich, seine Erfindung ist ernst, vornehm, aber von ge-
0139ringer Sinnlichkeit und elementarer Kraft. In seinem „Un-
0140garischen Concert“, dessen ersten Satz wir sehr hoch stellen,
0141scheint er den Gipfel seiner Begabung erreicht zu haben. In
0142dem G-dur-Concert steuert er mit noch strengerem Bewußt-
0143sein zu noch höheren künstlerischen Intentionen, aber das
0144Schiff läuft nur mit halbgespannten Segeln aus. Joachim’s
0145reformatorische Absicht: die frühere, mehr oder minder strenge
0146Scheidung der Solo-Violine vom Orchester aufzuheben und beide
0147zu Einer symphonischen Einheit zu verschmelzen, liegt klar vor Augen.
0148Das Crasseste der älteren Concert-Schablone, deren Orchester
0149entweder nur unterthänigst begleitete oder in lärmendem „Tutti“
0150das Signal zum Applaus gab, haben schon Beethoven, Men-
0151delssohn und Joachim selbst (in seinem ersten Concerte) besei-
0152tigt. Diesmal geht Joachim so weit, daß im ersten Satz die
0153Solo-Violine nicht einmal selbstständig einsetzt und schließt,
0154sondern sich gleichsam unterwegs dem Gesang des Orchesters
0155anschließt, ihn mit reichen Gängen umspielt und unmerklich
0156wieder versiegt. Selbst die Cadenz (wenn der Name hier noch
0157zutrifft) wird discret vom Orchester begleitet. Das ganze Werk
0158ist echt musikalisch gedacht und voll geistreicher Details; in der
0159Verwendung der hohen und höchsten Lagen sowie der Doppel-
0160griffe (sogar die Melodie erscheint gerne in Octaven) dünkt
0161uns jedoch zu viel des Guten gethan. Am interessantesten wirkt
0162durch die Neuheit der Form (nicht der Gedanken) der erste
0163Satz, am wohlthuendsten das stimmungsvolle, edle Andante in
0164C-moll. Der äußerlich brillanteste Satz, das Finale, dünkt
0165uns in seinem decimenspringenden Thema etwas banal; auch
0166die Durchführung hat mehr Geschwindigkeit als wirkliches pul-
0167sirendes Leben. Die Aufnahme des Werkes konnte nicht glän-
0168zender sein, und wenn wir sie zur guten Hälfte dem Spieler
0169vindiciren, so kommt Joachim dabei wenigstens nicht zu kurz.
0170Jedenfalls ist das G-dur-Concert eine von den Compositionen,
0171die man wiederholt zu hören wünscht und welche durch nähere
0172Bekanntschaft nur gewinnen können. In Joachim’s Abschieds-
0173concert hörten wir auch eine langwierige „Ossian“-Scene von
0174Th. Gouvy, in welcher die effectvolle und feine Tonmalerei
0175des Orchesters werthvoller ist, als die Gesangspartie. Der
0176Beifall schien zumeist der schönen Baritonstimme und dem
0177tüchtigen Vortrage des Herrn Krückel zu gelten.
0178Kaum hatten Joachim und sein glänzender Rivale in
0179der Gunst des Publicums, Anton Rubinstein, uns verlassen,
0180als schon ein neuer Virtuose, der Pianist Zarzycki aus
0181Warschau, angerückt kam. In Paris und London gut ange-
0182schrieben, hätte der junge Pole zu günstigerem Zeitpunkte viel-
0183leicht auch hier mehr durchgegriffen, als es jetzt der Fall war.
0184Kann man es aber unserer Zeit und unserem Publicum ver-
0185denken, daß sie auf dem Felde der Virtuosität wirklich nur
0186mehr das Ausgezeichnetste, das künstlerisch Individuelle und
0187zugleich technisch Vollendete mit Wärme begrüßen und hegen?
0188Herr Zarzycki besitzt als Componist wie als Virtuose Talent,
0189aber dies Talent steht nicht auf eigenen Füßen, überhaupt noch
0190nicht auf festen Füßen; es ist schwankend, unfertig. Als Com-
0191ponist betreibt er ein fleißiges, reinliches Grasen auf aller
0192Herren Wiesen; als Spieler gibt er Seb. Bach matt und
0193marklos, Schumann wie Chopin hastig und verschwommen
0194wieder. Und doch verfügt Herr Zarzycki über eine respectable
0195Bravour, zu deren rechter Entfaltung nur die bewußte, künst-
0196lerische Persönlichkeit noch zu fehlen scheint. Aus Anlaß der
0197Orchester-Concerte von Rubinstein, Joachim, Zarzycki etc.
0198erlauben wir uns die Interpellation an Herrn Capellmeister
0199Dessoff, ob es wirklich gar keine anderen Ouvertüren
0200mehr gebe, als die Cherubini’schen? Man scheint uns seit
0201Jahren für Jahre damit sättigen zu wollen.
0202Der Wiener Männergesang-Verein gab Sonn-
0203tag sein erstes diesjähriges Concert im großen Redoutensaale.
0204Das Programm war geradezu ein Unicum zu nennen: es ent-
0205hielt lauter Novitäten. Seltsamerweise vermochte aber kein
0206einziges Stück einen durchschlagenden Erfolg zu erringen; das
0207sonst leicht bewegliche Publicum dieser Concerte kam aus einer
0208gewissen anerkennenden Achtungskühle nicht heraus. Am mei-
0209sten gefiel noch Herbeck’s „Froher Morgen“ und zwei Reli-
0210quien von Schubert. Herbeck’s Composition ist ein von
0211kleinem Orchester begleitetes Sopranlied, zu dessen zweiter
0212Strophe der Männerchor erst leise, dann kräftiger und reicher
0213hinzutritt. Das Ganze, schlicht und stimmungsvoll, gibt den
0214volksthümlichen Ton des Gedichtes sehr glücklich wieder; wir
0215ziehen es ohneweiters den großen, anspruchsvollen Chören vor,
0216deren Bekanntschaft wir im selben Concerte machten. Fräu-
0217lein Helene Magnus, über deren sympathischem Stimm-
0218chen der gewohnte Schleier noch etwas dichter aufzuliegen schien,
0219sang die Sopranpartie mit jener gemüthvollen Sinnigkeit und
0220musterhaften Deutlichkeit, die wir an ihr hochschätzen. Die
0221beiden Schubert’schen Chöre: „Rüdiger’s Heimkehr“
0222und „Sehnsucht“, fand Herr Hofcapellmeister Herbeck
0223unter einem Wust unbeachteter Skizzen und Papier-
0224schnitzel aus Schubert’s Nachlaß. Mit dem Finden
0225allein war die Arbeit aber keineswegs abgethan. Das uns vor-
0226liegende Original-Manuscript von Schubert’s „Rüdiger“
0227(vom Jahre 1823) weist z. B. den Gesang vollständig auf,
0228die Instrumentirung aber nur auf der ersten Seite, mit Aus-
0229nahme einiger später angedeuteter Eintritte der Bläser. Her-
0230beck mußte demnach aus der Physiognomie dieser ersten Seite
0231die ganze Orchesterpartie gleichsam errathen und herauscon-
0232struiren. Er hat diese Aufgabe meisterhaft gelöst, nichts Frem-
0233des wissentlich hinzufügend, als den Paukenwirbel im Anfang, den
0234wir durchaus nicht vermissen möchten. Nach Schubert’s Ueber-
0235schrift des Stückes: „Introduction Nr. 1. Rüdiger, Ritter
0236und Reisige“, sollte dasselbe offenbar die Einleitungsscene einer
0237Oper bilden. Welches Libretto ihm vorlag und ob er mehr
0238davon componirt habe, können wir nicht einmal mit Ver-
0239muthungen beantworten. Der einleitende Männerchor: „Auf der
0240Weichsel Silberwogen“, klingt frisch und tüchtig, wenngleich
0241nicht bedeutend; weiterhin bekommt der Weichselchor einen Zopf,
0242nämlich das in ziemlich verblichenem Theaterstyl sich ergehende
0243Tenorsolo, nach welchem die Chorstrophe wieder kräftig ab-
0244schließt. Der zweite Schubert-Chor (fünfstimmig): „Nur wer
0245die Sehnsucht kennt“, beginnt mit einem warmen, stimmungs-
0246vollen Thema, das nach einem weniger charakteristischen Mittel-
0247satz wiederkehrt, schließlich etwas zu oft die Anfangsworte wie-
0248derholend. Wir sind Herrn Herbeck für die Bekanntschaft
0249beider Chöre dankbar, wenn sie gleich dem Kranze Schubert’s
0250nur ein unscheinbar Blättchen einflechten.
0251Zwei Chöre von R. Schumann (aus op. 33) waren
0252von geringer Bedeutung; um diese „Lotosblume“ und den
0253„Träumenden See“ zu schreiben, bedurfte es keines Schu-
0254mann. Nach Dichtung und Musik gehören beide Chöre über-
0255dies zu jener Gattung zitternder Sensitiven-Lyrik, die aus dem
0256Mund von 160 bärtigen Männern stets unnatürlich klingt.
0257Die drei umfangreicheren Chöre mit großem Orchester: „Der
0258Morgen“, von Rubinstein, „Salamis“, von Max Bruch,
0259und „Wächterlied“, von F. Gernsheim, kann man beinahe
0260mit derselben Charakteristik erledigen: breite Anlage, fleißiges
0261Detail, größtes Aufgebot von Orchester- und Stimm-Effecten
0262und in alledem doch ein geringer musikalischer Kern. Alle
0263drei Componisten — von denen Gernsheim an dritter Stelle
0264steht — breiten eine viel zu lange und reiche Decke über ihre
0265kurze Erfindung. Das Publicum, von diesen anspruchsvollen
0266Arbeiten innerlich unberührt, versagte ihnen übrigens nicht die
0267äußeren Zeichen der „Achtung“. Die Herren Herbeck und
0268Weinwurm theilten sich in die Direction des durchwegs mit
0269musterhafter Präcision ausgeführten Concertes.