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Neue Freie Presse
Morgenblatt
No. 1940. Wien, Donnerstag den 25. Juli 1867

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Musikalische Briefe aus Paris. VI.

(Concurs der Fanfaren, Harmonien und Militärmusiken.)


0003Paris, 21. Juli.
0004Ed. H. Wer, von Musik- und Musikvereins-Passion be-
0005seelt, nicht Stimme genug zum Sänger besitzt, hat doch mei-
0006stens hinreichenden Athem, um die Clarinette oder Trompete
0007zu blasen. Auf Grund dieser trostreichen Wahrnehmung ent-
0008standen wol all die kleineren und größeren Harmoniemusik-
0009Vereine, welche ganz Frankreich überfluthen. Vollkommene Sei-
0010tenstücke zu den jüngst hier geschilderten Männergesang-Ver-
0011einen, könnten sie schlechtweg als blasende „Orphéons“ bezeich-
0012net werden. Jede Stadt und jedes Städtchen in Frankreich 
0013hat ihre vollständige „Musique d’harmonie“, oder wenigstens
0014ihre „Fanfare“, so heißt die kleinere, blos aus Blech-Instru-
0015menten bestehende Zusammensetzung. Sie recrutiren sich im
0016Allgemeinen aus denselben socialen Schichten, wie die Or-
0017phéons: aus Handwerkern, Kaufleuten, kleinen Gemeinde-Beam-
0018ten u. s. w.; nur erstrecken sich diese blasenden Genossenschaften
0019etwas niedriger und etwas höher in die Altersclassen, man
0020sieht da zwölf- bis fünfzehnjährige Knaben (wahre Schuster-
0021jungen Apollos) neben alten Knasterbärten. Unter Letzteren
0022bilden ausgediente Soldaten ein neues charakteristisches Ele-
0023ment — ein sehr wichtiges obendrein, denn solche Veteranen
0024einer Regiments-Capelle werden, sobald sie in ihrem Heimat-
0025städtchen sich zur Ruhe setzen, meistens Gründer oder Grund-
0026festen einer Civil-Harmoniemusik. Letzerer gegenüber fühlen
0027sich die Orphéons als die individuellere, feinere, wol
0028auch vornehmere Kunstblüthe, als das Conceptspersonal
0029der Tonkunst, neben Registratur und Expedit derselben.
0030Der Regierung wie den Gemeinden sind aber die
0031Blasenden wie die Singenden „gleich liebe Kinder“. Nicht
0032jedes Städtchen kann einer Regimentsmusik theilhaftig, noch 
0033weniger ohne den „Propheten“-Marsch und die „Tell“-Ouver-
0034ture selig werden. So werden denn die Fanfaren des Ortes
0035durch Municipal-Beiträge und freiwillige Sammlungen nach
0036Möglichkeit unterstützt. Die Regierung sorgt für regelmäßige
0037Preisconcurse in den Arrondissements und Departements, die
0038dabei errungenen Medaillen reihen jeden Verein in eine höhere
0039oder tiefere „Division“. Diese Bruderschaften von der Regel
0040des Herrn Sax bleiben entweder im bürgerlichen Civilrock, oder
0041sie reihen sich der Nationalgarde, den Sappeurs und Pompiers
0042ihres Ortes ein und dürfen in Uniform ausrücken. Zu dem
0043Wettkampf nach Paris waren natürlich nur die besten und
0044stärksten Vereine aus der Provinz erschienen: Fanfaren von
004540 bis 60, Harmoniemusiken von 60 bis 90 Mann und
0046darüber. Was die künstlerische Bedeutung dieser Vereine be-
0047trifft, so steht sie, wie jene der Orphéons, erst in zweiter
0048Reihe neben der geselligen. Nur die allerbesten der fran-
0049zösischen Harmonie-Gesellschaften leisten musikalisch Tadelloses
0050oder gar Vorzügliches; aber auch die geringste von ihnen darf
0051sich rühmen, einige Seelen dem Trunke und Kartenspiel ent-
0052zogen zu haben. Für die Männer der Arbeit hat selbst ein
0053derber Verkehr mit der Kunst etwas Befreiendes, Veredeln-
0054des; der Ehrgeiz, einem musikalischen Vereine anzugehören,
0055gibt noch einen weiteren Ruck nach Oben. Das Aufblühen
0056dieser Vereine reicht nicht viel weiter zurück als 20 Jahre,
0057und dennoch bestehen ihrer schon gegen 2000 im ganzen
0058Lande.


0059Der Vorgang der Jury war ungefähr derselbe wie bei
0060den Orphéons. Sie theilte sich in verschiedene Sectionen, die
0061durch volle zwei Tage gleichzeitig in verschiedenen Localitäten
0062die einzelnen Vereine hörten. Die Jury bestimmte, welche von
0063den Fanfaren und Harmoniemusiken als die besten zu der Be-
0064werbung um den großen Preis zuzulassen seien. Diese hatten
0065sich dann in einer letzten Production gegen einander zu mes-
0066sen. Zuvor vereinigten sich sämmtliche Vereine (wie früher die
0067Orphéons) noch zu einem „Festival“, das blos aus Gesammt-
0068Productionen bestand. Ganz streng darf man dies Wort nicht 
0069nehmen, denn das Schisma zwischen der alten und neuen
0070(Pariser) Stimmung theilte das Heer dieser Bläser in zwei
0071große Hälften, welche nur immer abwechselnd spielen konnten.
0072Die Regierung, welche das Normal-Diapason in allen Regi-
0073mentern, Schulen und subventionirten Theatern im Verord-
0074nungswege eingeführt, konnte Privatvereine unmöglich dazu
0075zwingen. Ja, letztere, meist in knappen Geldverhältnissen, stürz-
0076ten sich mit Eifer auf die Blas-Instrumente alter Stim-
0077mung, welche von den Regimentsmusiken plötzlich um Spott-
0078preise verkauft wurden. Das Local der Productionen war aber-
0079mals der unglückliche Glaspalast in den Champs Elysées.
0080Nicht nur waren die Harmoniemusiken hier auf den Halbsold
0081des Effectes gesetzt, dessen sie in jedem anderen Locale sicher
0082sind, sie hatten auch noch mit den tückischen Echos des Saales
0083zu kämpfen. Bei marschartigem Rhythmus oder kurz abgebro-
0084chenen Accorden hörte man lauter Nachschläge oder hinkende
0085Synkopen. Es war ein unbegreiflicher Fehler der französischen
0086Commission, daß sie für die speciell musikalischen Feste
0087nicht auch einen akustischen Saal, allenfalls eines der großen
0088Theater, bestimmt hatte. Der Componist der preisgekrönten
0089Cantate zog es vor, sein Werk lieber gar nicht, als im Indu-
0090striepalaste aufführen zu lassen, und die „Historischen Concerte“,
0091welche den Schluß der Ausstellungsmusiken bilden sollten, fal-
0092len aus demselben Grunde weg. „Ce n’est pas une salle
0093sérieuse,“ erklärte das Comité der „Historischen“ und ging
0094auf Nimmerwiedersehen auseinander.


0095Die Stadt Lille, bereits preisgekrönt im Männergesang,
0096erhielt auch in der Harmoniemusik den ersten Preis, mußte
0097ihn aber nach zwei erfolglosen Abstimmungen mit dem kleinen
0098Orte Turcoing (an der belgischen Grenze) theilen. Von aus-
0099wärtigen Vereinen war nur die Harmoniemusik eines kleinen
0100belgischen Städtchens erschienen, Sainte-Marie-d’Oignies. Sie
0101zählte über hundert Mitglieder und spielte den ersten Satz aus
0102Beethoven’s D-dur-Symphonie überraschend gut. Auf meine
0103Erkundigungen nach der Zusammensetzung dieses Orchesters er-
0104fuhr ich, daß es fast ausschließlich aus den Arbeitern einer [2]
0105großen Spiegelfabrik bestehe. Man muß gestehen, daß diese
0106Leute ihre Sache ernsthaft nehmen. Leider hatte der Dirigent
0107dieses Vereins die Tactlosigkeit, ein donnerndes „Refusé!“ zu
0108rufen, als ihm bei der Preisvertheilung der zweite große Preis
0109(statt des erwarteten ersten) zuerkannt wurde. Wenn dergleichen
0110Richter in eigener Sache wüßten, wie viel von der allgemeinen Sym-
0111pathie sie durch solche Scenen sofort verscherzen! — Besonderes In-
0112teresse erregte auch eine über 40 Mann starke Fanfare, die ihrer stark
0113demokratischen Physiognomie zum Trotz von einem Grafen
0114dirigirt wurde. Der Graf v. Beurges, ein hübscher junger
0115Mann, scheint die gesammte Einwohnerschaft und Umgebung
0116seines Gutes musikalisch gemacht zu haben; die Bildung der
0117Fanfare ist vollständig sein Werk, und er dirigirt sie mit über-
0118raschender Sicherheit. Großes und eigenthümliches Aufsehen er-
0119regte eine nur 14 Mann starke Fanfare aus Paris, welche
0120der berühmte Instrumentenmacher Sax dirigirte. Im Gegen-
0121satze zu den Fabriksarbeitern und Nationalgardisten der Pro-
0122vinz sind diese 14 Sax-Bläser ebenso viele Virtuosen, Künstler
0123von Fach, die jeden Tag einzeln als Concertgeber auftreten
0124können. Mit den neuesten Instrumenten von Sax ausgestat-
0125tet, war dieser Virtuosenknäuel natürlich in ganz unverhält-
0126nißmäßigem Vortheile gegen alle übrigen Vereine. Die Sax’sche
0127Fanfare mußte entweder von vornherein aus der Preisbewer-
0128bung ausgeschlossen werden oder sie mußte den ersten Preis
0129mit Stimmen-Einhelligkeit erhalten. Letzteres geschah. Obwol
0130meine Sympathie diesfalls mit den schwergekränkten Dilet-
0131tanten-Vereinen ging, mußte ich bekennen, niemals ähnliche
0132Kunststücke auf Blas-Instrumenten gehört zu haben, wie
0133die der Sax’schen Fanfare. Sie spielte den „Carneval
0134von Venedig“, ein eigens für diese Künstler und diese
0135neuen Instrumente gesetztes Bravourstück. Nachdem in einzel-
0136nen Variationen sich jeder Solist hervorgethan, ging’s an eine
0137erstaunliche Gesammtbravour: sechs Posaunen bliesen Doppel-
0138triller in allen Lagen, während die Saxhorns chromatische
0139Läufe und halsbrecherische Sprünge ausführten. Die raschesten
0140Modulationen in die entferntesten Tonarten wechselten fort-
0141während — überall dieselbe Sicherheit, Reinheit und Leichtig-
0142keit. In dieser Hinsicht sind die neuen Sax-Instrumente (mit
01436 Pistons und unabhängigen Röhren) die vollkommensten Werk-
0144zeuge; für die Kunst dürften sie ein blendendes Unheil werden.
0145Hat man einmal im Orchester Posaunen und Trompeten,
0146welche mit Leichtigkeit die Bravourpassagen einer Flöte oder
0147Clarinette hervorbringen, dann werden auch die Componisten
0148nicht widerstehen können, diese Eigenschaften ans Licht zu
0149ziehen und für die Posaunen clarinettmäßig zu schreiben. Die
0150Sax’schen Blech-Instrumente, an sich vortreffliche Mechanismen,
0151haben zwei unheilvolle Consequenzen im Gefolge: einmal ver-
0152leiten sie die Componisten zu einer bravourmäßigen, entarten-
0153den Behandlung der Harmonie, sodann verdrängen sie allmä-
0154lig ältere typische, in ihrem Klange unersetzbare Instrumente.
0155Nicht nur sind Oboen und Fagotte bereits aus den französi-
0156schen Militärmusiken verschwunden, auch die Hörner werden
0157bereits durchwegs durch Saxhorn oder Sax-Otromba ersetzt.
0158Die Civil-Harmoniemusiken und Fanfaren folgen natürlich die-
0159sem Beispiele, und es hat mich förmlich wehmüthig gestimmt,
0160die „Freischütz“-Ouverture von den besten Civilgesellschaf-
0161ten beim Preisconcurse ohne Waldhörner aufgeführt zu sehen!


0162Während die Theilnahme an diesen Productionen der fran-
0163zösischen Sänger- und Bläservereine eine ziemlich mäßige war,
0164fand der wahrhaft internationale Wettkampf der Militär-
0165musiken
im Industriepalast unter dem enormsten Andrang
0166statt. Neun Staaten hatten sich daran betheiligt: Oesterreich,
0167Preußen, Rußland, Frankreich, Spanien, Belgien, Holland,
0168Baiern und Baden. Jede der Militär-Capellen hatte zwei
0169Stücke vorzutragen: die „Oberon“-Ouverture (als „Mor-
0170ceau imposé“) und eine Composition nach eigener Wahl.


0171Die Jury bestand aus vierzehn Franzosen (den Gene-
0172ralen Mellinet und Rose, den Componisten Ambroise
0173Thomas, Felicien David, Jules Cohen, den Musikschrift-
0174stellern Georges Kastner, Oskar Commettart etc.), zwei 
0175Spaniern (Romero und de Fuertes) und je Einem Mit-
0176gliede aus Preußen (Consul Bamberg), Baiern (Hanns 
0177v. Bülow) und Oesterreich. Es war ein ermüdendes Stück
0178Arbeit, in dem von wenigstens 23,000 Menschen erfüllten hei-
0179ßen Saal von 1 Uhr bis gegen 7 Uhr mit Aufmerksamkeit
0180zwanzig Militärmusik-Productionen anzuhören. Meine Lieb-
0181lings-Ouverture, „Oberon“, wurde mir bei dieser Gelegenheit
0182so verleidet, daß ich ihr für mehrere Jahre aus dem Wege
0183gehen muß. Aber alle Mühsal wurde reichlich aufgewogen
0184durch den glänzenden Erfolg unserer Oesterreicher. Nie habe
0185ich mit solcher Stärke die Macht des Heimatsgefühls, welches
0186zu Hause so häufig einschlummert oder kritisch ins Gegentheil
0187überschlägt, an mir erfahren, als in dem Augenblicke, wo un-
0188mittelbar nach der bewunderungswürdigen Production der Preu-
0189ßen sich unsere weißen Waffenröcke im Halbkreis aufstellten.
0190So mag einem Papa zu Muthe sein, dessen Töchterlein zum er-
0191stenmal die Bühne betritt; ich blickte auf Zichy, Schäfer und die
0192österreichischen Officiere in meiner Nähe und sah, daß es ihnen Allen
0193genau so ging wie mir. Und nun diese prächtige Leistung
0194und dieser stürmische Jubel! Die Preußen hatten einen Applaus
0195geerntet, der nicht zu überbieten schien; aber nach der Musik
0196der Oesterreicher dröhnte der Saal wie im Orcan, Alles schrie
0197und schwenkte die Hüte und wehte mit den Tüchern. Noch
0198Einen ernsthaften Rival hatten wir zu überstehen, die Pariser
0199Garde, welche, im Besitz trefflicher Virtuosen und neuer
0200Sax’scher Instrumente, mit der Präcision eines Uhrwerkes
0201wetteiferte. Es war in der That nicht leicht, zwischen diesen
0202drei Leistungen zu entscheiden, und so einigten wir uns rasch
0203in dem Entschluß, statt eines ersten Preises deren drei 
0204von gleichem Werth an Oesterreich, Preußen und Frankreich 
0205zu vertheilen.*)


0212Jeder mit den speciellen Verhältnissen Vertraute muß [3]
0213unter den drei Preisträgern Oesterreich die schwierigste Stel-
0214lung, somit das relativ größte Verdienst zugestehen. Oester-
0215reich hatte eine ehrliche, wirkliche Regimentsmusik gesendet,
0216durchwegs Soldaten, und zwar mit denselben Instrumenten,
0217die sie im Felde gebrauchen. Hingegen darf man nicht ohne
0218Grund annehmen, daß die anderen Capellen sich durch ein-
0219zelne virtuose Künstler ausnahmsweise verstärkt und manche
0220kostbarere Concert-Instrumente benützt haben. Preußen hatte
0221überdies die Musiker zweier Garde-Regimenter vereinigt
0222und dadurch eine Tonmasse entwickelt, nach welcher die der
0223Oesterreicher schwach erscheinen mußte. Die Preußen waren
0224uns an Quantität und Qualität der Instrumente überlegen,
0225wol auch in der unfehlbaren Sicherheit und letzten Feile der
0226Ausführung. In dem Vortrag der österreichischen Capelle hin-
0227gegen herrschte mehr Leben und Temperament, mehr Sinnlich-
0228keit und musikalische Empfindung. Die siegreiche Capelle dieses
0229Regiments (Nr. 73, Herzog von Würtemberg) ist erst seit
0230wenigen Jahren constituirt, und erst seit zwei Jahren unter
0231der trefflichen Leitung ihres jugendlichen Capellmeisters Zim-
0232mermann
; der Werbbezirk dieses Regiments ist Eger in
0233Böhmen, ein Beleg, daß das weltberühmte Musiktalent Böh-
0234mens sich nicht auf die czechischen Bewohner dieses Landes
0235beschränkt.


0236Den Oesterreichern, Preußen und der Garde de Paris 
0237reihten sich zunächst die Russen, Baiern und die Guides de la
0238Garde impérial von Paris an. Um auch hier kein Verdienst
0239zu kränken, theilte die Jury den zweiten Preis unter diese drei
0240Concurrenten. Die russische Gardemusik hatte die glückliche
0241Idee, ein Potpourri von russischen National-Melodien vorzu-
0242tragen, deren einfache und charakteristische Schönheit nach den
0243vielen Virtuosenstücken, „Propheten“- und „Tell“-Phantasien den
0244günstigsten Eindruck machte. Die starke Besetzung der Holz-Blas-
0245Instrumente verlieh der russischen Musik einen eigenthümlichen
0246Charakter von gesangvoller Weichheit und Empfindung.


0247Die treffliche Ausführung des „Lohengrin“-Marsches 
0248durch die baierische Militärmusik ließ den künstlerischen
0249Einfluß Hanns v. Bülow’s nicht verkennen.


0250Die französischen Guiden gaben eine förmliche Vir-
0251tuosen-Production, den „Carneval von Venedig“, mit einer
0252Unzahl halsbrecherischer Solo-Variationen. Es gilt davon, was
0253oben von der Sax’schen Fanfare bemerkt ist, nur sind von einer
0254Militärmusik solch kokette und läppische Spielereien noch
0255widerlicher. Natürlich wurden alle chromatischen und Triller-
0256Kunststücke der neuen Sax-Posaunen und Flügelhörner aber-
0257mals ins Feuer geführt — eine geblasene Reclame. Die Virtuo-
0258sität der Solisten ließ übrigens die Zusammensetzung dieser
0259„Regimentsmusik“ etwas zweifelhaft erscheinen; hat doch die
0260französische Armee stets das Institut der „Gagistes“ (Enga-
0261gement von Künstlern für drei Jahre) bei ihren Regiments-
0262musiken protegirt.**)  Neben Rivalen wie die sechs Genannten
0273konnten die Militär-Capellen von Baden, Belgien, Holland 
0274und Spanien kaum eine hervorragende Rolle spielen. Da sie
0275aber an und für sich doch durchaus respectabel erschienen, so
0276theilte man den dritten Preis zwischen Holland und Baden,
0277den vierten zwischen Belgien und Spanien. Die wahrhaft lie-
0278benswürdige Artigkeit der Franzosen konnte es nicht über sich
0279gewinnen, irgend eine dieser weither gereisten Militär-Capellen
0280ganz ohne Auszeichnung heimziehen zu lassen, und so ver-
0281doppelte sie freiwillig die Zahl der festgesetzten Preise, damit
0282Jedermann in den Schlußrefrain: „Ende gut, Alles gut“
0283fröhlich einstimme.

Fußnoten
  • *)Fast alle Stimmzettel enthielten die drei Namen in dieser 
    Ordnung, und so wurde auch bei der feierlichen Proclamation der
    Preise Oesterreich zuerst genannt. Da weder das Los noch die
    alphabetische Ordnung entschied (denn Frankreich wurde nach Preußen 
    genannt), so darf die österreichische Militärmusik mit Recht diese
    Bevorzugung als keine blos zufällige ansehen.
  • **)Die berühmte Capelle der Pariser Guiden ist die letzte noch
    bestehende Cavallerie-Musik in Frankreich, und auch sie soll nach
    Schluß der Ausstellung aufgelöst werden. Kaiser Napoleon hat ganz kürzlich
    alle Musikbanden der Cavallerie aus Ersparungsrücksichten abge-
    schafft und dadurch allerdings in jedem Regiment 30 Mann und 30
    Pferde für den activen Dienst gewonnen. Dieselbe Maßregel hatte aus
    gleichem Grunde schon Bonaparte im Jahre 1803 durchgeführt,
    doch war sie für die Dauer nicht aufrechtzuerhalten. Bei der großen
    Vorliebe der Franzosen für ihre Militärmusiken dürfte auch diesmal
    über die Cavallerie-Capellen noch nicht das letzte Kreuz gemacht sein.