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Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 9187. Wien, Samstag, den 22. März 1890

[1]

Beatrice und Benedict“ von Hector Berlioz.

(Erste Aufführung im Hofoperntheater am 20. März 1830.)


0003Ed. H. Man muß sich ins Gedächtniß rufen, daß
0004Herkules auch einmal Wolle aufgewickelt und Simson Getreide
0005gemahlen hat, um sich Berlioz als Componisten einer komischen
0006Oper vorstellen zu können. Aus seinen Tondichtungen kennen
0007wir ihn als einen revolutionären, nur auf höchst Leiden-
0008schaftliches und phantastisch Tragisches gerichteten Geist; aus
0009seinen Schriften als harten Asceten, dem alle Unterhaltungs-
0010musik — auch im weitesten und besten Sinne — ein Gräuel
0011war. Insbesondere verabscheute er die komische Oper und
0012pflegte, was ihm am verachtungs- und vernichtungswürdigsten
0013erschien, auf den Begriff „Opéra comique“ zu häufen. Wer
0014ihn vollends persönlich gekannt hat, den Mann mit dem
0015wilden, grauen Haarwald, dem finstern Blick und der
0016pessimistischen Weltverachtung, der würde alles Andere eher
0017von ihm erwartet haben, als eine heitere Spieloper. Es war
0018keine Delila, sondern der berühmte Spielpächter von Baden-
0019Baden, Bénazet, der unserem musikalischen Simson die Locken
0020schnitt und ihn der komischen Oper überlieferte. Auf Bénazet’s
0021Einladung hatte Berlioz durch mehrere Jahre in Baden-
0022Baden alljährlich ein großes Concert gegeben, meistens
0023eigene Compositionen. Da unternahm der „König von
0024Baden“, wie Bénazet genannt wurde, den Bau eines neuen
0025Theaters und bestellte für die Eröffnungsfeier eine komische
0026Oper bei Berlioz. Schnell entschließt sich dieser für
0027Shakespeare’s Lustspiel „Viel Lärm um Nichts“ und
0028schneidet sich selbst ein Libretto daraus. Er ändert nur den
0029für den Componisten gefährlichen Titel und versichert, es
0030werde in „Beatrice und Benedict“ auf keinen Fall „viel
0031Lärm“ vorkommen. Die erste Aufführung fand am 9. August
00321862 statt; „mit großem Erfolg“, wie Berlioz schreibt —
0033mit sehr schwachem, wie deutsche Blätter berichteten. Die
0034zweite Aufführung folgte am 11. August; eine dritte hat nicht
0035stattgefunden. Berlioz standen für seine Oper die besten Kräfte 
0036der Pariser Opéra comique zu Gebote; die Charton-
0037Demeur
(„une femme d’assez d’esprit“) sang die
0038Beatrice, der vortreffliche Tenor Montaubry den Benedict.


0039In Shakespeare’s „Viel Lärm um Nichts“ sind zwei
0040Handlungen ineinander verschlungen; eine ernste: das durch
0041Don Juan’s Intriguen verstörte Liebesverhältniß zwischen
0042Hero und Claudio, und eine heitere: der lustige Krieg Bea-
0043trice’s mit Benedict. Jede dieser beiden Parallelhandlungen
0044hat für sich den Stoff zu einer Oper geliefert: Berton’s 
0045Montano et Stephanie“ behandelt die ernste, Berlioz’ 
0046Beatrice und Benedict“ die lustige Hälfte der Shakespeare’-
0047schen Comödie. Berlioz nimmt an, daß Hero und Claudio 
0048bereits verlobt sind, und läßt sie ruhig in ihrem Glücke
0049schwelgen; desto lebhafter beschäftigen ihn Beatrice und
0050Benedict, die beiden Ehefeinde, die einander mit nicht ver-
0051siegendem Spott herausfordern, um sich schließlich — zu
0052heiraten. Alle übrigen Personen des Stückes gruppiren sich
0053als Nebenfiguren um diese Beiden, denen sie gleichsam nur
0054das Stichwort geben. In allen entscheidenden Scenen hat
0055Berlioz den Shakespeare’schen Text wörtlich beibehalten. Die
0056possenhaften Episoden unterdrückt er und ersetzt sie durch
0057andere seiner eigenen Erfindung. Ihm allein gehört die ko-
0058mische Figur des Capellmeisters Somarone, in welchem
0059Berlioz seinen Widersacher Fétis persifliren wollte.


0060Folgen wir dem Gang des Stückes. Die Ouvertüre
0061verwendet zwei contrastirende Themen aus der Oper. Das
0062leicht scherzende Allegretto, das wie lustiges Funkensprühen
0063klingt, ist dem Schluß-Duettino entnommen; das schwer-
0064müthige Andante gehört der Arie Beatrice’s im zweiten Act.
0065Das heitere Motiv gewinnt bald die Oberhand und behält
0066sie bis zur letzten Note; leider wird es nicht eigentlich durch-
0067geführt, sondern meistens in ermüdenden Wiederholungen
0068fortgesponnen. Herr Richard Pohl, der Generalpächter der
0069deutschen Berlioz-Begeisterung, nennt sie die schwächste aller
0070seiner Ouvertüren; ein Urtheil, dem ich nicht beistimmen
0071möchte. Sie ist kein Meisterstück, aber eine echte Lustspiel-
0072Ouvertüre und jedenfalls klarer, natürlicher, ich möchte sagen
0073musikalisch anständiger als die Ouvertüren zu „Wawerley“,
0074den „Vehmrichtern“ und dem „Corsar“. Die Oper eröffnet
0075ein überaus alltäglicher, von Jahn kräftig zusammengestri-
0076chener Festchor. Hierauf wird eine „Sicilienne“ getanzt, der 
0077es nicht an zierlichem Contour, wol aber an heller, kräftiger
0078Farbe gebricht. Wie dieses Tanzstück ohne eigentlichen
0079Schluß verduftet, so verlischt es auch spurlos im
0080Gedächtniß des Zuhörers. Adolphe Jullien, als General-
0081pächter der französische College Richard Pohl’s, meint, diese
0082Sicilienne müßte den Neid Auber’s erregen! Herr Jullien 
0083wird doch einmal die Balletmusik in der „Stummen von
0084Portici“ gehört haben? Es scheint, daß Berlioz, der keine
0085Tanzmusik schreiben konnte, sich auch keinen Festmarsch zu-
0086getraut hat, war doch für einen solchen gerade hier, bei der
0087Rückkehr des siegreichen Heeres, die schönste Gelegenheit.
0088Hero bleibt allein auf der Bühne zurück, um ihrer Sehn-
0089sucht nach dem erwarteten Bräutigam in einer Arie Aus-
0090druck zu geben. Das Andante klingt zart und träumerisch,
0091desto trivialer der Allegro-Satz, welcher zu unserem maßlosen
0092Erstaunen in einen langen, geschmacklosen Coloraturschwanz
0093ausgeht. Don Pedro erscheint mit den Rittern, und sofort
0094entspinnt sich das neckende Wortgefecht zwischen Beatrice 
0095und Benedict in einem sehr langen Duett. Der declamatorisch
0096gehaltene erste Theil ist, wo er die Stimmen nicht in dumpfer
0097tiefer Lage festhält, recht wirksam; der schnellere zweite fristet
0098sich mit alltäglichen, altmodischen Phrasen. Auch von dem
0099darauffolgenden Terzett der drei Freunde ist das Beste der
0100Anfang, Benedict’s herzhafter Ausruf: „Ich, Ehemann?
0101Gott soll bewahren!“, den die beiden Bassisten in Terzen
0102wiederholen und weiterführen. Im weiteren Verlaufe — und
0103der Verlauf währt lange! — wird auch dieses Terzett ge-
0104wöhnlich und ermüdend. Nun eilt der Capellmeister Soma-
0105rone mit seinen Sängern herbei und läßt sie die „Hochzeits-
0106Cantate“ probiren. Schon daß diese mit den Worten be-
0107ginnt: „O stirb, holdestes Paar!“ gehört zu den bedenklich-
0108sten Spässen; daß sie als Doppelfuge componirt ist, zu den
0109schwer verzeihlichen Geschmacklosigkeiten. Berlioz haßte die
0110Form der Fuge und verspottete sie, wo er nur konnte.
0111Trotzdem machte er selber welche; freilich, wie er vorgibt,
0112nur in parodistischer Absicht, aber — Fuge bleibt doch
0113Fuge. Das Publicum merkt die Absicht nicht und wird
0114verstimmt; es bekommt statt des gehofften komischen Stückes
0115ein plumpes und langweiliges zu hören. Frisch und nicht
0116ohne pikante rhythmische Würze fließt das Rondo hin, in wel-
0117chem Benedict über seine neue Eroberung jubelt. Nun erscheinen [2]
0118Hero und ihre Gesellschafterin Ursula im Garten und feiern
0119die sommerliche Mondnacht mit einem zweistimmigen Not-
0120turno, das mit seinen süßen Terzengängen auf ruhig schau-
0121kelnder Begleitung sich gar freundlich des Hörers bemächtigt.
0122Es ist das beste Musikstück in der Oper, das einzige, das
0123bei der Première in Baden-Baden Erfolg hatte, und bis zur
0124Stunde das einzige, das dem Pariser Publicum durch Con-
0125cert-Aufführungen bekannt geworden ist. Sehr originell wird
0126kaum Jemand die Melodie finden; aber das Ganze ist un-
0127gemein stimmungsvoll und klangschön. Mit diesem Duett
0128schließt recht glücklich der erste Act; der zweite bietet weniger.
0129Um ihn etwas aufzuputzen, hat Director Jahn in die erste
0130Scene das Ball-Scherzo aus der „Sinfonie fantastique“ ein-
0131gelegt. Das graziöse Stück wirkt übrigens besser für sich
0132allein, als mit dem Tanz, welchen es eher hemmt, als be-
0133flügelt. Auf ein triviales Trinklied Somarone’s, das lediglich
0134durch seine originelle Begleitung (Guitarren und Trompeten)
0135wirkt, folgt die wichtigste und einzig bedeutende Nummer
0136des zweiten Actes: die Arie Beatrice’s. Das Andante, dessen
0137Thema wir aus der Ouvertüre kennen, ist von edlem Aus-
0138druck, leider auch von ermüdender Länge. Der Allegro-
0139Satz verfällt wieder in banale, altmodische Phraseologie.
0140Mit Hero und Ursula singt Beatrice ein Terzett, das mit
0141der Handlung nichts zu thun hat und von Berlioz erst
0142später nachcomponirt wurde. Es ist ein Mißgriff, daß dieses
0143Stück in Melodie und Begleitung zu sehr an das zwei-
0144stimmige „Notturno“ erinnert, dessen Wirkung es nicht ent-
0145fernt erreicht. Eine Kürzung dieses peinlich langen Terzetts
0146scheint mir dringend wünschenswerth. Ein unerlaubt simples
0147Brautlied für Chor, das in seiner vollen Länge unerträglich wäre,
0148aber durch Jahn’s gnädige Hand auf Halbsold gesetzt ist,
0149leitet zu dem letzten und kürzesten Musikstück der Oper:
0150einem „Scherzo-Duettino“ zwischen Beatrice und Benedict.
0151Es ist das Allegretto-Thema der Ouvertüre, das offenbar
0152zuerst rein instrumental erdacht war und dem erst nach-
0153träglich die Singstimmen in schwer zu erhaschenden, rhap-
0154sodischen Phrasen eingesprengt wurden. Es könnte sehr hübsch
0155sein, wenn es etwas sangbarer geschrieben und reicher ausge-
0156führt wäre. Mit einem plötzlichen einzigen Ausruf des
0157Chors: „Demain, demain!“ schließt die Oper, wenn man dieses 
0158formlose Abbrechen einen Schluß nennen kann. Man sieht,
0159wie der Componist immer eilfertiger geworden ist, je näher
0160er an das Ende kam.


0161Der Berlioz des „Harald“, des „Romeo“, des
0162Requiem“ ist in „Beatrice und Benedict“ nicht wieder-
0163zuerkennen. Oder richtiger: nur für denjenigen zu erkennen, der
0164aufs genaueste vertraut ist mit gewissen rhythmischen und
0165harmonischen Schrullen dieses Componisten, mit seinen
0166feineren Farbenmischungen im Orchester und seinem Ab-
0167wechseln zwischen sprühenden Geistesblitzen und kindisch
0168trivialen Cantilenen. Berlioz hat in dieser Oper die Rolle
0169des musikalischen Revolutionärs vollständig abgelegt; er macht
0170keine Miene, irgend etwas an dem Gewohnheitsrecht der
0171Opéra comique zu reformiren, er verbleibt bei dem Wechsel
0172von Gesang und gesprochenem Dialog und fügt sich in die
0173herkömmliche abgeschlossene Form der „morceaux carrés“.
0174In diese alten Schläuche gießt er nicht einmal den neuen
0175Wein seiner so eigenartigen Individualität; er kehrt viel-
0176mehr zurück zu der Ausdrucksweise der älteren französischen
0177Componisten. „Beatrice und Benedict“ könnte thatsächlich
0178componirt sein, ehe noch ein Auber auf der Welt war.
0179Nur in Einzelheiten, nicht in der Form oder dem Grundton
0180des Ganzen zeigt sich ein moderner Geist. Das Orchester
0181ist außerordentlich discret, fast schüchtern behandelt; die
0182Posaunen haben den halben Abend hindurch Ruhe, die Lärm-
0183Instrumente den ganzen. Diese Zurückhaltung gibt der
0184Oper einen wohlthuend graziösen, intimen Charakter, einen
0185leichten Silberglanz von Vornehmheit. Der Lustspielton bleibt
0186durchwegs unangetastet, überschlägt nirgends in das For-
0187tissimo der großen Oper. Allerdings ist mehr feine Anmuth
0188darin, als volle, gesunde Fröhlichkeit oder herzhafte Komik.
0189Berlioz ne sait pas rire,“ sagte einmal Jules Janin, und
0190er hatte Recht. Berlioz war eine durchaus ernste, pathetische
0191Natur, die sich zur Heiterkeit zwingen mußte und Komisches
0192selbst mit großer Anstrengung nicht erreichte — eben wegen
0193der großen Anstrengung. Wie tief steht die angeblich komische
0194Cantatenprobe des Somarone unter der ähnlichen Scene im
0195Czar und Zimmermann“ oder selbst im „Don Bucefalo“.


0196Da Berlioz Shakespeare’s „Viel Lärm um Nichts“
0197als einen besonders glücklichen Opernstoff begrüßte, mag er 
0198doch zwei nicht unwichtige Punkte übersehen haben. Einmal,
0199daß die witzigen Neckereien zwischen Beatrice und Benedict,
0200die im Lustspiel blitzschnell aufeinanderfolgen und gerade
0201durch dieses Schnellfeuerwerk so ergötzlich wirken, sich bei-
0202weitem nicht so willig der Musik hingeben. Die Musik
0203braucht Zeit und braucht Wiederholungen. Fürs zweite
0204liefert die aus Shakespeare’s Comödie herausgeschälte Seiten-
0205handlung „Beatrice und Benedict“ für sich allein nicht hin-
0206reichenden Stoff für eine ganze Oper. Ihr dramatisches
0207Interesse ist ziemlich gering, jedenfalls sehr kurzatmig.
0208Berlioz’ ursprünglicher Plan, die Oper einactig zu machen,
0209war wol der richtige. Wir bekommen zu wenig Handlung
0210und zu wenig Musik für einen ganzen Abend. Um wenigstens
0211dem letzteren Mangel einigermaßen abzuhelfen, hat Herr
0212Felix Mottl den ganzen gesprochenen Dialog in Reci-
0213tative umgewandelt, die mitunter einen beträchtlichen Raum
0214einnehmen. Diese Recitative (stellenweise etwas „meister-
0215singernd“) sind vortrefflich gemacht und heben sich durch
0216prägnanten und lebhaften Ausdruck mitunter vortheilhaft
0217zwischen zwei Berlioz’schen Musiknummern heraus. Immer-
0218hin bleibt es ein sonderbarer, ohne Beispiel dastehender Vor-
0219gang, den Dialog einer französischen Opéra comique gerade
0220für uns Deutsche, die wir doch selbst in ernsten Opern an
0221Prosa gewohnt sind, für Gesang umzuformen. Die Reize
0222der Berlioz’schen Oper sind fein und eigenartig, aber inter-
0223mittirend und von geringer Energie. „Beatrice und Benedict“
0224hat im Hofoperntheater von Anfang bis zum Schluß inter-
0225essirt; um stark und nachhaltig auf das Publicum zu wirken,
0226müßte diese feine Musik zugleich eine viel reichere melodische
0227Erfindung, frischere Farben und lebendigere Bewegung entfalten.


0228Für die Vortrefflichkeit der Wiener Aufführung er-
0229scheint jedes Lob zu gering. Die Oper zählt nur drei mit
0230Solonummern bedachte, hervorragende Gesangspartien:
0231Beatrice, Benedict und Hero. Alle drei werden ausgezeichnet
0232dargestellt. Fräulein Renard (auch „une femme d’assez
0233d’esprit“) weiß als Beatrice sowol die scherzhafte als die
0234leidenschaftliche Seite dieser musikalisch unsäglich spröden
0235Hauptrolle in helles Licht zu rücken und beide harmonisch
0236auszugleichen. Dankbarer gestaltet sich die Partie des Be-
0237nedict in Händen eines Sängers, der mit einer jugend[3]-
0238lich frischen Stimme lebensvollen Ausdruck und große
0239schauspielerische Gewandtheit verbindet. Dies Alles ist
0240in Herrn Schrödter aufs glücklichste vereinigt
0241und hebt seinen Benedict zu glänzender Wirkung.
0242Hero endlich findet in Fräulein Forster die denkbar an-
0243muthigste Verkörperung. Die umfangreiche und schwierige
0244Rolle gehört zu den besten Leistungen dieser immer rein und
0245natürlich singenden liebenswürdigen Künstlerin. Von den
0246kleineren Rollen sind die beiden relativ wichtigsten, nämlich
0247Ursula und Somarone, in den bewährten Händen von Frau
0248Papier und Herrn Mayerhofer. Die Herren v. Reichen-
0249berg
, Frei, Felix und Schittenhelm vervollständigen
0250das treffliche Ensemble. So trügerisch leicht sich die Oper
0251anhört, so schwierig ist in Wahrheit eine vollkommene Auf-
0252führung derselben. Da ihre ganze Wirkung sich aus lauter
0253feinen, geistreichen Zügen zusammensetzt, müssen diese mit
0254der äußersten Sorgfalt herausgearbeitet, gleichsam à jour
0255gefaßt werden, augenfällig und doch nicht aufdringlich. In
0256solchen Aufgaben ist Director Jahn ein Meister wie kein
0257Zweiter; es wird auch keine zweite Bühne mit Wien 
0258in der Aufführung von „Beatrice und Benedict“ rivalisiren
0259können. Wir wünschen und hoffen, daß die Oper sich auf
0260dem Repertoire erhalte; sie kann bei fortgesetzter Bekannt-
0261schaft nur gewinnen. Diese Vorstellung ist eine Ehre für
0262Wien. Sie ist gleichzeitig eine neue Beschämung für Paris,
0263wo trotz des Berlioz-Cultus, mit dem Frankreich seit
026425 Jahren großthut, „Beatrice und Benedictnie-
0265mals
zur Aufführung gekommen ist. Ebenso hat bis zur
0266Stunde kein französisches Operntheater den Muth gehabt,
0267seit 1838 den damals verunglückten „Benvenuto Cel-
0268lini
“ von Berlioz wieder aufzuführen. Und doch haben so
0269viele deutsche Bühnen mit der Aufführung beider Opern
0270den Franzosen ein gutes Beispiel gegeben. Endlich ließ man
0271auch Berlioz’ dritte und letzte Oper: „Die Trojaner
0272(1863) in Paris nach wenigen Wiederholungen für immer
0273verschwinden. Der Mißerfolg dieses Werkes war einer der
0274letzten und tiefsten Dolchstiche, an denen der alternde Meister
0275verblutete. Berlioz ist (nach Gounod’s geistreichem Wort) wie
0276sein heldenmüthiger Namensbruder Hector unter den Mauern
0277von Troja gefallen.