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Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 9279. Wien, Dienstag, den 24. Juni 1890

[1]

Die Musik in Amerika.

(Erste Anfänge.)


0003Ed. H. Amerika, heute das gelobte Land, wenn nicht der
0004Tonkunst, doch der Tonkünstler, beginnt auch in musikalischer
0005Beziehung ein ernsteres Interesse zu erwecken. Alljährlich
0006wächst die Anzahl der Opernsänger und Virtuosen, die nach
0007Amerika hinübersegeln, nicht um dort die letzte Ausbildung
0008ihres Talents oder die höchste Weihe ihres Ruhms zu suchen,
0009sondern um Lorbeern in Dollars umzusetzen. Aber ein Volk,
0010das dergleichen Genüsse so hoch bezahlt, muß doch musikalische
0011Empfänglichkeit, musikalisches Bedürfniß, wol auch Talent
0012besitzen. Wie ist es damit bestellt? Und wie sieht es, neben
0013der Oper, mit den Orchester-Concerten, mit den Chorvereinen,
0014mit der Kammermusik, mit dem Musik-Unterricht aus? Seit
0015wann kann überhaupt von Musikpflege in Amerika ge-
0016sprochen werden und welchen Gang verfolgt sie in ihren
0017verschiedenen Zweigen? Diese Fragen beantwortet uns zum
0018erstenmale zusammenhängend ein Buch von Dr. Frederick
0019Louis Ritter, das soeben in zweiter vermehrter Auflage
0020erschienen ist.*) Der Verfasser, ein wissenschaftlich ge-
0023bildeter Musiker und Pädagoge, ist Director der Musik-
0024schule am Vassar-College und hat, wie wir aus einer Stelle
0025seines Buches (pag. 299) beiläufig entnehmen, als Diri-
0026gent der „Harmonic Society“ in Newyork im Jahre 1867 große
0027Oratorien, wie die Schöpfung, Elias, Messias, zur Auf-
0028führung gebracht. Noch immer mitthätig im Centrum des
0029amerikanischen Musiklebens, hat er seit Jahren unermüdlich
0030Material für eine Geschichte der Musik in Amerika gesam-
0031melt. Sein Buch ist ganz in dem englisch-amerikanischen
0032Geist nüchterner Beobachtung und praktischen Urtheiles ge-
0033schrieben; es will keineswegs Reclame für Amerika machen,
0034sondern ebenso wahrheitstreu hervorheben, was in künstleri-
0035schem Geist geleistet oder doch versucht worden ist, wie alles
0036dasjenige rügen, was als kindisch, hohl und betrügerisch sich
0037dem musikalischen Fortschritt entgegenstellt. Trotz der mit
0038jedem Jahre zunehmenden Musik-Cultur in Amerika gibt es 
0039noch manche Städte dort, welche nur eine fette Weide für
0040musikalische Ignoranten und Abenteurer sind. Der Eine zeigt
0041an, daß er die musikalische Composition in zehn Lectionen
0042lehre, der Andere (irgend ein Clavierstimmer oder -Händler)
0043verspricht, seine Schüler in vier Wochen zu guten Pianisten
0044auszubilden. In einer Stadt nicht weit von Newyork tritt
0045der Dirigent eines Chorvereins zugleich als Buffo auf und
0046schildert singend mit gräßlichen Körperverrenkungen einen
0047Seesturm und das Scheitern des Schiffes. Eine Unzahl
0048ähnlicher Geschichten, „wie sie nur in Amerika vorkommen
0049können“, stehe dem Verfasser, wie er sagt, zu Gebote; er
0050hat jedoch Recht, sie für unpassend zu halten in einem
0051ernsten historischen Werk.


0052Die Anfänge musikalischer Entwicklung in Amerika da-
0053tiren von der ersten Ansiedlung englischer Puritaner in Neu-
0054England. Aus ihrem Psalmengesang, aus der rohen Form
0055einer barbarisch gesungenen einfachen Psalmodie erwuchs die
0056musikalische Cultur in den Vereinigten Staaten. Bekanntlich
0057haben zur Zeit der großen Revolution in England die Puri-
0058taner Orgeln und Musikbücher zerstört. Der Psalmengesang
0059in der schönen Bearbeitung der besten englischen Contra-
0060punktisten wurde als frivol verpönt, nur die einstimmige
0061Melodie durfte von der Gemeinde gesungen werden. Die
0062Erfindung neuer Weisen war verboten, das Volk schreckte
0063vor solchem „Teufelswerk“ zurück und verlor allmälig jeg-
0064lichen Sinn für die künstlerische Bedeutung der Musik. Die
0065Puritaner, welche 1620 in Plymouth-Rock landeten, brachten
0066ihr eintöniges Psalmodiren und ihren Haß gegen weltliche
0067Musik mit. Während der ersten Epoche der Colonien stand
0068die musikalische Cultur daselbst so niedrig, wie bei den Gal-
0069liern oder Alemannen im siebenten Jahrhundert. Die ersten
0070amerikanischen Musiklehrer waren puritanische Geistliche.
0071Durch kirchliche Engherzigkeit verblieb die Musik in so arger
0072Vernachlässigung, daß der Chorgesang der allereinfachsten
0073Psalmodie zu einer Folterqual wurde für jedes gebildete Ohr.
0074Bach und Händel wirkten mächtig in Deutschland, wäh-
0075rend in Amerika darüber gestritten wurde, ob Psalmen-
0076gesang in der Kirche mit den Worten der Bibel vereinbar
0077sei. Beethoven war im selben Jahre geboren,
0078als William Billings in Boston seine erste
0079rohe Sammlung: „The New-England Psalmsinger“
0080herausgab. Dieser Billings (geboren 1764 in Boston, ge-
0081storben 1800) war seines Zeichens ein Lohgärber, der eine 
0082Singschule besucht hatte und einiges Musiktalent in sich ver-
0083spürte. Er begann die Form der ihm am meisten zusagenden
0084Psalm-Melodien umzumodeln und, so gut er konnte, zu har-
0085monisiren, wozu er die Innenseite seines Leders oder seiner
0086Baumrinde als Notenpapier benützte. Billings galt für einen
0087guten Kirchensänger, so weit damals überhaupt vom Singen
0088die Rede sein konnte. Der Erfolg seines Gesangbuches war
0089bedeutend und ermuthigte ihn, bald ähnliche Sammlungen
0090folgen zu lassen, sogar eine Art primitiver Gesangschule und
0091Compositionslehre. Bei alledem blieb er stets ein ungeschickter
0092Harmoniker und noch ärgerer Contrapunktist. Verkrüppelt,
0093auf einem Auge blind und auf einem Fuße hinkend, fort-
0094während aus einer großen ledernen Rocktasche Tabak
0095schnupfend — so hat sich sein Bild seinen Zeitgenossen ein-
0096geprägt. Ein Original und so recht der Typus des „Yankee
0097Psalmtune-teachers“ vom Ende des vorigen Jahrhunderts.
0098Ein großes politisches Ereigniß, die amerikanische Revolution
0099machte ihn zum patriotischen Psalmcomponisten. Billings 
0100unterlegte beliebten Kirchenmelodien politische Gelegenheitstexte,
0101und diese patriotischen Hymnen wurden von jedem Chorverein,
0102in jeder Familie, sowie von den Soldaten im Feldlager gesungen.
0103Und so geschah es, daß manche seiner Gesänge, die mit
0104dem Zeitpunkte großer politischer Aufregung zusammentrafen,
0105wirkliche Volkslieder wurden, z. B. Chester, Columbia,
0106Independance, Lamentation over Boston u. A. Er hat das
0107Verdienst, nicht blos fremde Melodien „angepaßt“, sondern
0108auch eigene erfunden zu haben, und darf als der erste
0109amerikanische Componist bezeichnet werden: ein armseliger,
0110aber ehrlicher Musiker. Unser Verfasser zählt eine ansehn-
0111liche Reihe strebsamer Zeitgenossen und Nachfolger Billings’
0112auf, die für uns nur geringes Interesse haben. Jedenfalls
0113begannen mit diesem Palmcomponisten vom Ende des
0114vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts die ersten eigen-
0115artigen Regungen amerikanischer Musik; eine Epoche der
0116Kindheit, aber lebenskräftig und hoffnungsvoll. Wie alle
0117Autodidakten, so legten Billings und seine Zeitgenossen großen
0118Werth auf dasjenige, was sie so mühsam hervorgebracht
0119hatten, obgleich das höchst mittelmäßig war im Vergleich
0120mit den Leistungen irgend eines wirklichen Tonsetzer. Ohne
0121die geringste Kenntniß von dem, was Andere bereits vor ihnen
0122und viel besser geleistet hatten, hielten sie sich in naiver Un-
0123erfahrenheit für Original-Genies und ihre Producte für un-
0124vergleichliche Meisterstücke. Von ihren Anhängern wurden [2]
0125sie die Napoleons, die Washingtons, die Wellingtons
0126der Musik geheißen. So lächerlich die Ueberschätzung
0127dieser Autodidakten ist, sie bezeichnen doch eine Epoche
0128in der Entwicklung der amerikanischen Musik. Sie
0129verbreiteten im Volk die Liebe zur Musik, insbesondere das
0130Verlangen nach neuen Melodien. Zahlreiche Singschulen und
0131Chöre, in allen Theilen Neu-Englands emporschießend, er-
0132öffneten einen breiten Markt für Gesangbücher und Psalmen-
0133singlehrer. Der Lohgärber, der Fleischer, der Zimmermann,
0134der Pächter, der brotlose Advocat, wenn er nur eine erträg-
0135liche Stimme und einige Uebung im Notenlesen besaß, wurde
0136jetzt Psalmencomponist und Lehrer und hausirte von Stadt
0137zu Stadt mit „neuen, nie zuvor gedruckten Psalmmelodien“.
0138Wol mußten diese pfiffigen Yankees, daß ihre Zöglinge sich
0139nach etwas leichterer Waare sehnten. Aber weltliche Musik
0140war so gut wie unbekannt im Lande; höchstens daß einige
0141englische Balladen, Marsch- oder Tanzweisen sich in die
0142Salons reicher Familien eingeschlichen hatten. Billings und
0143Consorten wußten sich zu helfen: sie zwängten diese welt-
0144lichen Melodien unter Kirchentexte, das galt dann für geist-
0145liche Musik. Eine Reaction gegen die Verweltlichung des
0146Kirchengesanges erhob sich von Seite einiger ernsthafter Geist-
0147licher, welche auf einen würdigeren Styl drangen. Insbeson-
0148dere Professor Hubbard, ein eifriger gebildeter Musik-
0149freund, erhob sich gegen die Profanation der Kirche durch
0150Balladen- und Tanzmelodien und verkündete in einem Essay 
0151(1807) seinen Landsleuten zum erstenmale ästhetische An-
0152sichten über Musik. Bald behauptete ein reinerer Kirchen-
0153gesang das Feld, und die Zeit der „Billingsschule“ war
0154vorüber.


0155Instrumentalmusik wurde fast gar nicht gepflegt. Die
0156Puritaner untersagten sie als unchristlich, sowol in der
0157Kirche als in der Familie. Dieses fromme Vorurtheil
0158schwand zuerst in Betreff der Orgel, und manche reiche
0159amerikanische Gemeinde ließ sich ein solches Instrument aus
0160England kommen, als die beste Unterstützung des Psalmen-
0161gesanges. In Privathäusern waren damals musikalische In-
0162strumente die größte Seltenheit. Ganz Boston, mit einer
0163Bevölkerung von 6000 Familien, besaß zu Ende des vorigen
0164Jahrhunderts nicht fünfzig Claviere. Die Musik hatte, selbst
0165in den Augen der liberalsten Singlehrer, nur Werth im 
0166Zusammenhange mit dem Gottesdienste. Trotzdem gedieh die
0167Musikpflege, hervorgewachsen aus dem Psalmsingen, allmälig
0168zu lebendigerer Kraft im Volke. Schon in Billings’ Chor-
0169verein hatte man mit einzelnen Chören aus Händel’s Messias 
0170und Haydn’s Schöpfung den Versuch gemacht. Nachdem die
0171Kirche keine Gelegenheit bot zum Studium solcher Werke,
0172wagten einzelne Gesangvereine die gelegentliche Aufführung
0173populärer Stücke aus diesen Oratorien. Unter den Musik-
0174vereinen, die sich zu Anfang des Jahrhunderts bildeten, war
0175einer der ersten die „Händel-Society“ des Dart-
0176mouth-College
bei Boston. Von den Lehrern und
0177Studirenden dieses einflußreichen Collegiums ausgeübt und
0178gefördert, mußte die Musik bald in Schichten des
0179amerikanischen Volkes eindringen, die sich lange dagegen
0180gesträubt hatten. Die Studenten, welche das Collegium ab-
0181solvirten, brachten überallhin in ihre Heimat oder ihren
0182neuen Berufsort die Liebe zur Musik mit und halfen dort
0183Singvereine oder bessere Kirchenchöre organisiren. Bedeuten-
0184der noch und einflußreicher war die in Boston gegründete
0185„Händel- and Haydn-Society“. Sie gab zu Weih-
0186nachten 1815 ihr erstes öffentliches „Oratorio“, welches aus
0187dem ersten Theile der „Schöpfung“ und verschiedenen Chö-
0188ren und Arien von Händel bestand. (Unter „Oratorio“ ver-
0189stand man in Amerika bis zur Mitte unseres Jahrhunderts
0190ein aus verschiedenen, meistens geistlichen Stücken zusammen-
0191gesetztes Concert.)


0192In Europa lag ehedem die Pflege der Musik überwie-
0193gend in den Händen der Reichen und Vornehmen, aus deren
0194exclusiven Kreisen sie allmälig ins Volk drang und Sache
0195des „Publicums“ wurde. In dem demokratischen Amerika,
0196wo Alle die gleichen politischen und socialen Rechte genießen
0197und nur der gefülltere Geldbeutel einen Unterschied macht,
0198ist die Musik vom Volke ausgegangen und gehört dem
0199Volke. Den ersten musikalischen Impuls gaben die Kirchen-
0200chöre und Singvereine, welche sich aus allen Classen des
0201Volkes recrutirten, vor Allem in der reichen Hauptstadt
0202Neu-Englands, Boston, welche in ihrer „Händel- and
0203Haydn-Society“ zuerst eine ansehnliche Pflanz- und Pflege-
0204stätte musikalischer Bildung schuf. Deutscher Einfluß wirkte
0205dabei wesentlich mit. Bis zum Anfange unseres Jahrhunderts
0206bezog die amerikanische Cultur ihre musikalische Nahrung fast 
0207ausschließlich aus englischen Quellen. Nur vereinzelt tauchte
0208hie und da der Name eines Deutschen, Franzosen oder Ita-
0209lieners auf, der sich als Musiker in der neuen Welt durch-
0210zubringen suchte. Ein Deutscher, Hanns Gram, wurde
0211Organist in Boston und bewirkte schon einen großen Fort-
0212schritt über Billings, insbesondere durch seine im Styl des
0213deutschen Chorals componirten Psalmen. Derjenige Deutsche
0214aber, der zuerst einen ganz entscheidenden Einfluß auf die
0215Musik in Boston geübt hat, war Gottlieb Graupner.
0216Ursprünglich Hoboist in einem hannover’schen Regiment, war
0217er später nach London gekommen und hatte dort in Salo-
0218mon’s Orchester-Concerten unter Haydn’s Leitung gespielt.
0219In Boston ließ er sich 1798 nieder und bildete da den Kern
0220eines kleinen Orchesters; meistens Liebhaber, die sich jeden
0221Samstag als „Philharmonische Gesellschaft“ vereinigten, um in
0222ihrer bescheidenen Weise, sechzehn Mann stark, Haydn’s
0223Symphonien zu spielen. Ihr letztes Concert gaben sie im
0224November 1824. Graupner kaufte auch einen kleinen Musik-
0225laden, druckte Musikalien und schrieb auch eine eigene Piano-
0226forte-Schule für seine Zöglinge. Seine ganze Familie war
0227musikalisch, seine Frau jahrelang die einzige Sängerin in ganz
0228Boston. Hauptsächlich durch Graupner’s Bemühungen wurden
0229die Musikfreunde Bostons bekannt mit italienischem und
0230deutschem Musikstyl. In London, woher ja Graupner ge-
0231kommen, mußte der Fachmusiker, um Erfolg zu haben, drei 
0232verschiedene Musikrichtungen verfolgen: die italienische für
0233die Oper, die deutsche für die Instrumentalmusik und die
0234englische für den Kirchengesang und die Balladen. Diese
0235Mischung nationaler Musikstyle schickte ihre Repräsentanten
0236nach Amerika und legte hier den Grund zu einer neuen
0237Kunstentwicklung. Für die Amerikaner — Dilettanten wie
0238Fachmusiker — war Alles, was außer den Psalmen gesungen
0239oder gespielt wurde, schlechtweg „europäische Musik“, ohne
0240nähere nationale Bezeichnung. Ein Kampf um die Ober-
0241herrschaft zwischen den deutschen, englischen und italienischen
0242Tonkünstlern entstand erst nach der Gründung der „Newyork
0243Philharmonic society“ (1842). Da wurden aus den drei
0244musikalischen Gruppen drei Feldlager. Die englischen
0245Musiker hielten aus alter ererbter Gewohnheit zu-
0246sammen mit den italienischen Gesanglehrern und
0247Opernsängern gegen den mächtig wachsenden Einfluß [3]
0248des deutschen Clavierlehrers und Orchester-Musikus.
0249Auch einige bessere französische Musiker siedelten sich an,
0250vornehmlich in Newyork und Neworleans, sie blieben jedoch
0251im Ganzen neutral und nahmen das Gute, soweit sie es
0252verstanden, ohne Unterschied der Nationalität. Später bildete
0253sich noch eine neue Gruppe: die eingeborenen Musiker;
0254diese hätten am liebsten alle Fremden gleich aus dem Lande
0255gejagt, leisteten aber selber so gut wie nichts.


0256Die „Händel- und Haydn-Gesellschaft“ in
0257Boston erstarkte so rasch in ihren Mitteln und in der Sym-
0258pathie der Bevölkerung, daß sie im Jahre 1818 den ganzen 
0259Messias“ und bald darauf auch Haydn’s „Schöpfung“
0260geben konnte. Die Meisterwerke Händel’s und Haydn’s bil-
0261deten die starke Säule, um welche viele Jahre lang die ganze
0262musikalische Cultur in Amerika sich bewegt hat. Der „Mes-
0263sias
“ und die „Schöpfung“ wurden in allen möglichen
0264Formen gesungen, nur nicht in der richtigen, vielmehr in
0265den erdenklichsten Arrangements. Sie reichten lange aus für
0266die Heranbildung des musikalischen jungen Amerika, und es
0267war ein Glück für letzteres, daß Händel und Haydn als
0268die idealen Oratorien-Componisten hingestellt und anerkannt
0269waren, an denen die künftigen Generationen sich fortzubilden
0270hatten. Die Gründung der „Händel- und Haydn-Gesellschaft“
0271in Boston war ein Ereigniß von der größten und nach-
0272haltigsten Wichtigkeit für die Musik in Amerika. Die Gesell-
0273schaft beschränkte sich nicht aufs Musiciren. Sie publicirte
0274auch musikalische Werke, welche (wie die „Bridgewater Col-
0275lection“) bald von den ländlichen Vereinen angeschafft wurden
0276und lange Zeit deren musikalisches Stammkapital ausmachten.
0277Diese Musikwerke haben nicht blos ein dringendes Bedürfniß
0278befriedigt, sie bildeten auch eine gute Subsistenzquelle für die
0279Gesellschaft, welche seit 1820 ihre Auslagen größtentheils
0280aus dem Ertrage jener Publicationen bestritten hat. Ihre
0281Psalmenbücher allein sollen über zwanzigtausend Dollars
0282getragen haben. Die Gesellschaft wuchs zusehends und war
0283um das Jahr 1825 das anerkannt beste derartige Institut
0284in Amerika. Ihre erste wichtige Entfaltung also hat die
0285amerikanische Musikpflege in Boston gefunden. Schließlich
0286aber wurde Newyork, wie im Handel und Wandel, so
0287auch in der Musik die eigentliche Hauptstadt Amerikas.

Fußnoten
  • *)Music in America“, by Dr. Fr. L. Ritter. New edition,
    with additions. (Newyork, Charles Scribners sons, 1890.)