Neue Freie Presse
Morgenblatt
No. 1322. Wien, Dienstag den 5. Mai 1868
[1]Hofoperntheater.
(„Die Stumme von Portici“. „Tell“. „Robert der Teufel“. „Gräfin Egmont“.)
0003Ed. H. Das Gastspiel der Herren Sontheim und
0004Müller hat nacheinander „Die Stumme von Portici“, „Tell“
0005und „Robert“ vorgeführt und die unverwüstete Kraft dieser
0006durch vier Decennien unzähligemale wiederholten Opern neuer-
0007dings in helles Licht gerückt. Das Jahrzehnt 1828—1838
0008war für die Pariser Oper eine Periode von glänzender Frucht-
0009barkeit, es brachte „Die Stumme von Portici“, „Tell“,
0010„Zampa“, „Robert“, „Die Ballnacht“, „Die Jüdin“, „Guido
0011und Ginevra“, „Die Hugenotten“, „Graf Ory“, „Zweikampf“,
0012„Die Braut“, „Fra Diavolo“, den „schwarzen Domino“,
0013„Postillon von Lonjumeau“ u. s. w. — Opern, die alle noch
0014leben und wirken. Am merkwürdigsten ist jedoch die unmittel-
0015bare Aufeinanderfolge jener drei großen Opern, welche eine
0016Revolution in der modernen Oper hervorbrachten: Auber’s
0017„Stumme von Portici“ (1828), Rossini’s „Tell“ (1829)
0018und Meyerbeer’s „Robert“ (1831). Ein Franzose, ein
0019Italiener, ein Deutscher sind die Componisten; die Werke
0020selbst, auf französischen Text, für französische Sänger und
0021Hörer componirt, in französischem Geiste gedacht und ausge-
0022führt, sind dem Wesen nach französische Opern, und die
0023Büsten der drei Tondichter schmücken mit vollem Rechte das
0024Foyer des Pariser Opernhauses. Die französische Nation war
0025aus sich selbst heraus niemals sehr productiv in der Musik;
0026man weiß, was ihre Oper von Lully bis auf Verdi den
0027Italienern, von Gluck bis auf Meyerbeer den Deutschen ver-
0028dankt. Besitzt aber das musikalische Erdreich Frankreichs auch
0029nur geringe Fruchtbarkeit, so ist doch Paris ein wunderbares
0030Treibhaus, dessen Wärme fremde Keime zu rascher, blühender
0031Lebenskraft entfaltet. Mit solchen Blumen schmückte Paris
0032jederzeit gerne seine heimischen Tempel. Aber darauf können
0033die Franzosen sich doch etwas zugute thun, daß die erste jener
0034drei, meist gleichzeitig citirten, epochemachenden Opern das Werk
0035eines Franzosen ist. Gewiß lag damals in der Luft eine selt-
0036sam revolutionäre Gewitterschwüle, welche das fast gleichzeitige
0037Auftauchen so ungewöhnlicher, wahlverwandter Productionen mit er-
0038klärt; in der Deutung und Zurückdeutung der politischen Einflüsse
0039ist man aber seither zu weit gegangen. Als „die Stumme“ ent-
0040stand, welche zwei Jahre später in Frankreich und Belgien eine Art
0041Revolutions-Festoper und demokratisches Théâtre paré wurde,
0042da waren die politischen Gedanken der Herren Scribe und
0043Auber sicherlich friedlichster Art. „Die Stumme“ entstand als
0044rein künstlerische Production und wirkt heute noch als solche
0045mit echten Mitteln. Die jüngste, vortreffliche Aufführung der
0046„Stummen“ im Hofoperntheater fand uns in wahrhaft jugend-
0047licher Empfänglichkeit für die Schönheit dieser Musik und ließ
0048uns neuerdings die großen und kleinen Meisterzüge lebhaft
0049empfinden. Auber’s „Stumme“ hat, trotz ihres entschieden
0050französischen Charakters, doch viel mehr südliches Temperament,
0051mehr Gluth und Lebensfülle, als andere französische Opern. In den
0052Fischerliedern spiegelt sich das heitere Blau des neapolitanischen Him-
0053mels, und die Feuergarben des Vulcans sprühen aus den Rhythmen
0054der Tarantella. Dieses instinctive Treffen der fremden Localfarbe
0055erinnert unwillkürlich an die prachtvollen Landschaftsbilder in
0056Schiller’s „Wilhelm Tell“, dessen Schöpfer ebensowenig
0057jemals die Schweiz betreten hatte, wie Auber den Boden Ita-
0058liens. Mit Ausnahme weniger, etwas dürr und conventionell
0059klingender Stellen (sie treffen die Rolle Alonzo’s und einige
0060Ensembles) fließt die ganze Musik so frisch, lebendig und un-
0061gezwungen daher, daß wir Kinder einer musikalisch grübelnden
0062und raffinirten Zeit uns daran wahrhaft erquicken. Das Geist-
0063reiche darin erscheint nicht gezwungen, das Glänzende nicht
0064überladen. Ohne Tasten und Suchen steht Auber überall
0065gleich mitten in der Handlung und leitet mit sicherer Meister-
0066hand ohne Sprung und Umweg von einer Scene in die andere.
0067Man sehe die Einführung des Schlummerliedes, den darauf
0068folgenden Eintritt der Fischer, den rührenden Schluß des zwei-
0069ten Actes, der nach vollem Chor in eine kleine mimische Scene
0070ausklingt! Nur ein ungewöhnliches echtes Talent und die Hand
0071eines Meisters konnten dergleichen schaffen. Ebenso die köstliche
0072Balletmusik im ersten und dritten Act, welche zum erstenmal
0073in der Großen Oper alles conventionelle Balletpathos abthut
0074und das ganze Feld dem nationalen Charaktertanz einräumt.
0075Die schwache Seite von Auber’s Talent, oft geradezu dessen
0076Grenze, liegt in dem stetigen (nicht blos momentanen) Ausdruck
0077eines tiefen, den ganzen Menschen erfüllenden Gefühles — sie
0078bleibt glücklicherweise hier fast gänzlich außerhalb der Aufgabe.
0079Die einzige leidenschaftliche Liebe in der Oper ist stumm.
0080Welch rührende Beredtsamkeit Auber dieser Stummen durch
0081die Sprache des Orchesters leiht, ist für uns jedesmal der
0082Gegenstand neuer Bewunderung. Die Rolle Fenella’s besteht
0083musikalisch aus einer Anzahl kleiner Bildchen von so scharfen,
0084dabei leichten Umrissen und von so lebendiger Farbe, daß die
0085neueste Schule, der man so gern die Erfindung der instrumen-
0086talen Taubstummensprache zuschreiben möchte, daran nur lernen
0087kann.
0088Die Einführung einer stummen Hauptperson in die Oper
0089war ein großes Wagstück. Es glückte vollständig, aber es
0090glückte nur dies Einemal. Die dramatische Wirkung der Rolle
0091und ihre meisterhafte Darstellung durch die Tänzerin Noblet
0092erregte in Paris bald das Verlangen nach einem Seitenstücke
0093dazu für die gefeierte Taglioni. Auber kam diesem Wunsche
0094nach und schrieb mit Scribe 1830 „Der Gott und die Baja-
0095dere“, eine Oper, deren stumme Hauptrolle von der Ta-
0096glioni dargestellt wurde. Die Bajadere, welche nicht wie
0097Fenella blos als Schauspielerin, sondern auch als virtuose
0098Tänzerin in die Handlung eintritt, sollte damit ihre stumme
0099Vorgängerin überbieten, blieb aber weit dahinter zurück.
0100Während Fenella sich dem musikalischen Organismus be-
0101scheiden ein- und unterordnet, beherrscht die „Bajadere“ von
0102Anfang bis zu Ende das Ganze und ruinirte damit dieses
0103Ganze. Außer der stummen Hauptpartie war es die hervor-
0104ragende Verwendung der Chöre und ihr lebendiges Eingreifen
0105in die Handlung, was seinerzeit in der „Stummen“ über-
0106raschend neu erschien. Eine vorgeschrittene, moderne Regie
0107ging hier mit dem Dichter und Componisten Hand in Hand;
0108man liest, daß die Zuschauer anfangs fast erschrocken waren
0109über die Naturwahrheit in der Kleidung, Haltung und dem
0110Durcheinander dieser neapolitanischen Fischer und Lazaroni.
0111Die moderne, realistische Auffassung in Text und Musik muß
0112wol auch als der Kern jener frappanten, epochemachenden
0113Neuheit der „Stummen“ bezeichnet werden, deren Publicum
0114bis dahin an den akademischen Opernstyl und die großentheils
0115antiken Stoffe Cherubini’s, Sacchini’s und Spon-
0116tini’s gewöhnt war. Mancher Spontini’sche Zug hat
0117übrigens auf die Musik zur „Stummen von Portici“ einge-
0118wirkt, am merklichsten in dem Freiheitsduett zwischen Masaniello
0119und Pietro.
0120Ein Jahr, nachdem Auber seine Carrière in der ernsten
0121Oper so glänzend eröffnet hatte, schloß Rossini die seine mit
0122dem „Tell“. Schon als die Arbeit eines früher so leichtsin-
0123nigen, wenngleich stets genialen Schnellschreibers, der nun zu
0124guterletzt alle seine Kräfte für ein ernstes, höheres Ziel con-
0125centrirte und steigerte, ist „Tell“ eine denkwürdige That. Sie
0126bleibt es auch, abgesehen von jener Reflexion. Die beiden
0127ersten Acte gehören zu dem Schönsten, was die Opern-Literatur
0128überhaupt besitzt. Von Seite der Dichtung war Rossini
0129weit schwächer unterstützt, als Auber in der „Stummen“, [2]
0130deren Libretto einen großen Fortschritt bezeichnete. Es ist
0131für eine Oper noch immer vortheilhafter, eine stumme Heldin,
0132als gar keinen hervorragenden Frauen-Charakter zu haben, wie
0133dies bei „Wilhelm Tell“ der Fall. In der „Stummen“ läßt
0134die Spannung des Textbuchs wie der Musik allerdings im
0135vierten Acte nach, im „Tell“ stockt der Fortgang schon im
0136dritten, um im vierten gänzlich zu versiegen. Kann eine
0137Heldenpartie sich mächtiger einführen, als Rossini’s „Tell“
0138im ersten Acte, und kann sie unbedeutender ausgehen? Wenige
0139Opern haben auch in der Praxis so starke Kürzungen und Ab-
0140änderungen erfahren, wie diese. In Paris gab man jahrelang
0141nur die zwei ersten Acte, und zahlreiche Bühnen gibt es noch,
0142welche den ganzen vierten Act streichen und Geßler schon am
0143Schlusse des dritten mit der Blitzesschnelle einer Improvi-
0144sation erschießen lassen. Jouy’s Textbuch ist ein verfehltes
0145Gebäude, aber mancher breite Sonnenstrahl aus Schiller’s
0146Drama hat sich doch darein gefangen. Dieser Strahl deutscher
0147Kraft und deutschen Gemüthes spiegelt sich auch in den zwei
0148schönsten und großartigsten Partien der Musik: in den Chören
0149der Introduction und der Rütli-Scene. Es klingt etwas wie
0150ein Gruß von Mozart und Haydn heraus. Die Kunst,
0151mit welcher hier idyllische Elemente in großartigen Dimensionen
0152ausgebreitet und allmälig auf gewaltigem Fittig zu dramatischen
0153Gipfeln emporgetragen werden, ist bewunderungswürdig und
0154für alle Zeiten ihrer Wirkung gewiß.
0155Unverwüstlich frisch wie „Tell“ und „Die Stumme“, er-
0156hält sich trotz maßloser Theater-Abnützung auch „Robert der
0157Teufel“. Dennoch möchten wir an ihm, dem jüngsten Gliede
0158jener epochemachenden Trias, noch am ehesten Anzeichen von
0159Ueberlebtheit wahrnehmen. Nicht sowol ob einzelner trivialer
0160Melodien, als ob der Unwahrheit und Verschrobenheit des
0161Ganzen. Während im „Tell“ und der „Stummen“ mann-
0162hafte Charaktere in echt menschlichen Zuständen und Empfin-
0163dungen sich bewegen und unsere Theilnahme fesseln, ist die
0164Handlung des „Robert“ ein wahres Fratzenspiel. Durch reiche
0165Mannichfalt und Abwechslung, durch die Einmischung des
0166Sagenhaften und Wunderbaren, durch einen geschickten Bau
0167endlich erweist sich das Buch zu „Robert der Teufel“ außer-
0168ordentlich günstig für den Componisten. Es ist uns unmög-
0169lich, über diese Vorzüge die prätentiöse Albernheit des drama-
0170tischen Inhaltes zu vergessen. Dieser fußt auf lauter falschen
0171Contrasten. Der ärgste darunter ist Bertram, welcher als
0172Teufel seinen Sohn zu verführen und zu verderben trachtet,
0173zugleich aber als zärtlicher Vater denselben über Alles liebt.
0174Diese Figur hat es vollkommen verdient, als Cabinetsstück ver-
0175zerrter Romantik in der „Aesthetik des Häßlichen“ zu para-
0176diren. Der Darsteller wird durch diesen falschen Contrast un-
0177willkürlich zu dem Fehler verleitet, uns statt des Teufels einen
0178sogenannten guten Menschen und statt eines guten Menschen
0179einen dummen Teufel zu geben. Meyerbeer’sOper
0180theilt nicht das Mißgeschick des „Tell“ und der „Stummen“,
0181im letzten Acte zu erlahmen; Dichter und Componist haben für
0182den Schluß wahre Capital-Effecte verspart. Die Handlung wird
0183nicht stockend, aber schlimmer als dies: sie wird lächerlich. Die
0184Situation in dem Schlußterzett ist trotz der effectvollen Musik
0185von ärgerlicher Komik. Robert, welcher weder gut noch böse,
0186weder Mann noch Weib ist, sondern ein leeres Garnichts,
0187schwankt nicht blos geistig, wie Vasco de Gama, zwischen sei-
0188ner schwarzen und seiner weißen Geliebten, er läßt sich von ihnen
0189handgreiflich bald nach rechts, bald nach links zerren. Er hat
0190bis zum letzten Momente nicht die leiseste Idee, ob Bertram,
0191ob Alice in diesem Seelenraufhandel den Kürzeren ziehen und
0192ihn loslassen werden. Die bedeutsame Idee des Kampfes
0193zwischen Gutem und Bösem, zwischen Sittlichkeit und Sinn-
0194lichkeit im menschlichen Gemüthe ist trivialer kaum dar-
0195gestellt worden. Die naive Vorstellung der Sage kann
0196man nicht ungestraft mit den raffinirtesten Opernmitteln auf
0197der Bühne versinnlichen. Das populäre, packende Element, das
0198in dem Libretto steckt, wollen wir damit nicht leugnen oder
0199unterschätzen. Es ist unter Anderem durch die literarische
0200Curiosität bestätigt, daß auf die ersten Pariser Berichte hin
0201drei deutsche Theaterdichter (Holtei, Raupach und die
0202Birch-Pfeiffer) sich sofort desselben Stoffes bemächtigten.
0203In der Musik des „Robert“ steckt kaum weniger Genie, als im
0204„Tell“ und der „Stummen“. Aber Meyerbeer war, im Gegensatz
0205zu Rossini und Auber, zeitlebens ein ängstliches Genie, und das
0206unterscheidet seine Musik nachtheilig von der der beiden Anderen.
0207Während im „Tell“ und der „Stummen“ Alles mühelos und
0208natürlich hinfließt, hört man aus „Robert“ das Berechnende,
0209Experimentirende heraus, das, ändernd und nachkünstelnd, immer
0210den natürlichen ersten Einfall überbieten möchte. „Tell“ und
0211die „Stumme“ entstanden aus Einem Guß, sie waren von
0212Haus aus so gedacht, wie sie aufgeführt wurden. „Robert der
0213Teufel“ hingegen war ursprünglich für die komische Oper ge-
0214schrieben (offenbar unter dem Einflusse des „Freischütz“), mit
0215gesprochenem Dialog und nachdrücklicher Verwerthung der komi-
0216schen und populären Elemente. Raimbeaut agirte im vierten
0217und fünften Acte, aus denen er nun herausgeworfen ist, als
0218wesentlicher Vermittler des dramatischen Zusammenhanges; das
0219gespenstische Nonnenballet war ursprünglich ein Schäferfest mit
0220Nymphen und Amoretten. Die Unzulänglichkeit der Gesangs-
0221kräfte an der Opéra Comique bestimmte Meyerbeer, den „Ro-
0222bert“ für die Große Oper umzuarbeiten. Diese zwiespältige
0223Herkunft macht sich in vielen Partien als Styllosigkeit bemerk-
0224bar, wenn sie gleich durch die knappen Liedformen der Frische
0225und Popularität des Ganzen zu statten kam. An blendenden
0226Effecten übertrifft das Werk die beiden früher genannten
0227Opern, aber im kleinen Finger des „Tell“ oder der „Stum-
0228men“ steckt mehr künstlerische Wahrheit, mehr idealer Gehalt,
0229als im ganzen „Robert“.
0230Ueber die jüngsten Aufführungen haben wir im Wesent-
0231lichen berichtet. Wir können nur wiederholen, daß Herr Sont-
0232heim als Masaniello einen wohlverdienten Triumph gefeiert
0233und eine markige, lebensvolle Gestalt geschaffen hat, wie sie
0234unter den heutigen Tenoristen immer seltener vorkommt. Das
0235Gastspiel Sontheim’s war ein glänzendes Intermezzo auf dem
0236Hofoperntheater, und das Publicum ist der Direction für die
0237unerwartete Verlängerung dieses Gastspieles ebensosehr ver-
0238pflichtet, wie für den Abschluß eines neuen, längeren Besuches
0239Sontheim’s in der nächsten Saison. Ein besonderes Lob ver-
0240dient Fräulein Bosé als Fenella. In Städten, wo Schau-
0241spiel und Oper in demselben Theater vereinigt sind, wird die
0242Fenella meistens und mit Grund einer Schauspielerin zuge-
0243theilt. Eine Tänzerin wird sich niemals von der stehenden
0244Zeichensprache und der heftigen Mimik ganz losmachen können,
0245welche dem Ballet so eigenthümlich und in der Oper, in
0246fremder Umgebung, so unangemessen ist. Um so erfreulicher
0247war es, zu beobachten, wie Fräulein Bosé diese Ballet-Technik
0248auf ein Minimum zu reduciren und ohne Sprache einen
0249Charakter zu gestalten wußte. Sie entwickelte in Mimik und
0250Geberde eine so treffende Wahrheit des Ausdruckes, daß sie
0251das Wort in keinem Satze (wenn man die kleinen melodra-
0252matischen Abschnitte so nennen darf) vermissen ließ. Wir
0253haben Fräulein Bosé außerdem als Gräfin Egmont in dem
0254gleichnamigen Ballet von Rota gesehen. Ihre Technik er-
0255schien uns virtuos, namentlich in der ausdauernden Kraft der
0256Fußspitzen und dem flugartigen Umkreisen der Bühne. Sie
0257dürfte in manchen Aufgaben der Bravour die Couqui über-
0258treffen, deren ungemeine natürliche Anmuth sie hingegen nicht
0259in gleichem Maße besitzt. Diese angeborne Grazie der Bewe-
0260gung ist ja in der Regel ein beneidenswerthes Wiegengeschenk
0261der romanischen Völker. Man wird es unserem früheren Ge-
0262dankengang zugute halten, wenn uns die Sächsin Bosé
0263neben der Italienerin Couqui ungefähr vorkommt wie
0264Meyerbeer neben Rossini.