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Die Presse. No. 88. Wien, Dienstag 17. April 1855. 8. Jahrgang.


Tagesneuigkeiten

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Dr. Eduard Hanslick’s Schrift „Vom Musikalisch-Schönen“ macht im
Ausland Aufsehen. Die competenten literarischen und musikalischen Organe sind
darüber einig, daß sie es hier mit einem in der Musikwissenschaft epochemachenden
Werke zu thun haben. Julian Schmidt (wol der gefürchtetste Kritiker Deutsch-
lands) empfiehlt „diese geistvolle und selbstständige Untersuchung“ um so wärmer,
als „in jüngster Zeit von Wien aus in Büchern und Zeitschriften gar so viel Un-
nützes über Musik in die Welt hinaus geredet werde.“ Die Blätter für literarische
Unterhaltung (redigirt von Hermann Marggraf) schließen eine ausführliche Be-
sprechung des Hanslick’schen Buchs „mit dem lebhaften Wunsch: dasselbe möchte von
vielen Musikern und Kunstfreunden recht aufmerksam gelesen werden, damit doch
endlich einmal die vage Begriffslosigkeit und das Umhertappen im Nebel bei der
Beurtheilung musikalischer Kunstwerke aufhöre.“ Vom Verfasser scheiden sie „mit
der dankbarsten Anerkennung und Hochachtung für das was er ausgesprochen und
für die Art, wie er es ausgesprochen hat und hoffen u. s. w.“ In noch eingehen-
derer Weise bemächtigen sich die verschiedenen deutschen Musikzeitungen des Buches,
welches die meisten nicht in der üblichen Recensionenform, sondern in einer Reihe
von Leitartikeln besprechen. Die wenigen Zeilen über Richard Wagner in Hanslick’s
Schrift haben sogar eine Polemik zwischen der Leipziger und der rheinischen Musik-
zeitung hervorgerufen. Die beiden Wiener Musikzeitungen dürften die einzigen
sein, welche das Buch gar nicht besprochen, ja nicht einmal angezeigt haben.