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Musik-Literatur.


Dr. Eduard Hanslick, Vom Musikalisch-Schönen. Ein
Beitrag zur Revision der Ästhetik der Tonkunst. Leipzig,
bei R. Weigel. 1854.


Diese Schrift, obwohl nur eine Broschüre von 100 und
einigen Seiten, enthält einen so reichen Inhalt anregender,
gesunder und oft tiefer Lichtblicke in das Reich der Töne,
dass wir auf die Lectüre derselben mit Nachdruck aufmerk-
sam zu machen uns veranlasst fühlen. Der Verfasser, als
musikalischer Schriftsteller namentlich in Zeitschriften rühm-
lichst bekannt, besitzt sowohl musikalische wie wissenschaft-
liche Bildung, die ihn befähigt, in den Gegenstand tief ein-
zudringen. Dennoch will er hier nur anregen. Man könnte
seine Schrift eine Einleitung zur Ästhetik der Musik nennen;
sie will die Grundsätze hinstellen, aus denen eine Revision
der bisherigen Ästhetik der Tonkunst hervorgehen soll. Im
Princip ist die Schrift gegen die „verrottete Gefühlsästhetik“
gerichtet und hat daher theils einen polemisch-negativen,
theils einen fundamental-positiven Charakter. Die sieben
kleinen Kapitel weisen den unwissenschaftlichen Standpunkt
der bisherigen musikalischen Ästhetik nach, indem besonders
darauf Acht gegeben wird, dass die Gefühle nicht Zweck,
ebensowenig Inhalt der Musik seien, dass vielmehr das
Musikalisch-Schöne, d. h. tönend bewegte Formen einzig
und allein Inhalt und Gegenstand der Musik bilden. Auf
dieser Ansicht, die ebenso wissenschaftlich als geistreich
durchgeführt wird, beruhen die weitern Constructionen des
Verfassers. Wie wenig das Gefühl als solches den Anspruch
auf das Princip der Musik-Asthetik zu machen habe, indem
dadurch ein bedeutendes, ja vielleicht das gehaltvollste Ge-
biet der Musik der Ästhetik entzogen wird, sucht die Schrift
mit schlagenden Gründen darzuthun und mit höchst interes-
santen Nachrichten aus musikalischen Compositionen und
Schriften bedeutender Schriftsteller darzulegen. Darnach ist
das dritte Kapitel der Schrift nicht bloss von grosser Be-
deutung für die Sache selbst, sondern auch wichtig durch
die Art der Behandlung, welche in der That durch schla-
gende Beweisführung in geistvollem Ausdruck einen reichen
Inhalt darbietet. Ebenso lesen wir in dem sechsten Ab-
schnitt von den Beziehungen der Tonkunst zur Natur und
im siebenten von den Begriffen Form und Inhalt sehr viel
Anziehendes. Das letzte Kapitel ist ebenfalls wichtig für
die Beurtheilung des Standpunktes. So viel im Allgemeinen.
Eine nähere Beleuchtung ist hier um so weniger nothwen-
dig, als die Schrift durchaus selbst gelesen sein will. Ihr
geringer Umfang wird dazu einen Jeden, der sich für den
Gegenstand interessirt, auffordern. Wir selbst aber sind
mit dem, was der Verfasser darbietet, ganz einverstanden.
Gegner werden natürlich sich eines Weitern auszulassen ha-
ben, und an solchen wird es hie und da nicht fehlen.