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Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 1870. Wien, Donnerstag, den 11. November 1869

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Concerte.

(Erstes Abonnements-Concert im neuen Opernhause. — Herr Stiehl. — Fräulein Magnus.)


0004Ed. H. Mit großem Erfolge hat das neue Opernhaus
0005nunmehr als Concertsaal debutirt. Am Abend des Aller-
0006seelentages fand daselbst das erste der vier Abonnements-
0007Concerte statt, welche unter Herrn Herbeck’s Leitung in die-
0008sen prächtigen Räumen stattfinden sollen. Es war Alles ge-
0009schehen, um die neue Unternehmung glänzend in Scene zu
0010setzen. Die Instrumentalisten hatten nicht blos statt des
0011Orchesters die Bühne occupirt, letztere selbst war (nach dem
0012bekannten Dresdener Muster) in einer für die Schall-
0013Concentration sehr günstigen Weise hergerichtet. Der Zu-
0014schauer hat einen mäßig hohen, durch Lustre und Giran-
0015dolen hell erleuchteten, von Brioschi geschmackvoll gemalten
0016Saal vor sich, der nach drei Seiten vollständig geschlossen
0017und mit einem kuppelartigen Plafond gedeckt ist. Steht man
0018auf der Bühne selbst, hinter dem geschlossenen Saal, so
0019erscheint dieser auffallend klein, fast wie eine Nischencapelle
0020in einem Dom. Der unbenützte Mittel- und Hintergrund der
0021Bühne streckt sich dahinter scheinbar unermeßlich aus, auch ist
0022letztere natürlich nicht in ihrer ganzen Höhe benützt. Chor
0023und Orchester würden in diesem Salon nicht Platz finden,
0024wäre nicht dessen Podium gegen die Zuschauer hin durch
0025Ueberbrückung des halben Orchester-Raumes verlängert, so
0026daß die Primgeiger unter den Prosceniums-Logen sich befin-
0027den. Der durch die geschlossene Decoration trefflich zusam-
0028mengehaltene und zurückgeworfene Ton ist somit auch an sei-
0029nen Entstehungspunkten dem Hörer räumlich näher gebracht —
0030ein großer Vortheil gegen die z. B. im Burgtheater an
0031Concert-Abenden befolgte Methode, die ganze Tiefe der
0032Bühne mit Spielern anzufüllen. Auch die zweckmäßige Auf-
0033stellung der Pulte förderte die akustische Wirkung; das ganze 
0034Streichquartett, mit den in drei Gruppen getheilten Contra-
0035bässen, bleibt im Vordertreffen beisammen; dahinter erheben
0036sich auf erhöhtem Podium die Holzbläser, hinter welchen das
0037Blech und die Schlag-Instrumente den Plan abschließen. Der
0038Ton der Geigen und Violoncelle erschien uns besonders rund
0039und markig, die Klangfarben der verschiedenen Instrumente
0040durchaus distinct. Im Piano und bei ruhiger Bewegung er-
0041wies sich die Akustik am günstigsten, bei großer Kraftentwick-
0042lung und schneller Figuration verlor sie etwas an Deutlich-
0043keit. Die Orchesterwirkung der „Philharmonie-Concerte“ im
0044Kärntnerthor-Theater scheint uns feiner, zarter in den
0045Contouren, mehr wie eine scharfe Federzeichnung neben
0046den starken, saftigeren Farben im neuen Opern-
0047hause. Dazu trägt hier allerdings die viel zahl-
0048reichere Besetzung bei, welche das vollständige Per-
0049sonal des Opern-Orchesters noch durch fremde Künstler ver-
0050stärkt und der großen Zahl von Streichinstrumenten (24 Prim-
0051Violinen, 17 Second-Violinen, 14 Bratschen, 14 Celli, 12
0052Bässe) eine verdoppelte Harmonie (4 Flöten, 4 Clarinetten etc.)
0053zur Unterlage gibt. Solche Tonfülle thut natürlich ihre Schul-
0054digkeit; ob man das Ohr nicht allzusehr verwöhne, indem man
0055ihm Beethoven’sche Ouvertüren und Mendelssohn’sche Sym-
0056phonien nur mehr mit solchen Instrumentalmassen bietet, ist
0057eine andere Frage. Außer dieser starken Instrumentalmacht
0058verfügen die neuen Abonnements-Concerte über den vollständi-
0059gen Theater-Chor und alle ersten Mitglieder der Oper. Diese
0060Elemente vereinigten sich unter der energischen Direction des
0061Hofcapellmeisters Herbeck zu schönster Wirkung. Die zweite
0062Leonoren-Ouvertüre von Beethoven und Mendelssohn’s A-moll-
0063Symphonie wurden ebenso feurig als zart nuancirt vorgetra-
0064gen. Noch lebhafteren Anklang fanden Haydn’s Variationen
0065über die österreichische Volkshymne, deren Schlußsatz wieder-
0066holt werden mußte. Einen einfachen Quartettsatz von allen
0067Geigen eines großen Orchesters ausführen zu lassen, ist ein
0068(in Paris aufgekommenes) Kunststück, das in so vortrefflicher 
0069Ausführung wie die vom 2. November seine Wirkung nicht
0070verfehlt, welchem wir aber eben wegen seines Virtuosen-
0071Standpunktes nicht allzu viele Nachfolger wünschen! Eher noch
0072wäre das gleiche Experiment mit Beethoven’s Septuor zu
0073befürworten, das in solch zehn- bis zwanzigfacher Vergrößerung in
0074den deutschen Concertstädten den größten Effect hervorbrachte.
0075Stücke wie die Haydn’schen Variationen können wir, so all-
0076bekannt sie sind, niemals ohne Bewunderung hören. Was für
0077ein Meister ist Haydn in der Modulation, in der Stimm-
0078führung, in allen Schachzügen der musikalischen Verwandlungs-
0079kunst! Welch bewunderungswürdige contrapunktische Kunst webt
0080fast unmerklich unter der klaren Oberfläche seiner anmuthig
0081hinfließenden Melodien! — Frau Dustmann erntete wohl-
0082verdienten Beifall mit dem schwungvollen Vortrag zweier
0083Schubert’scher Lieder. Trotzdem stimmen wir nicht für die Ein-
0084führung von Liedern in diese großen Orchester-Concerte. Die
0085Legion kleiner, orchesterloser Akademien in Wien bietet Raum
0086genug für das einfache Lied mit Clavierbegleitung. Wo ein ganzes
0087Orchester, ein gemischter Chor und treffliche dramatische
0088Sänger in Reih’ und Glied vor uns stehen, da möchten wir
0089die schönsten Nummern aus classischen Opern und Oratorien
0090ausgeführt hören, welche seit Decennien vom Repertoire ver-
0091schwunden und vorläufig nur im Concertsaal wieder zu ge-
0092winnen sind. Die von Herbeck für gemischten Chor gesetzte
0093Litanei“ von Schubert bildet bekanntlich eine Glanznummer
0094unseres Singvereins, welcher ungleich frischere Stimmen und
0095eine feinere Nuancirung besitzt, als der Theater-Chor. Letzterer
0096konnte es mit dem Vortrag der „Litanei“ dem Singverein
0097unmöglich gleichthun, so sehr das künstlerische Bestreben dieses
0098vielgeplagten Körpers sonst anzuerkennen ist.


0099Von besonderem Interesse war die Aufführung des zweiten
0100Finale aus Mozart’sDon Juan“ — eines Musikstückes, das
0101den wenigsten Zuhörern aus eigener Anschauung bekannt, ja
0102dessen Existenz wol Manchem bislang ein Geheimniß war. In
0103Mozart’s Original-Partitur erscheinen nämlich nach Don [2]
0104Juan’s Höllenfahrt, womit bei uns die Oper schließt, Donna
0105Anna mit Ottavio, Elvira, Zerline und Masetto auf der
0106Scene und suchen Don Juan, dessen schauerliches Ende ihnen
0107Leporello erzählt. Hierauf verkündigen Donna Anna und
0108Ottavio in einem zärtlichen Duettsatz ihre baldige Vermälung
0109und stimmen mit den Uebrigen in die erbauliche Schluß-
0110moral: „Lasterglück flieht schnell wie Rauch, — Wie man
0111lebet, stirbt man auch.“ Mozart selbst hat für die Wiener
0112Aufführung den größten Theil dieses Finales gestrichen, eine
0113Kürzung, welche sogar Otto Jahn „eine wirkliche Ver-
0114besserung“ nennt. Wir wollen nicht mozartischer als Mozart 
0115oder Jahn sein und verzichten gerne bei der Aufführung von
0116Don Juan“ auf dieses zweite Finale, das nach der groß-
0117artigsten Scene der Oper sehr conventionell klingt und mu-
0118sikalisch wie dramatisch den Eindruck des Vorhergegangenen
0119abschwächt. In Berlin hatte man bei Jenny Lind’s Gast-
0120spiel dieses bis dahin unterdrückte Finale vollständig restituirt,
0121sah sich jedoch bald genöthigt, zu dem früheren Bühnengebrauch
0122zurückzukehren, weil das Publicum (wie Gumprecht erzählt),
0123einem richtigen Gefühl folgend, nach dem Untergang Don
0124Juan’s das Haus verließ und so aus eigener Machtvoll-
0125kommenheit das Ende der Oper an den durch die ästhetische
0126Nothwendigkeit geforderten Punkt verlegte. In Prag habe ich
0127selbst vor Jahren dem gleichen (vom Conservatorium veran-
0128stalteten) Experimente beigewohnt und, übereinstimmend mit
0129dem Auditorium, den geradezu abkühlenden Eindruck dieses
0130Originalschlusses erfahren. Es gibt noch eine zweite große
0131Nummer im „Don Juan“, welche allenthalben im Wider-
0132spruche mit Mozart’s Original-Partitur aufgeführt wird und
0133um deren philologisch getreue Herstellung sich Herr Alfred
0134v. Wolzogen gleichfalls vergebens bemühen wird.*) Es ist das 
0152Finale des ersten Actes, dessen Schlußsatz in Mozart’s Par-
0153titur blos für die Solosänger, ohne Chor, geschrieben steht.
0154Nachdem Zerline gerettet ist, Elvira, Anna und Ottavio sich
0155demaskirt haben, soll der ganze Chor die Bühne verlassen.
0156Wollte man nach dem Wunsche Jahn’s und Wolzogen’s die
0157authentische Lesart einführen und den Chor streichen, so würde
0158man eine der mächtigsten Wirkungen dieses Actschlusses opfern.
0159Abgesehen von der größeren dramatischen Wahrscheinlichkeit,
0160daß die Landleute nicht in dem spannendsten Momente den
0161Saal verlassen, vielmehr Zerlinen und Masetto gegen Don
0162Juan beistehen werden, ist die Gewalt des anstürmenden Chors:
0163„Trema, trema, scelerato!“ musikalisch unersetzbar und
0164für denjenigen, der sie einmal erlebt hat, nicht mehr zu ent-
0165behren. Es ist eine merkwürdige Erscheinung, wie in der Büh-
0166nendarstellung dieser beiden Finale der allgemeine Instinct das
0167Wirksame und Richtige gegen den unanfechtbaren Buchstaben
0168des Originals getroffen und allenthalben, ohne irgend welche
0169Verabredung, wie durch ein Naturgesetz gezwungen, aufrecht-
0170erhalten hat. Auf den kleinsten und den größten Bühnen, in
0171ganz Deutschland, Frankreich, Italien, in London wie in Pe-
0172tersburg wird „Don Juan“ mit dem Chore im ersten und
0173ohne das Schlußsextett im zweiten Finale gegeben. Was seit
0174einem halben Jahrhundert mit solcher Uebereinstimmung in
0175der ganzen Welt festgehalten wird, hat gewiß eine richtige 
0176Empfindung für sich. Jetzt auch schon ein historisches Recht,
0177dessen Ignorirung uns fast ebenso unstatthaft scheint, als
0178wenn heutzutage ein Einzelner willkürlich an Mozart’s Parti-
0179tur ändern wollte.


0180Die von Herbeck dirigirten Abonnements-Concerte, welche
0181dem vielbeschäftigten Theater-Chor und -Orchester große An-
0182strengungen ohne jegliche Vergütung auferlegen, werden für
0183den „Privat-Pensionsfonds des Hofoperntheaters“ gegeben,
0184wahrscheinlich derselbe Fonds, der seit Jahren unter den
0185wechselnden Namen: „Unterstützungsfonds“, „Pensionsfonds
0186für das Personal“, „Pensionsfonds für das untergeord-
0187nete
Personal“ u. s. w. auf den Affichen des Hofopern-
0188theaters figurirt, ohne daß irgend ein Sterblicher Näheres
0189darüber wüßte. „Was ist’s mit dem mystischen Pensions-
0190fonds?“ lautete eine stehende Interpellation der Zeitschrift
0191Recensionen“, deren wachsames Auge sich vor einigen Jah-
0192ren leider geschlossen hat. Wir erlauben uns, diese Inter-
0193pellation wieder aufzunehmen, da nicht blos das Publicum,
0194sondern selbst Mitglieder der Oper und des Orchesters sich in
0195vollständiger Unkenntniß darüber befinden, von wem und nach
0196welchen Statuten dieser Fonds verwaltet werde, für wenn er
0197bestimmt sei und was er thatsächlich leiste.


0198Das Concert des Componisten Heinrich Stiehl war
0199Sonntag Mittags von einem nicht allzu zahlreichen, aber
0200freundlich theilnehmenden Publicum besucht. Lübecker von Ge-
0201burt, ist Herr Stiehl seit nahezu zwanzig Jahren in Rußland 
0202ansässig und hat sich daselbst um die deutsche Musik unbe-
0203strittene Verdienste gesammelt, indem er selbst mit persönlichen
0204Opfern in einer Reihe von großen Concerten die Symphonien
0205und Oratorien unserer Classiker würdig vorführte. Auf seine
0206eigene Muse scheint dieser lange russische Aufenthalt etwas
0207retardirend gewirkt zu haben. Stiehl verließ Deutschland zur
0208Zeit des höchsten Mendelssohn-Cultus, und mit diesem seiner
0209Natur sehr verwandten Vorbilde blieb er so fest verwachsen,
0210daß seine eigenen Compositionen sämmtlich ein auffallend Mendels[3]-
0211sohn’sches Gepräge tragen. Was uns Herr Stiehl Sonntag zu
0212hören gab (ein Trio, ein Clavierquartett, einige kleinere Cha-
0213rakterstücke), erinnert in der ganzen constructiven Anlage, noch
0214mehr in den melodischen und harmonischen Details, direct an
0215Mendelssohn. Gewiß zum Vortheile des übersichtlichen Baues
0216und der zierlichen Glätte, zum Nachtheile jedoch der künst-
0217lerischen Eigenthümlichkeit. Stiehl ist ein musikalischer „An-
0218empfinder“, dem es nicht an Schulung und Geschmack fehlt,
0219wol aber an einer ausgesprochenen Individualität. Seine Ton-
0220dichtungen bewegen sich fast durchwegs auf demselben Niveau
0221einer mäßig bewegten Sentimentalität, welche vor dem
0222Starken, Tiefen und Aufregenden scheu zurückweicht.
0223Reich an formellen Vorzügen, ermangeln sie des eigen-
0224artigen Inhaltes und genialen Schwunges. Am besten gefiel
0225uns das Phantasiestück op. 58 und das Scherzo aus dem
0226Clavierquartett op. 40, das neben Mendelssohn’schen doch
0227auch einige Schumann’sche Einflüsse verräth. Den beiden von
0228Herrn Adams sehr wirksam vorgetragenen Liedern fehlt es
0229an überzeugender Kraft der Empfindung, wie an Originalität
0230der Melodie. Das Auditorium folgte Stiehl’s Compositio-
0231nen mit jener achtungsvollen, mitunter auch befriedigten Theil-
0232nahme, welche wir Tonstücken von durchaus ernsthafter, edler
0233Richtung und formeller Abrundung jederzeit zollen. Einen
0234tieferen Eindruck zu hinterlassen, dürfte dem Wenigsten dar-
0235aus beschieden sein. Herr Stiehl (welcher von den Herren
0236Popper und Bachrich lobenswerth accompagnirt wurde)
0237spielte den Clavierpart selbst, ebenso correct als geschmackvoll,
0238mit weichem Anschlag und tüchtiger, nicht kokettirender Ge-
0239läufigkeit. Der ehrende Beifall galt ebensosehr dem Pianisten
0240wie dem Tondichter.


0241Fräulein Helene Magnus, welche demnächst eine län-
0242gere Kunstreise antritt, verabschiedete sich von dem ihr so ge-
0243neigten Wiener Publicum in einem Abendconcert. Abermals
0244bewährte Fräulein Magnus ihre oft gerühmten Vorzüge einer
0245fein empfundenen geistigen Auffassung und poetischen Wieder-
0246gabe zarter Lieder. Ihre bescheidenen Stimmmittel er-
0247schienen uns an diesem Abend leider in besonders un-
0248günstiger Beleuchtung; an mehr als Einer entscheidenden
0249Stelle vermißten wir Kraft und Wohllaut der Stimme.
0250Entschiedenes Glück machten zwei (bei Gotthardt in Wien 
0251erschienene) Lieder von Goldmark: „Herzeleid“ und „Er
0252sagt mir so viel“, letzteres namentlich überaus wahr in der
0253Stimmung und prägnant in der Declamation. Zwei (von
0254Fräulein Magnus und Fräulein Girzig vorgetragene)
0255Duette von Rubinstein: „Wanderers Nachtlied“ und
0256Sang das Vöglein“, gehören zu den glücklichsten Eingebun-
0257gen dieses Componisten. Weniger Effect machte die Instru-
0258mental-Partie des Concertes, obgleich sie zwei interessante No-
0259vitäten von Gade und Hiller enthielt. Gade’s D-moll-
0260Sonate für Clavier und Violine, ein Stück von preiswür-
0261diger Sauberkeit und Klarheit, behandelt in vier kurzgehal-
0262tenen Sätzen einen recht geringfügigen Inhalt. Gade, der so
0263vielversprechend, ja anscheinend reich begonnen hatte, scheint
0264mit seiner Erfindung ziemlich zu Ende und lebt haushälterisch
0265von seinen musikalischen Ersparnissen. Trotzdem konnte die
0266Sonate einen günstigeren Eindruck machen, hätte Herr Kran-
0267cevic
den Violinpart etwas weniger nachlässig und aus-
0268druckslos herabgespielt. Desto mehr Eifer und Bravour wen-
0269deten die Herren Epstein und Door auf ein Duo für zwei
0270Claviere von Hiller, welches übrigens diese Bemühungen
0271nur spärlich lohnte. Hiller bleibt hier wie überall der feine,
0272gewandte Mann, dem es an pikanten Redensarten nicht fehlt,
0273wenn er nichts Rechtes zu sagen weiß. Das ist in seinem
0274neuen Duo nur allzusehr der Fall; obendrein wird man den
0275Eindruck des Gesuchten und Gequälten gar nicht los. Dem
0276Schlußsatz ist übrigens ein brillanter, rascher Zug nicht ab-
0277zusprechen: das richtige musikalische Vélocipède, an welchem
0278leider die strampelnden Beine des im Schweiße seines Ver-
0279gnügens arbeitenden Reiters weithin sichtbar sind.

Fußnoten
  • *)A. v. Wolzogen, der die würdige Darstellung der Mozart’-
    schen Opern als wahrhafte Herzenssache betreibt und dem man rück-
    sichtlich ihrer Scenirung manchen trefflichen Wink verdankt, hat auch
    eine neue Uebersetzung des „Don Juan“ veröffentlicht und auf der
    Schweriner Hofbühne eingeführt. Abgesehen von kleineren Declama-
    tions-Correcturen Wolzogen’s, ist uns der alte Text mit seinen längst
    populär gewordenen Hauptstellen lieber. Wir finden keine Verbesserung
    darin, wenn Leporello anstatt: „Keine Ruh’ bei Tag und Nacht“ fortan
    singen soll: „Nichts als Plage spät und früh, Alles dulden wie ein
    Schaf, keinen Dank für saure Müh’!“ u. s. w. Auch Wendungen wie
    die folgenden scheinen uns weder sangbar noch geschmackvoll: „O
    Augenblick voll Grausen! Mein Herz im Sturmesbrausen wallet bis
    auf den Grund.“ — „Endlich verlieh mir der Abschau vor der uner-
    hörten Frechheit ungewöhnliche Stärke.“ — „Grabesruhe theurer Tod-
    ten stört ein Schmerzensübermaß.“ — „Ach, Herr! O mein Gezitter!
    Ich kann wahrhaftig nicht ... obschon, vieledler Ritter, aus Mar-
    mor Ihr bestehet!“ u. s. w.