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Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 3532. Wien, Freitag, den 26. Juni 1874

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Musikalisches aus Italien. I.


0002Ed. H. Wenn man in Rom von den lieblichen Garten-
0003anlagen des Monte Pincio nach der Richtung der spanischen
0004Treppe zur Stadt zurückkehrt, muß man an einem freund-
0005lichen, gartenbekränzten Hause vorüber, das die Villa Medici
0006heißt. Eigenthum Frankreichs, beherbergt die Villa jene wech-
0007selnde Colonie französischer junger Künstler, welche auf Ko-
0008sten ihrer Regierung hier die letzte Ausbildung erhalten —
0009nicht durch Lehrer der Akademie, sondern durch all die herr-
0010lichen Kunstschätze, welche Rom dem empfänglichen Auge ent-
0011gegenbringt. Dem Auge jedenfalls, ob auch dem musikali-
0012schen Ohr? Denn es sind nicht blos Maler und Bildhauer,
0013sondern auch Tondichter, welche als die Hoffnungsvollsten des
0014Pariser Conservatoriums den „Grand prix de Rome“ er-
0015halten, der sie zu zweijährigem Aufenthalt in Rom und zur
0016Residenz in der Villa Medici verpflichtet. Nicht wenige ge-
0017feierte Componisten haben in diesem gastlichen Asyl gelebt:
0018Herold, Halévy, Gounod, Ambroise Thomas, Berlioz. Die
0019Erinnerung an den Letztgenannten erwachte zuerst und mit
0020aller Stärke in mir. Es ist zwar sehr unschicklich für den
0021correcten Musiker, in Rom nicht zuerst an Palestrina zu
0022denken, sondern an ein verrufenes modernes Weltkind wie
0023Hektor Berlioz — indessen, es war nicht die einzige Ketzerei,
0024die ich gegen den Codex vorgeschriebener Empfindungen in
0025Italien beging. Leibhaftig glaubte ich den leidenschaftlichen
0026Mann an einem Fenster der Villa Medici zu sehen, wie er
0027das Löwenhaupt schüttelt und, ein zweiter Georg Herwegh,
0028„noch einen Fluch“ herbeischleppt gegen Rom. Und ist nicht
0029der musikalische Ruhm der Ewigen Stadt in Wahrheit „ein
0030längst versiegter Quell, der keines Kindes Mund mehr
0031letzt?“ Berlioz hatte überdies keine Sympathie für die Ita-
0032liener, ein sehr geringes Interesse für Gemälde, Kirchen,
0033Statuen und förmlichen Abscheu vor wälscher Musik. So ju-
0034belte er denn vor Freude, als der ihm väterlich geneigte Di-
0035rector der Akademie, Horace Vernet, gestattete, seine „zwei
0036jährige italienische Verbannung“ um sechs Monate abzukür-
0037zen und (im Sommer 1832) nach Frankreich zurückzukehren.
0038Ein junger Tondichter, dessen Religion sich in dem Namen
0039Beethoven zusammenfaßte und dessen Seele nach den tiefsten
0040Eindrücken der Instrumental-Musik lechzte, konnte allerdings
0041für seine musikalische Vollendung keinen ungeeigneteren Auf-
0042enthalt finden als Rom. Zur Zeit Händel’s und Hasse’s,
0043bis in Mozart’s Jugendjahre, war Italien das gelobte Land
0044der Musik, und dem fremden Musiker fast so unentbehrlich,
0045wie noch heute dem Maler und Bildhauer. Zu Berlioz’
0046Zeiten hatte jedoch der vorschriftsmäßige römische Aufenthalt
0047gar keinen Sinn mehr, und heutzutage müßte Jemand, der
0048etwas Einsicht und sehr viel Courage besitzt, der französi-
0049schen Regierung eigentlich den Vorschlag machen, ihre musi-
0050kalischen Stipendisten nach Deutschland zu schicken.


0051Wir sehr die römische Kirchenmusik und ihre vollkom-
0052menste Incarnation, die päpstliche Sängercapelle, herab-
0053gesunken, das haben uns schon Spohr, Mendelssohn, Ber-
0054lioz u. A. in ihren Briefen geschildert, seither ist der Sturz
0055noch tiefer gegangen. Die berühmten Aufführungen in der
0056Sixtinischen Capelle während der Charwoche haben aufge-
0057hört, seitdem der Papst mit Italien schmollt. Die Fremden,
0058welche auch diesmal zur Osterzeit massenhaft zuströmten,
0059fanden für ihre getäuschte Erwartung einen sehr kargen
0060Trost in den Ankündigungen: es werde das ehemals in der
0061Sixtinischen Capelle gesungene Miserere von Baj in der
0062Salla Dante concertmäßig, gegen 10 Lire Entrée, aufgeführt
0063werden. Die berühmten Compositionen Allegri’s und Pale-
0064strina’s würden verlockender gewirkt haben, obgleich alle
0065nur zu ihrem Nachtheil beweisen würden, daß sie, losgetrennt
0066von der Kirche und deren bedeutungsvollen Ceremonien,
0067nimmermehr jene hinreißende Gewalt ausüben, welche man
0068ihnen seit dreihundert Jahren nachrühmt. In der Peters-
0069kirche hörte ich die sogenannten Lamentationen am Grün-
0070donnerstag. Die lange, psalmodische Recitation aus dem
0071Propheten Jeremias wurde abwechselnd von einem Altisten
0072und einem Sopranisten gesungen, zwei recht klangvollen und
0073wohlgeschulten Castratenstimmen, mit etwas theatralisch ge-
0074färbtem, aber wirksam schattirtem Vortrag. Sobald aber
0075diese Soli aufhörten und der Chor a capella frei einfiel, 
0076war das Chaos fertig, so unsicher stolperten die Intona-
0077tion und das Tactmaß der päpstlichen Sänger. Von einer
0078andächtigen Stimmung in der Kirche war keine Spur.


0079Auch von der Oper in Rom erlebten wir wenig
0080Freude. Im Teatro Apollo, dem größten Opernhause Roms
0081(es hat über den Parterrelogen fünf Stockwerke), gab man
0082die neue lyrische Tragödie „I Goti“, von Stefano Go-
0083batti
, deren blutrünstige Handlung im Jahre 534 unter
0084der Herrschaft der Gothen in Ober-Italien spielt. Das Werk
0085erregte, zunächst von Bologna aus, in Italien eine gewisse
0086Sensation und ist noch immer Gegenstand heftiger Partei-
0087nahme für und wider. Interessant sind diese „Goti“ da-
0088durch, daß sie sich sehr revolutionär gegen die übliche
0089Schablone italienischer Musik verhalten und häufige Tann-
0090häuser-Anfälle haben. Vor zwanzig Jahren hätte man
0091allerdings solche Emancipation eines Italieners nicht für
0092möglich gehalten. Darin liegt jedenfalls das Anziehendste
0093dieser Oper, deren musikalische Erfindung mir größtentheils
0094gering und gequält erschien, auch in der beliebtesten, stets
0095repetirten Nummer, dem Männerterzett im dritten Act, einer
0096Nachahmung des nicht nachahmenswerthen Männerterzetts
0097aus Verdi’s „Ballo in maschera“. Ueber die Zukunft des
0098jungen Maestro Gobatti wage ich keine Prophezeiung; er ist
0099mit seinem Styl offenbar noch nicht im Reinen und kann
0100durch seinen großen ersten Erfolg ebenso leicht zu solider,
0101fruchtbarerer Thätigkeit gehoben, als vielleicht geblendet und
0102ruinirt werden. Das unvermeidliche Ballet (eine indische
0103Historie, „Djellah“) wurde nicht zwischen den einzelnen
0104Acten der Oper, sondern erst nach deren Beendigung gege-
0105ben; desgleichen sah ich im San Carlo-Theater die „Norma“
0106ununterbrochen ausspielen und hierauf erst das Ballet be-
0107ginnen. Diese vernünftige, aber gegen altes italienisches Her-
0108kommen verstoßende Reform ist jedoch keineswegs allgemein;
0109in demselben Apollo-Theater in Rom wird Mozart’s „Don
0110Giovanni“ durch ein großes Ballet entzweigeschnitten, des-
0111gleichen in der Scala zu Mailand der „Freischütz“. Man
0112sieht, daß nicht blos in den Styl der italienischen Oper
0113fremde Elemente mit fast destructiver Kraft eintreten, son-
0114dern selbst in deren Aeußerlichkeiten die heilig gehaltene Tra-
0115dition zu wanken und zu stürzen beginnt. 

[2]


0116Die Aufführung des „Don Juan“ im Apollo-Theater
0117wurde selbst von römischen Journalen (z. B. L’Italie) als
0118ein Scandal bezeichnet, als „Profanation eines classischen
0119Meisterwerkes“, für welche der Capellmeister verantwortlich
0120zu machen sei. Nicht Besseres verlautete von der Vor-
0121stellung des „Propheten“, die nur eine oder zwei Wieder-
0122holungen erlebte, indem der erste Tenorist durchfiel, ein
0123zweiter durchging, ein dritter nicht ankam, kurz die ganze
0124Misère dieser Opernverwaltung culminirte. In Italien be-
0125ziehen die Opern-Institute keine Staats- oder Hofsubvention,
0126sie sind Privat-Unternehmen, bestenfalls unterstützt durch einen
0127Zuschuß von der Stadt. Gibt es ein paar recht elende
0128Vorstellungen mit ausgezischten Sängern, so pflegt man
0129dem Impresario diesen Zuschuß zu entziehen, die Oper ge-
0130räth dann noch schlechter, die Subvention wird wieder be-
0131willigt; ein Beirath, gewählt aus den Vätern der Stadt
0132oder deren theaterlustigen Söhnen, Neffen, Vettern, mischt
0133sich in die Direction der Oper, diese wird dann natürlich
0134am allerschlechtesten, und so geht die Sache fort. Das Merk-
0135würdigste bleibt aber sicherlich das Factum, daß die Vor-
0136stellung von Meyerbeer’s „Prophet“ am 29. Mai 1874 
0137überhaupt in Rom die erste Aufführung dieser seit
0138zwanzig Jahren in beiden Welttheilen bekannten und be-
0139liebten Oper war. Von einer übertriebenen Ungeduld der
0140Römer nach den renommirtesten Erscheinungen fremder
0141Musik-Literatur kann man in diesem Falle gewiß nicht sprechen.


0142Unter den Sängern, die ich diesmal in Rom, Neapel,
0143Florenz hörte, war manche frische Stimme, aber keine erste
0144Kraft von vollendeter Technik oder glänzendem dramatischen
0145Talent. Klangvolle, jugendkräftige Stimmen bringt Italien 
0146noch immer in respectabler Anzahl hervor, das gehört zu
0147seinen Naturproducten und könnte nur in Folge nachhaltiger
0148Degeneration der Race abnehmen. Aber die Schulung dieser
0149Stimmen, die künstlerische Bildung der Sänger überhaupt
0150scheint in dem heutigen Italien arg vernachlässigt. Wenn
0151schon Felix Mendelssohn in seinen Reisebriefen (1831) sagt,
0152man müsse, um gute italienische Sänger zu hören, nach Paris 
0153oder London reisen, so gilt diese Wahrheit heute in noch viel
0154höherem Grade. Möglich daß nicht blos der jüngste Früh-
0155ling in Italien ausnahmsweise so kalt und abscheulich ge
0156rieth, sondern daß auch ein besonderer Unstern die Opern-
0157bühnen mit seinem Schein beglückte: was ich im März und
0158April zu hören bekam, machte dem ruhmbedeckten Vater-
0159lande der dramatischen Musik wenig Ehre. Mit welch unge-
0160duldiger Erwartung eilte ich in Neapel ins San Carlo-
0161Theater! Es gehört bekanntlich zu den allergrößten Opern-
0162häusern, also zu jenen, die für den Ruin der Gesangskunst
0163am frühesten gesorgt haben. Bei herabgelassenem Vorhang
0164gewährt es einen glänzenden Anblick; sobald der Vorhang
0165emporgeht, wird man entzaubert durch die Mittelmäßigkeit
0166der Decorationen und Costüme, der Sänger und des En-
0167sembles. Ueber die Eröffnung des San Carlo-Theaters (1817)
0168schrieb Stendhal seinerzeit: „Im ersten Moment glaubte
0169ich mich in den Palast eines orientalischen Kaisers versetzt.
0170Nichts kann frischer und zugleich majestätischer sein. Dieses
0171Theater, in dreihundert Tagen wiederhergestellt, ist ein Staats-
0172streich; es fesselt das Volk an seinen Fürsten mehr, als die Con-
0173stitution, die er Sicilien gab und die Neapel sich wünschte.
0174Ganz Neapel ist trunken vor Freude. Wegen des San Carlo-
0175Theaters vergöttert man den König Ferdinand.“ Victor
0176Emanuel wurde beiweitem weniger vergöttert in der Fest-
0177vorstellung, die ich in San Carlo sah. Sie fand zur Feier
0178des fünfundzwanzigjährigen Regierungs-Jubiläums des Königs
0179statt, bei splendider Beleuchtung des Zuschauerraumes, er-
0180höhten Preisen, sehr mäßig versammeltem und sehr kühl ge-
0181stimmtem Publicum. Nach dem ersten Act — man gab
0182Norma“ — verlangten einige Stimmen die Volkshymne,
0183welche nach längerer Berathung vom Orchester gespielt, von
0184den Zuschauern sitzend angehört und von Niemandem mit-
0185gesungen wurde. Die äußerst armselige Stadtbeleuchtung
0186am selben Abend befremdete uns Oesterreicher noch viel
0187mehr, die wir ja kurz vorher in Wien den gleichen Anlaß
0188(das fünfundzwanzigjährige Jubiläum Franz Joseph’s) so
0189glänzend und herzlich hatten feiern sehen. Fragt man nach
0190der Ursache dieser Unbeliebtheit der jetzigen Regierung in
0191Neapel, so erhält man in der Regel die stereotype Antwort,
0192es sei früher Alles viel wohlfeiler gewesen. Als Stern des
0193gegenwärtigen Opernpersonales von San Carlo gilt Fräu-
0194lein Gabriele Krauß aus Wien, welche gewaltig an Fülle
0195des Körpers, nicht aber der Stimme zugenommen hat und 
0196die Norma in Einem consequenten Tremolo vortrug. An
0197künstlerischer Routine überragte sie trotzdem die drei anderen
0198unbedeutenden Mitspieler. Das sehr stark besetzte Orchester
0199(zwölf Contrabasse) genügte in der „Norma“ vollständig,
0200soll aber für „Aïda“ und „Faust“ (welche neben „Lucia“
0201und „Norma“ das ganze Winter-Repertoire von San
0202Carlo bildeten) ganz unzureichend und von dem laut tacti-
0203renden Capellmeister kaum in Ordnung zu erhalten sein.
0204Der Chor ist für schwierigere Aufgaben gewiß unbrauchbar.
0205Die Priesterinnen der Norma sangen ihren leichten Part so
0206unbegreiflich falsch, daß man annehmen muß, sie seien durch
0207ein geheimes Gelübde in diesem Sinne gebunden. In der
0208ganzen Vorstellung vermißten wir eine künstlerisch leitende
0209Hand, einen musikalischen obersten Willen.


0210Sollte man es glauben, daß die erste Scene Adalgisa’s
0211und ihr Duett mit Sever im San Carlo-Theater regel-
0212mäßig wegbleibt, so daß Adalgisa erst im zweiten Act auf-
0213tritt? Die Hauptrolle spielte eigentlich die Militärmusik auf
0214der Bühne, welche vorne postirt und mit doppelten Schlag-
0215Instrumenten, zum Beispiele zwei Paar Becken, ausgerüstet
0216war und so mörderisch loslegte, daß die Singstimmen macht-
0217los daneben verhallten. Diese Impietät gegen Bellini’s
0218Norma“, in welcher doch die Italiener eine der edelsten
0219Aeußerungen ihres nationalen Genius zu ehren haben, schien
0220Niemandem nahezugehen. Um so strenger benahm sich das
0221Publicum gegen das nachfolgende Ballet. „Ilda“ hieß diese
0222tödtlich langweilige und schäbig ausgestattete Dorfgeschichte
0223— getanztes Morphin aus dem Laboratorium des „Coreo-
0224grafo Fusco“. Das Ballet wurde von Anfang an fort-
0225während ausgezischt, vielmehr ausgeheult und ausgebellt,
0226denn dies sind die eigentlichen Verdammungslaute, durch
0227welche die Galerien das verbotene Pfeifen effectvoll ersetzen.
0228Außer „Norma“ gab es in San Carlo nichts weiter
0229zu hören. Schon acht Tage vor dem Gründonnerstag war
0230das Opernhaus geschlossen, und auf meine Anfragen an der
0231Theaterkasse wußte man Früh sehr selten zu sagen, ob
0232Abends gespielt werden würde. Dafür prahlten die An-
0233schlagzettel unermüdlich mit der „bevorstehenden“ Auffüh-
0234rung einer Novität von Maestro Petrella, „Bianca
0235Orsini“. Für das Versäumnis dieser Schöpfung suchte [3]
0236und fand ich Trost in den düsteren Erinnerungen
0237an zwei frühere Petrella-Opern, „Marco Visconti“
0238und „Ione“, die ich in Wien und Florenz erduldete.
0239Daß Neapel, welches früher in jeder Straße wenigstens
0240Einen berühmten Componisten besaß, jetzt auf den einzigen
0241Petrella herabgekommen ist, darf ein hartes Los genannt
0242werden. Aber selbst dieser Petrella verdient nicht die Schmach,
0243daß man seine ernsten Opern vor einem Publicum spielt,
0244das sich mit dem Hut auf dem Kopfe in den Bänken rekelt,
0245Cigarren raucht und Bier trinkt. In dieser Form erlebte
0246ich die lyrische Tragödie „Ione“ im Theater Principe Um-
0247berto in Florenz. Was wird Eduard Devrient, dessen neuestes
0248Buch so unbarmherzig gegen die „Sommerbettelei der Schau-
0249spielkunst“ loszieht, dazu sagen, daß diese sonst nur bei
0250offenen Tagestheatern vorkommende „verpöbelte Unterhal-
0251tungslust“ sich jetzt in Italien auch der Opernhäuser be-
0252mächtigt! Principe Umberto in Florenz ist ein sehr großes
0253Theater, das über ein stark besetztes Orchester und sehr an-
0254ständige Sänger verfügt. Und dennoch darf man sich darin
0255wie in der Kneipe betragen. Nach dem zweiten Acte schon
0256bedeckt das Parquet eine dichte Rauchwolke, aus welcher
0257unaufhörlich mit leichtem Knall die Wachskerzchen der
0258Raucher aufblitzen, während rechts und links kleine Casca-
0259den von Cigarren-Asche auf den Schoß der Nachbarn herab-
0260rieseln. Wollte man etwa gerade in der „Ione“, welche
0261nach Bulwer’s Roman mit der Einäscherung von Pompeji 
0262schließt, diese (auf der Bühne wegbleibende) Katastrophe
0263wenigstens im Parquet andeuten? Wo das Publicum sich
0264so ungenirt benimmt, kann man es wirklich dem dicken
0265Souffleur nicht verübeln, wenn er nach jedem Acte seinen
0266Muschelkasten ausklappt und, gegen die Zuschauer gewendet,
0267sich schnaufend die Märtyrerstirne abtrocknet. Das war für
0268uns eigentlich der willkommenste Lichtblick in diesen kläg-
0269lichen „letzten Tagen von Pompeji“, und wir freuten uns
0270redlich auf jeden Zwischenact. Mein der Opern-Seekrankheit
0271mehr unterworfener Reisegefährte B. jedoch ging, noch ganz
0272erfüllt von pompejanischen Reminiscenzen, so getreu auf den
0273Localton des Opernsujets ein, daß er den Logenschließer
0274statt nach dem Foyer nach dem Vomitorium fragte.
0275(Ein zweiter und letzter Artikel folgt.)