Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 4063. Wien, Freitag, den 17. December 1875
[1]Hofoperntheater.
(„Lohengrin“, neu in Scene gesetzt.)
Wien, 16. December 1875.
0004Ed. H. Gestern den 15. December waren es hundert
0005Jahre, daß Boieldieu, der Componist der „Weißen Frau“,
0006geboren wurde. Dieser Gedenktag eines der berühmtesten
0007und liebenswürdigsten Tondichter ist nicht blos in dessen
0008Vaterlande, sondern wol in der ganzen gebildeten Welt durch
0009die Aufführung einer seiner Opern nach Kräften gefeiert
0010worden. Trotz seines eminent französischen Charakters be-
0011zauberte Boieldieu alle Nationen; er ist mit „Johann von
0012Paris“, „Rothkäppchen“ und der „Weißen Frau“ auch ein
0013theures Besitzthum des deutschen Volkes geworden. Die
0014Wiener verdanken Boieldieu unzählige Abende edelsten Ge-
0015nusses, unsere Theater danken ihm reichlichste Einnahmen
0016durch ein halbes Jahrhundert. In Wien feierte gestern das
0017Hofoperntheater Boieldieu’s hundertjähriges Jubiläum
0018mit — „Lohengrin“ von Richard Wagner. Wir ver-
0019zeichnen diese Thatsache mit aufrichtigem Bedauern. Das
0020Recht des Lebenden ist zweifellos — wir sind jederzeit kräftig
0021dafür eingetreten — aber ebenso zweifellos die Pflicht der
0022Lebenden, ihre großen Todten nicht ganz zu vergessen. Selbst
0023leichtfertige Gemüther gedenken eines theuren Verstorbenen
0024alljährlich an dessen Geburtstag; sollte ein großes Kunst-
0025Institut von ruhmvollsten Traditionen es nicht wenigstens
0026einmal nach hundert Jahren thun? Wenn unter Director
0027Jauner unseres Erinnerns noch keine Note von Boieldieu
0028zur Aufführung gekommen ist, so mag er seine praktischen
0029Entschuldigungen dafür haben; für das gänzliche Ignoriren
0030des hundertjährigen Jubiläums gibt es keine. Und doch
0031müssen wir Herrn Jauner bezeugen, daß er noch im Som-
0032mer auf den Plan einer Boieldieu-Feier lebhaft einging und
0033nur zwischen der „Weißen Frau“ und „Rothkäppchen“
0034schwankte. Was hat ihn plötzlich in so tiefes Vergessen gestürzt?
0035Ein Blick auf das Repertoire dieser Woche löst uns das
0036Räthsel. Wir finden darin auch den 17. December, den Ge-
0037burtstag Beethoven’s, total vergessen, welcher sonst regel
0038mäßig unter jeder Direction durch die Aufführung von „Fi-
0039delio“ gefeiert wurde. Also keine Erinnerung weder an Beet-
0040hoven noch an Boieldieu in der ganzen Woche. Dafür drei-
0041mal „Lohengrin“. Es sind eben seit sechs Wochen alle
0042Gehirne vollständig unter Wagner gesetzt. Den Monat No-
0043vember hindurch absorbirte die Vorbereitung zum „Tann-
0044häuser“ die ganze Thätigkeit des Hofoperntheaters, im De-
0045cember thut es der „Lohengrin“. Zwei Opern, deren
0046Berechtigung ebenso unwidersprechlich ist, wie ihr andauern-
0047der Erfolg — aber doch zwei alte Opern, die hier auch
0048ohne Wagner’s Anwesenheit gut gegeben und fleißig besucht
0049waren. Wenn das bloße Aufputzen und Vervollständigen
0050zweier Repertoirestücke einem großen Opern-Institute so voll-
0051ständig den Athem verschlägt, daß alles Uebrige vernachlässigt
0052und Beethoven’s wie Boieldieu’s selbst an dem Einen ihnen
0053gebührenden Gedenktag vergessen wird, so kann man das
0054unmöglich einen befriedigenden oder gesunden Zustand nen-
0055nen. Wagner’s Berufung nach Wien erschien zweckmäßig
0056und willkommen, sobald es sich um eine neue Oper seiner
0057Composition handelte, um „Tristan und Isolde“ namentlich,
0058die wir in Wien noch nicht kennen. Director Jauner hatte
0059den vortrefflichen Plan, für die beiden Hauptrollen das Ehe-
0060paar Vogel aus München zu verschreiben, wodurch das
0061Einstudiren dieses in den übrigen Partien unerheblichen und
0062den Chor fast gar nicht beschäftigenden Werkes rasch und
0063ohne Ueberbürdung unseres Personals von statten gegangen
0064wäre. Warum man diesen Plan wieder aufgab, ist uns nicht
0065bekannt. Genug, daß die Direction sich begnügte, Wagner’s
0066Mitwirkung lediglich für die aufreibende, kostspielige und
0067obendrein vielfach disgustirende Vorbereitung von „Tann-
0068häuser“ und „Lohengrin“ in Anspruch zu nehmen, also ohne
0069eine Bereicherung des Repertoires und zur Benachtheiligung
0070der übrigen Vorstellungen. Wagner’s persönliches Erscheinen
0071bringt allenthalben einen Geist der Unruhe und des Unfrie-
0072dens mit, der leicht einen zersetzenden Einfluß auf das hei-
0073mische Kunstleben übt. Die Anwesenheit des berühmten
0074und genialen Mannes kann uns schmeicheln und geistig an-
0075regen, aber nicht schlechterdings über ernstere Bedenken be-
0076ruhigen. Seine Persönlichkeit saugt wie ein Schwamm alle
0077musikalische Thätigkeit und Theilnahme auf, entmuthigt die
0078Sänger durch Mißhelligkeiten und Ueberanstrengung, drängt
0079das Publicum in Parteihader und die Direction in eine
0080schiefe Stellung nebst sehr aufrechtem Deficit. Zu diesen
0081Uebelständen und Opfern steht, unseres Erachtens, der Ge-
0082winn in keinem richtigen Verhältniß, den uns die Neuerungen
0083im „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ gebracht haben.
0084Ueber die Verschlimmbesserung des alten „Tannhäuser“
0085haben wir jüngst ausführlich gesprochen. Wenden wir uns
0086jetzt zu „Lohengrin“, der gestern neuscenirt und zum ersten-
0087male ganz vollständig zur Aufführung gelangte. In dieser
0088Gestalt spielte die Oper von halb 7 Uhr bis nach 3/4 11 Uhr
0089vor einem schließlich todmüden Publicum. Darin allein liegt
0090schon eine Kritik der neuen „Vervollständigung“. Sie scheint
0091uns noch viel bedenklicher als jene des „Tannhäuser“. Der
0092à la Parisienne umgearbeitete „Tannhäuser“ bringt doch
0093einiges wirklich Neue, eigens neu Hinzucomponirte; das ist jeden-
0094falls interessant, mag man es nun schön finden oder nicht.
0095Zum „Lohengrin“ hingegen ist nichts Neues nachcomponirt;
0096man gab ihn blos partiturgetreu mit all den Stellen, welche
0097bisher aus gut praktischen Gründen weggestrichen waren.
0098Man hatte jene Kürzungen vorgenommen, um dem Effect
0099der Oper zu nützen, wohl einsehend, daß eine drei- höchstens
0100vierthalbstündige Operndauer so ziemlich die äußerste Zumu-
0101thung an die Empfänglichkeit des Hörers und alles darüber
0102Hinausgehende auch ein Verlorengehendes sei. Die Zeitdauer
0103allein macht es nicht aus. Wer hat nicht in Paris an Einem
0104Abend „Richard Löwenherz“ und den „Schwarzen Domino“
0105oder „Fra Diavolo“ und „Die Regimentstochter“ gehört,
0106ohne Ermüdung! Etwas Anderes ist es um eine so nerven-
0107aufregende, raffinirte, fortwährend in leidenschaftlichen Super-
0108lativen sich bewegende Musik, wie dieser „Lohengrin“. Selbst
0109der „verlängerte“ „Tannhäuser“ wirkt lange nicht so ermü-
0110dend. Er bietet dramatisch wie musikalisch frischere Farben,
0111reizendere Melodien, dazu eine wechselnde Handlung und
0112reichliche Augenweide. „Lohengrin“ hingegen mit seinem aller-
0113dings einheitlicheren, aber unsäglich monotonen Styl ermattet
0114uns, wie ein zu warmes Bad. Das weiße Magnesiumlicht
0115dieser Musik flimmert uns im dritten Act bereits so schmerz-
0116haft vor den Augen, daß man den Schluß der Oper, auch
0117in ihrer gekürzten Form, mit Ungeduld erwartet. Obwol [2]
0118durch langen musikalischen Felddienst zu robuster Ausdauer
0119abgehärtet, haben wir uns doch kaum jemals am Schluß
0120einer Oper in so hingerichtetem Zustande befunden, wie
0121gestern.
*)
0131Eine Kritik des „Lohengrin“ käme heute um zwanzig
0132Jahre zu spät. Wie „Tannhäuser“ hat sich auch „Lohengrin“
0133einen festen Platz auf allen deutschen und auch bereits auf
0134einigen ausländischen Bühnen erobert; er gehört zu den ent-
0135schiedensten Lieblingen unseres Opernpublicums. Ob der Autor
0136mit diesem Erfolg zufrieden sei, ist eine andere Frage. Denn
0137nimmermehr kann er hoffen, daß die Hörer all den myste-
0138riösen Tiefsinn und metaphysischen Höhenrauch wirklich im
0139„Lohengrin“ herausfinden und verstehen sollen, den er in
0140seiner „Mittheilung an meine Freunde“ darüber offenbart.
0141In dieser berühmten Broschüre — vielleicht dem geräumig-
0142sten Weihrauchfaß, welches je ein Autor für sich selbst ge-
0143schwungen — bezeichnet Wagner den „Lohengrin“ „als den
0144Typus des eigentlichen, einzigen tragischen Stoffes, über-
0145haupt der Tragik des Lebenselementes der
0146modernen Gegenwart, und zwar von der gleichen
0147Bedeutung für die Gegenwart, wie die „Antigone“ für das
0148griechische Staatsleben es war“. Noch tiefer deutet Wagner
0149die politische Symbolik der Elsa: „Durch das Vermögen
0150dieses unbewußten Bewußtseins, wie ich es selbst mit Lohen-
0151grin empfand, kam mir auch die weibliche Natur zu immer
0152innigerem Verständniß. Elsa, das Weib — diese nothwen-
0153digste Wesenäußerung der reinsten sinnlichen Unwillkür —
0154hat mich zum vollständigen Revolutionär gemacht. Sie
0155war der Geist des Volkes, nach dem ich auch als künst-
0156lerischer Mensch zu meiner Erlösung verlangte.“ Glücklich die
0157„Freunde“, die das verstehen, aber noch glücklicher Jene, die
0158Wagner’s Selbsterläuterungen nie zur Hand nahmen. Denn
0159wem bei einer Aufführung des „Lohengrin“ all das Zeug
0160einfällt, das Wagner selbst darüber geschrieben, der kann,
0161bei aller Vorliebe für diese Musik, unmöglich in andächtiger
0162Stimmung bleiben.
0163Und nun zur gestrigen Aufführung. Sie war vollendet
0164in den Leistungen des Chors und des (von Hanns Richter
0165dirigirten) Orchesters, glänzend in allen Theilen der Aus-
0166stattung, musterhaft im Zusammenspiel und den Gruppirun-
0167gen. Die Volksscenen beim ersten Erscheinen Lohengrin’s,
0168dann im zweiten Finale vor dem Dom packten durch eine
0169aufgeregte dramatische Lebendigkeit, welche trotzdem nichts
0170Theatralisches oder ängstlich Einstudirtes hatte. Das Arran-
0171gement des Zweikampfes, des Brautzuges, des Heerbanns
0172im dritten Acte darf man scenische Meisterstücke nennen.
0173Nur die Art, wie Lohengrin am Schlusse des ersten Actes
0174von den Männern auf den Schild emporgehoben und hoch
0175in den Lüften fortgetragen wird, erschien uns bedenklich;
0176dergleichen hat immer etwas komisch Zappelndes, das der
0177Würde eines Graalsritters leicht gefährlich wird. Die Darsteller
0178der Hauptrollen kämpften mit begeistertem Heroismus gegen die
0179außerordentlichen Schwierigkeiten ihrer Aufgabe, sie siegten
0180auch, „soweit es die vorhandenen Kräfte erlaubten“. Wir
0181gebrauchen dieses fliegende Wort Wagner’s durchaus nicht
0182ironisch, sondern ganz ernsthaft. Für den Kritiker ist dieses
0183Wort ein so unentbehrliches, allgegenwärtiges, daß er es
0184stillschweigend supplirt wissen möchte, fast überall, wo er
0185schwierige dramatische Leistungen lobt. Der tüchtigste Künstler
0186wird trotz aller natürlichen und erworbenen Mitgift nicht
0187immer mit seinen Kräften ausreichen für bestimmte ihm
0188heterogene Charaktere und Stimmungen. Es kann Niemand
0189über die Grenzen seines Talents hinaus, und das drama-
0190tische Talent der Opernsänger hat gemeiniglich gar enge
0191Grenzen. Die beiden geschätzten Darsteller des Lohengrin und der
0192Elsa haben an diesem Abend gewiß ihre beste Kraft eingesetzt, allein
0193der Schwerpunkt ihres Talentes liegt eben in einer andern Sphäre.
0194Herrn Müller’s klangvolle, leicht ansprechende Tenorstimme
0195hören wir immer gerne, seinen in der Cantilene effectvollen
0196Vortrag am liebsten in italienischen Opern. Die französische
0197Novität „Carmen“ verdankt ihren Erfolg in Wien zu großem
0198Theile Müller’s vortrefflichem Don José. Für den „Lohen-
0199grin“ fehlt seinem ganzen Wesen die selbstbewußte ideale
0200Hoheit, seinem Vortrag die declamatorische Schärfe und
0201Klarheit. Von der großen Erzählung im dritten Acte verstand
0202man kaum ein Wort. Obendrein sah der junge, glanz-
0203umflossene Held aus wie ein versteinerter Jesuit. Herr Müller
0204ist uns als Mensch und Künstler viel zu sympathisch, als
0205daß wir ihm nicht rathen sollten, den gefiederten Einspänner
0206so bald als möglich wieder abzudanken. Auch Frau Kupfer
0207fehlt für die Wagner’sche Heldin die überzeugende Kraft des
0208Ausdrucks und des Spiels. Immerhin kam sie, begünstigt
0209durch ihre Persönlichkeit, dem Bilde der Elsa näher, als
0210Herr Müller dem Lohengrin, und übertraf in mancher zart
0211vorgetragenen Stelle unsere Erwartungen. Ihre Leistung war
0212im besten Sinne anständig und dürfte anderwärts vortreff-
0213lich gefunden werden, wo man nicht durch eine Dustmann
0214verwöhnt ist. Frau Dustmann ist als Elsa ebenso einzig und
0215vollendet, wie es der unvergeßliche Ander als Lohengrin
0216gewesen. Leider werden wir bald auch „die unvergeßliche
0217Dustmann“ sagen müssen, obgleich sie gottlob noch unter uns
0218wandelt und wirkt. Aber wenn sie, wie es demnächst ge-
0219schehen soll, die Bühne für immer verläßt, dann werden wir
0220ihren Verlust auf das herbste empfinden. In der gestrigen
0221„Lohengrin“-Vorstellung beherrschte ihre Aufgabe am vollkom-
0222mensten Frau Materna; ihre Ortrud ist mit den schärfsten
0223Umrissen gezeichnet, mit den glühendsten Farben gemalt. Ihr
0224zunächst muß Herr Scaria genannt werden, der für vorwiegend
0225declamatorische Rollen, wie König Heinrich im „Lohengrin“,
0226Landgraf Hermann im „Tannhäuser“, unschätzbar ist. Den
0227Telramund sang zum erstenmal Herr Nollet mit schönem
0228Eifer und anerkennenswerther Ausdauer. Der beste Telramund
0229des Hofoperntheaters, Herr Beck, hat diese mörderische, für
0230keinen Sänger und für sehr wenige Zuhörer angenehme
0231Partie schon vor Jahren zurückgelegt. Herr v. Bignio,
0232ohnehin mehr Troubadour als Bösewicht, folgte aus Schonung
0233für seine Stimme diesem Beispiel. Ohne die erschütternde
0234Gewalt Beck’s, noch die Noblesse Bignio’s zu erreichen, quali-
0235ficirt sich Herr Nollet doch als geeigneter Nachfolger der
0236genannten Telramunde; sein Erfolg in dieser ersten größeren
0237Partie dürfte dem jungen, talentvollen Sänger zu entschei-
0238dendem Vortheil ausschlagen. Anerkennung verdient schließlich
0239der überall verwendete und überall tüchtige Herr Lay als
0240Heerrufer, ferner die Herren Neumann, Hablawetz,
0241Schittenhelm und Schmitt, welche voll Selbstver[3]
0242leugnung die vier vorzüglich zum Leichentransport verwen-
0243deten Freunde Telramund’s sangen, ohne einen Tact oder
0244eine Bahre fallen zu lassen.
0245„Lohengrin“ wurde, wie gesagt, zum erstenmal in seiner
0246ganzen Vollständigkeit, wie er in Partitur und Clavierauszug
0247vorliegt, gegeben. Eine einzige kurze Stelle Lohengrin’s in der
0248Schlußscene: „O König, hör’!“ blieb aus Schonung für den
0249ohnehin überangestrengten Sänger fort. Mit dem Aufzählen
0250all der einzelnen Stellen, die, früher gestrichen, jetzt wieder
0251hergestellt wurden, wollen wir den Leser umsoweniger be-
0252lästigen, als viele derselben in neuester Zeit schon vom
0253Capellmeister Richter — abwechselnd in verschiedenen Auf-
0254führungen — zu Gehör gebracht worden sind. Sie stehen
0255meistens im zweiten und in der zweiten Hälfte des dritten
0256Actes und treffen überwiegend die Partien Ortrud’s, Telra-
0257mund’s, des Königs und des Heerrufers. Als auffällig und
0258einigermaßen wesentlich wären nur zwei von den neu aufge-
0259führten Stellen zu nennen: die kurze Verschwörungsscene der vier
0260Anhänger Telramund’s im zweiten Finale und ein längerer
0261Dialog zwischen dem abschiednehmenden Lohengrin und der
0262ihn immer wieder zurückhaltenden Elsa in der Schlußscene
0263der Oper (S. 217 bis inclusive S. 232 des Clavier-
0264auszuges mit Text). Fragt man, ob diese neue, die Vor-
0265stellung um mehr als eine Stunde verlängernde Redaction
0266des „Lohengrin“ Aussicht auf bleibenden Bestand habe, so
0267gibt uns eine ziemlich zutreffende Antwort Wagner selbst.
0268Bei Gelegenheit der Aufführung von „Lohengrin“ schreibt
0269er nämlich in seinem „Brief an einen italienischen Freund“,
0270er sei nach lauter unvollständigen Aufführungen dieser Oper
0271auf deutschen Theatern ein einzigesmal in München dazu
0272gelangt, „Lohengrin“ seinen Intentionen vollkommen gemäß
0273einzustudiren. Hierauf habe es ihn nur verwundert, „daß es
0274dem Publicum gänzlich gleichblieb, ob es den Lohengrin so
0275oder anders vorgeführt erhielt; ward die Oper späterhin
0276wieder nach der alten Routine gegeben, so blieb der
0277Eindruck immer derselbe“. Für Wien besorgen wir
0278eine so vollständige Indolenz keineswegs; es wird dem nor-
0279mal organisirten Publicum nicht „gänzlich gleich“, sondern
0280höchst erwünscht sein, wenn die Hofopern-Direction die
0281neueste, doch allzu harte Lohengrin-Haft wieder auf ihr
0282früheres milderes Ausmaß herabsetzen wollte.