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Vom Musikalisch-Schönen.



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Sehr überzeugend führt Hanslick in Wien in
seiner kleinen Schrift „Vom Musikalisch-Schö-
nen“ (Leipzig, R. Weigel) den Gedanken durch,
daß der Mensch die Musik aus sich selbst geschöpft,
nicht der Natur nachgeahmt hätte. Auch erwei-
tert er sehr treffend den Satz, den schon Leibniz 
aussprach, daß alle Tonkunst ein geheimes
Zählen und Rechnen wäre. Er sagt:


„Die «Musik» der Natur und die Tonkunst
des Menschen sind zwei verschiedene Gebiete.
Der Uebergang von der ersten zur zweiten geht
durch die Mathematik. Nicht so, als hätte
der Mensch seine Töne durch absichtlich ange-
stellte Berechnungen geordnet, sondern es ge-
schah dies durch unbewußte Anwendung ur-
sprünglicher Größen- und Verhältnißvorstellun-
gen, durch ein verborgenes Messen und Zäh-
len
, dessen Gesetzmäßigkeit erst später die Wissen-
schaft constatirte.“


Auch über Malerei der Tonkunst findet
man in seiner Abhandlung sehr treffende Worte.
Ueberhaupt zeigt diese neben gründlichsten musika-
lischen Einzelkenntnissen einen wissenschaftlichen
Sinn auch in den allgemeinen Partieen. Die
Darstellung ist klar, die Gedankenentwickelung
von großer logischer Schärfe. Wenn der
Verfasser, der hier schon manche tiefeingewur-
zelten Vorurtheile bekämpft, die von ihm zur
Sprache gebrachten wichtigen Punkte der musi-
kalischen Aesthetik in einem vollständigen System
weiter ausführen wollte, so würde er sich den
Dank erwerben jedes gebildeten Freundes der
Tonkunst, der auch darüber nachzudenken liebt,
welches die eigentlichen geheimen Geistes- und
Naturquellen seines an Wonnen und süßen
Schauern so reichen Genusses sind.