Nachdem nicht das Gefühl, sondern die Phantasie, als Thätigkeit des reinen Schauens,
das Organ ist, aus welchem und für welches alles Kunstschöne entsteht, so erscheint
auch das musikalische Kunstwerk als ein von unserm Fühlen nicht bedingtes, specifisch
ästhetisches Gebild, das die wissenschaftliche Betrachtung abgelöst von dem psychologischen
Beiwerk seines Entstehens und Wirkens in seiner inneren Beschaffenheit erfassen muß.
In der Wirklichkeit erweist sich aber dies begrifflich von unserm Fühlen unabhängige,
selbstständige Kunstwerk als wirksame Mitte zwischen zwei lebendigen Kräften: seinem
Woher und seinem Wohin, d. i. dem Componisten und dem Hörer. In dem Seelenleben dieser
Beiden kann die künstlerische Thätigkeit der Phantasie nicht so zu reinem Metall ausgeschieden
sein, wie sie in dem fertigen, unpersönlichen Kunstwerk vorliegt, – vielmehr wirkt
sie dort stets in enger Wechselbeziehung mit Gefühlen und Empfindungen. Das Fühlen
wird somit vor und nach der Schöpfung des Kunstwerkes, vorerst im Tondichter, dann
im Hörer eine Bedeutung behaupten, der wir unsere Aufmerksamkeit nicht entziehen dürfen. |