Nichts hat die wissenschaftliche Entwicklung der musikalischen Aesthetik so empfindlich
gehemmt als der übermäßige Werth, welchen man den Wirkungen der Musik auf die Gefühle
beilegte. Je auffallender sich diese Wirkungen zeigten, desto höher pries man sie
als Herolde musikalischer Schönheit. Wir haben im Gegentheil gesehen, daß gerade den
überwältigendsten Eindrücken der Musik der stärkste Antheil körperlicher Erregung
von Seite des Hörers beigemischt ist. Von Seite der Musik liegt diese heftige Eindringlichkeit
in das Nervensystem eben so wenig in ihrem künstlerischen Moment, das ja aus dem Geiste
kommt und an den Geist sich wendet, – sondern in ihrem Material, dem die Natur jene
unergründliche physiologische Wahlverwandtschaft eingeboren hat. Das Elementarische
der Musik, der Klang und die Bewegung ist es, was die wehrlosen Gefühle so vieler
Musikfreunde in Ketten schlägt, mit denen sie gar gerne klirren. Weit sei es von uns,
die Rechte des Gefühls an die Musik verkürzen zu wollen. Allein dies Gefühl, welches
sich thatsächlich mehr oder minder mit der reinen Anschauung paart, kann nur dann
als künstlerisch gelten, wenn es sich seiner ästhetischen Herkunft bewußt bleibt,
d. h. der Freude an einem und zwar gerade diesem bestimmten Schönen. Fehlt dies Bewußtsein,
fehlt die freie Anschauung des bestimmten Kunstschönen und fühlt das Gemüth sich nur
von der Naturgewalt der Töne befangen, so kann die Kunst sich solchen Eindruck um
so weniger zu Gute schreiben, je stärker er auftritt. Die Zahl derer, welche auf solche
Art Musik hören oder eigentlich fühlen, ist sehr bedeutend. Indem sie das Elementarische
der Musik in passiver Empfänglichkeit auf sich wirken lassen, gerathen sie in eine
vage, nur durch den Charakter des Tonstücks bestimmte übersinnlich-sinnliche Erregung.
Ihr Verhalten gegen die Musik ist nicht anschauend, sondern pathologisch; ein stetes
Dämmern, Fühlen, Schwärmen, ein Hangen und Bangen in klingendem Nichts. Lassen wir
an dem Gefühlsmusiker mehrere Tonstücke gleichen, etwa rauschend fröhlichen Charakters,
vorbeiziehen, so wird er in dem Banne desselben Eindrucks verbleiben. Nur was diesen
Stücken gleichartig ist, also die Bewegung des rauschend Fröhlichen assimilirt sich
seinem Fühlen, während das Besondere jeder Tondichtung, das künstlerisch Individuelle
seiner Auffassung entschwindet. Gerade umgekehrt wird der musikalische Zuhörer verfahren.
Die eigenthümliche künstlerische Gestaltung einer Composition, das, was sie unter
einem Dutzend ähnlich wirkender zum selbstständigen Kunstwerk stempelt, erfüllt sein
Aufmerken so vorherrschend, daß er ihrem gleichen oder verschiedenen Gefühlsausdruck
nur geringes Gewicht beilegt. Das isolirte Aufnehmen eines abstracten Gefühlsinhaltes
anstatt der concreten Kunsterscheinung ist in solcher Ausbildung der Musik ganz eigenthümlich.
Nur die Gewalt einer besonderen Beleuchtung erscheint ihr nicht selten analog, wenn
sie Manchen so ergreift, daß er über die beleuchtete Landschaft selbst sich gar keine
Rechenschaft zu geben vermag. Eine unmotivirte und darum desto eindringlichere Totalempfindung
wird in Bausch und Bogen eingesaugt. |
Nichts hat die wissenschaftliche Entwicklung der musikalischen Aesthetik so empfindlich
gehemmt als der übermäßige Werth, welchen man den Wirkungen der Musik auf die Gefühle
beilegte. Je auffallender sich diese Wirkungen zeigten, desto höher pries man sie
als Herolde musikalischer Schönheit. Wir haben im Gegentheil gesehen, daß gerade den
überwältigendsten Eindrücken der Musik der stärkste Antheil körperlicher Erregung
von Seite des Hörers beigemischt ist. Von Seite der Musik liegt diese heftige Eindringlichkeit
in das Nervensystem eben so wenig in ihrem künstlerischen Moment, das ja aus dem Geiste
kommt und an den Geist sich wendet, – sondern in ihrem Material, dem die Natur jene
unergründliche physiologische Wahlverwandtschaft eingeboren hat. Das Elementarische
der Musik, der Klang und die Bewegung ist es, was die wehrlosen Gefühle so vieler
Musikfreunde in Ketten schlägt, mit denen sie gar gerne klirren. Weit sei es von uns,
die Rechte des Gefühls an die Musik verkürzen zu wollen. Allein dies Gefühl, welches
sich thatsächlich mehr oder minder mit der reinen Anschauung paart, kann nur dann
als künstlerisch gelten, wenn es sich seiner ästhetischen Herkunft bewußt bleibt,
d. h. der Freude an einem und zwar gerade diesem bestimmten Schönen. Fehlt dies Bewußtsein,
fehlt die freie Anschauung des bestimmten Kunstschönen und fühlt das Gemüth sich nur
von der Naturgewalt der Töne befangen, so kann die Kunst sich solchen Eindruck um
so weniger zu Gute schreiben, je stärker er auftritt. Die Zahl derer, welche auf solche
Art Musik hören oder eigentlich fühlen, ist sehr bedeutend. Indem sie das Elementarische
der Musik in passiver Empfänglichkeit auf sich wirken lassen, gerathen sie in eine
vage, nur durch den Charakter des Tonstücks bestimmte übersinnlich-sinnliche Erregung.
Ihr Verhalten gegen die Musik ist nicht anschauend, sondern pathologisch; ein stetes
Dämmern, Fühlen, Schwärmen, ein Hangen und Bangen in klingendem Nichts. Lassen wir
an dem Gefühlsmusiker mehrere Tonstücke gleichen, etwa rauschend fröhlichen Charakters,
vorbeiziehen, so wird er in dem Banne desselben Eindrucks verbleiben. Nur was diesen
Stücken gleichartig ist, also die Bewegung des rauschend Fröhlichen, assimilirt sich
seinem Fühlen, während das Besondere jeder Tondichtung, das künstlerisch Individuelle
seiner Auffassung entschwindet. Gerade umgekehrt wird der musikalische Zuhörer verfahren.
Die eigenthümliche künstlerische Gestaltung einer Composition, das, was sie unter
einem Dutzend ähnlich wirkender zum selbstständigen Kunstwerk stempelt, erfüllt sein
Aufmerken so vorherrschend, daß er ihrem gleichen oder verschiedenen Gefühlsausdruck
nur geringes Gewicht beilegt. Das isolirte Aufnehmen eines abstracten Gefühlsinhaltes
anstatt der concreten Kunsterscheinung ist in solcher Ausbildung der Musik ganz eigenthümlich.
Nur die Gewalt einer besonderen Beleuchtung erscheint ihr nicht selten analog, wenn
sie Manchen so ergreift, daß er über die beleuchtete Landschaft selbst sich gar keine
Rechenschaft zu geben vermag. Eine unmotivirte und darum desto eindringlichere Totalempfindung
wird in Bausch und Bogen eingesaugt. |
Nichts hat die wissenschaftliche Entwicklung der musikalischen Aesthetik so empfindlich
gehemmt als der übermäßige Werth, welchen man den Wirkungen der Musik auf die Gefühle
beilegte. Je auffallender sich diese Wirkungen zeigten, desto höher pries man sie
als Herolde musikalischer Schönheit. Wir haben im Gegentheil gesehen, daß gerade den
überwältigendsten Eindrücken der Musik der stärkste Antheil körperlicher Erregung
von Seite des Hörers beigemischt ist. Von Seite der Musik liegt diese heftige Eindringlichkeit
in das Nervensystem eben so wenig in ihrem künstlerischen Moment, das ja aus dem Geiste
kommt und an den Geist sich wendet, – sondern in ihrem Material, dem die Natur jene
unergründliche physiologische Wahlverwandtschaft eingeboren hat. Das Elementarische
der Musik, der Klang und die Bewegung ist es, was die wehrlosen Gefühle so vieler
Musikfreunde in Ketten schlägt, mit denen sie gar gerne klirren. Weit sei es von uns,
die Rechte des Gefühls an die Musik verkürzen zu wollen. Allein dies Gefühl, welches
sich thatsächlich mehr oder minder mit der reinen Anschauung paart, kann nur dann
als künstlerisch gelten, wenn es sich seiner ästhetischen Herkunft bewußt bleibt,
d. h. der Freude an einem und zwar gerade diesem bestimmten Schönen. Fehlt dies Bewußtsein,
fehlt die freie Anschauung des bestimmten Kunstschönen und fühlt das Gemüth sich nur
von der Naturgewalt der Töne befangen, so kann die Kunst sich solchen Eindruck um
so weniger zu Gute schreiben, je stärker er auftritt. Die Zahl derer, welche auf solche
Art Musik hören oder eigentlich fühlen, ist sehr bedeutend. Indem sie das Elementarische
der Musik in passiver Empfänglichkeit auf sich wirken lassen, gerathen sie in eine
vage, nur durch den Charakter des Tonstücks bestimmte übersinnlichsinnliche Erregung.
Ihr Verhalten gegen die Musik ist nicht anschauend, sondern pathologisch; ein stetes
Dämmern, Fühlen, Schwärmen, ein Hangen und Bangen in klingendem Nichts. Lassen wir
an dem Gefühlsmusiker mehrere Tonstücke gleichen, etwa rauschend fröhlichen Charakters,
vorbeiziehen, so wird er in dem Banne desselben Eindrucks verbleiben. Nur was diesen
Stücken gleichartig ist, also die Bewegung des rauschend Fröhlichen, assimilirt sich
seinem Fühlen, während das Besondere jeder Tondichtung, das künstlerisch Individuelle
seiner Auffassung entschwindet. Gerade umgekehrt wird der musikalische Zuhörer verfahren.
Die eigenthümliche künstlerische Gestaltung einer Composition, das, was sie unter
einem Dutzend ähnlich wirkender zum selbstständigen Kunstwerk stempelt, erfüllt sein
Aufmerken so vorherrschend, daß er ihrem gleichen oder verschiedenen Gefühlsausdruck
nur geringes Gewicht beilegt. Das isolirte Aufnehmen eines abstracten Gefühlsinhaltes
anstatt der concreten Kunsterscheinung ist in solcher Ausbildung der Musik ganz eigenthümlich.
Nur die Gewalt einer besonderen Beleuchtung erscheint ihr nicht selten analog, wenn
sie Manchen so ergreift, daß er über die beleuchtete Landschaft selbst sich gar keine
Rechenschaft zu geben vermag. Eine unmotivirte und darum desto eindringlichere Totalempfindung
wird in Bausch und Bogen eingesaugt. |