Verfolgen wir, ohne Benützung des anatomischen Details, den Gang, welchen eine Melodie
nehmen muß, um auf unsere Gemüthsstimmung zu wirken. Zuerst treffen die Töne den Gehörsnerv.
Die Physiologie, in Verbindung mit der Anatomie und Akustik weisen die Bedingungen
nach, unter welchen unser Ohr einen Ton vernehmen kann oder nicht, wie viel Luftschwingungen
zum höchsten oder tiefsten wahrnehmbaren Ton erforderlich sind, in welcher Stärke
und Schnelligkeit sich diese Luftstöße zum Akusticus fortpflanzen. Diese und ähnliche
dahin gehörende Kenntnisse darf die Aesthetik voraussetzen. Nicht der entstehende,
sondern erst der fertige, vom Ohr aufgenommene Ton und dieser erst in Verbindung mit
andern, gehört ihr an. Der Weg vom vibrirenden Instrument bis zum Gehörnerv ist, vollends
für das ästhetische Interesse, hinreichend aufgeklärt, obwohl schon hier die Schwierigkeit
hemmend eintritt, daß wir am menschlichen Ohr nicht experimentiren können und mit
akustischen Apparaten uns begnügen müssen. Unerklärt ist aber der Nervenproceß, wodurch
die percipirte Tonreihe, Lust oder Unlust erzeugend, zum Gefühl wird. Die Physiologie
weiß, daß das, was wir als Ton empfinden, eine Molecularbewegung in der Nervensubstanz
ist, und zwar wenigstens eben so gut als im Akusticus in den Centralorganen. Sie weiß,
daß die Fasern des Gehörnervs mit anderen Nerven zusammenhängen, und seine Reize auf
sie übertragen, daß das Gehör namentlich mit dem kleinen und großen Gehirn, dem Kehlkopf,
der Lunge, dem Herzen in Verbindung stehe. Unbekannt ist ihr aber die specifische
Art, wie Musik auf diese Nerven wirkt, noch mehr die Verschiedenheit, mit welcher
bestimmte musikalische Factoren, Accorde, Rhythmen, Instrumente auf verschiedene Nerven
wirken. Vertheilt sich eine musikalische Gehörsempfindung auf alle mit dem Akusticus
zusammenhängenden Nerven, oder nur auf einige? Mit welcher Intensität, mit welcher
Schnelligkeit? Von welchen musikalischen Elementen wird das Gehirn, von welchen werden
die zum Herzen oder zur Lunge führenden Nerven am meisten afficirt? Unläugbar ist,
daß Tanzmusik in jungen Leuten, deren natürliches Temperament nicht durch die Uebung
der Civilisation ganz zurückgehalten wird, ein Zucken im Körper, namentlich in den
Füßen hervorruft. Es wäre einseitig, den physiologischen Einfluß von Marsch- und Tanzmusik
zu läugnen, und ihn lediglich auf psychologische Ideenassociation reduciren zu wollen.
Was daran psychologisch ist, – die wachgerufene Erinnerung an das schon bekannte Vergnügen
des Tanzes, – entbehrt nicht der Erklärung, allein diese reicht für sich keineswegs
aus. Nicht weil sie Tanzmusik ist, hebt sie die Füße, sondern sie ist Tanzmusik, weil
sie die Füße hebt. Wer in der Oper ein wenig um sich blickt, wird bald bemerken, wie
bei lebhaften, faßlichen Melodien die Damen unwillkürlich mit dem Kopfe hin- und herschaukeln,
nie wird man dies aber bei einem Adagio sehen, sei es noch so ergreifend oder melodisch.
Läßt sich daraus schließen, daß gewisse musikalische, namentlich rhythmische Verhältnisse
auf motorische Nerven wirken, andere nur auf Empfindungsnerven? Wann ist das Erstere,
wann das Letzere der Fall? Erleidet das Solargeflecht, welches traditionell für einen
vorzugsweisen Sitz des Empfindens gilt, bei der Musik eine besondere Affection? Erleiden
sie etwa die „sympathetischen Nerven“ (– an denen, wie der geistreiche Purkinje uns
bemerkte, ihr Name das Schönste ist –)? Warum ein Klang schrillend, widerwärtig, ein
anderer rein und wohllautend erscheine, das wird auf akustischem Wege durch die Gleichförmigkeit
oder Ungleichförmigkeit der auf einander folgenden Luftstöße erklärt. Mit der einfachen
Empfindung hat der Aesthetiker es nicht zu thun, er verlangt nach der Erklärung des
Gefühls und fragt: wie kommt es, daß eine Reihe von wohlklingenden Tönen den Eindruck
der Trauer, eine zweite von gleichfalls wohlklingenden den Eindruck der Freude macht?
Woher die entgegengesetzten, oft mit zwingender Kraft auftretenden Stimmungen, welche
verschiedene Accorde oder Instrumente von gleich reinem, wohlklingendem Ton dem Hörer
unmittelbar einflößen? |
Verfolgen wir, ohne Benützung des anatomischen Details, den Gang, welchen eine Melodie
nehmen muß, um auf unsere Gemüthsstimmung zu wirken. Zuerst treffen die Töne den Gehörsnerv.
Die Physiologie, in Verbindung mit der Anatomie und Akustik weisen die Bedingungen
nach, unter welchen unser Ohr einen Ton vernehmen kann oder nicht, wie viel Luftschwingungen
zum höchsten oder tiefsten wahrnehmbaren Ton erforderlich sind, in welcher Stärke
und Schnelligkeit sich diese Luftstöße zum Akusticus fortpflanzen. Diese und ähnliche
dahin gehörende Kenntnisse darf die Aesthetik voraussetzen. Nicht der entstehende,
sondern erst der fertige, vom Ohr aufgenommene Ton und dieser erst in Verbindung mit
andern, gehört ihr an. Der Weg vom vibrirenden Instrument bis zum Gehörnerv ist, vollends
für das ästhetische Interesse, hinreichend aufgeklärt, obwohl schon hier die Schwierigkeit
hemmend eintritt, daß wir am menschlichen Ohr nicht experimentiren können und mit
akustischen Apparaten uns begnügen müssen. Unerklärt ist aber der Nervenproceß, wodurch
die percipirte Tonreihe, Lust oder Unlust erzeugend, zum Gefühl wird. Die Physiologie
weiß, daß das, was wir als Ton empfinden, eine Molecularbewegung in der Nervensubstanz
ist, und zwar wenigstens eben so gut als im Akusticus in den Centralorganen. Sie weiß,
daß die Fasern des Gehörnervs mit anderen Nerven zusammenhängen, und seine Reize auf
sie übertragen, daß das Gehör namentlich mit dem kleinen und großen Gehirn, dem Kehlkopf,
der Lunge, dem Herzen in Verbindung steht. Unbekannt ist ihr aber die specifische
Art, wie Musik auf diese Nerven wirkt, noch mehr die Verschiedenheit, mit welcher
bestimmte musikalische Factoren, Accorde, Rhythmen, Instrumente auf verschiedene Nerven
wirken. Vertheilt sich eine musikalische Gehörsempfindung auf alle mit dem Akusticus
zusammenhängende Nerven, oder nur auf einige? Mit welcher Intensität, mit welcher
Schnelligkeit? Von welchen musikalischen Elementen wird das Gehirn, von welchen werden
die zum Herzen oder zur Lunge führenden Nerven am meisten afficirt? Unleugbar ist,
daß Tanzmusik in jungen Leuten, deren natürliches Temperament nicht durch die Uebung
der Civilisation ganz zurückgehalten wird, ein Zucken im Körper, namentlich in den
Füßen hervorruft. Es wäre einseitig, den physiologischen Einfluß von Marsch- und Tanzmusik
zu leugnen, und ihn lediglich auf psychologische Ideenassociation reduciren zu wollen.
Was daran psychologisch ist, – die wachgerufene Erinnerung an das schon bekannte Vergnügen
des Tanzes, – entbehrt nicht der Erklärung, allein diese reicht für sich keineswegs
aus. Nicht weil sie Tanzmusik ist, hebt sie die Füße, sondern sie ist Tanzmusik, weil
sie die Füße hebt. Wer in der Oper ein wenig um sich blickt, wird bald bemerken, wie
bei lebhaften, faßlichen Melodien die Damen unwillkürlich mit dem Kopfe hin- und herschaukeln,
nie wird man dies aber bei einem Adagio sehen, sei es noch so ergreifend oder melodisch.
Läßt sich daraus schließen, daß gewisse musikalische, namentlich rhythmische Verhältnisse
auf motorische Nerven wirken, andere nur auf Empfindungsnerven? Wann ist das Erstere,
wann das Letzere der Fall? Erleidet das Solargeflecht, welches traditionell für einen
vorzugsweisen Sitz des Empfindens gilt, bei der Musik eine besondere Affection? Erleiden
sie etwa die „sympathetischen Nerven“ (– an denen, wie der geistreiche Purkinje uns
bemerkte, ihr Name das Schönste ist –)? Warum ein Klang schrillend, widerwärtig, ein
anderer rein und wohllautend erscheine, das wird auf akustischem Wege durch die Gleichförmigkeit
oder Ungleichförmigkeit der auf einander folgenden Luftstöße erklärt. Mit der einfachen
Empfindung hat der Aesthetiker es nicht zu thun, er verlangt nach der Erklärung des
Gefühls und fragt: wie kommt es, daß eine Reihe von wohlklingenden Tönen den Eindruck
der Trauer, eine zweite von gleichfalls wohlklingenden den Eindruck der Freude macht?
Woher die entgegengesetzten, oft mit zwingender Kraft auftretenden Stimmungen, welche
verschiedene Accorde oder Instrumente von gleich reinem, wohlklingendem Ton dem Hörer
unmittelbar einflößen? |
Verfolgen wir, ohne Benützung des anatomischen Details, den Gang, welchen eine Melodie
nehmen muß, um auf unsere Gemüthsstimmung zu wirken. Zuerst treffen die Töne den Gehörnerv.
Die Physiologie in Verbindung mit der Anatomie und Akustik weisen die Bedingungen
nach, unter welchen unser Ohr einen Ton vernehmen kann oder nicht, wie viel Luftschwingungen
zum höchsten oder tiefsten wahrnehmbaren Ton erforderlich sind, in welcher Stärke
und Schnelligkeit sich diese Luftstöße zum Akusticus fortpflanzen. Diese und ähnliche
dahin gehörende Kenntnisse darf die Aesthetik voraussetzen. Nicht der entstehende,
sondern erst der fertige, vom Ohr aufgenommene Ton und dieser erst in Verbindung mit
andern, gehört ihr an. Der Weg vom vibrirenden Instrument bis zum Gehörnerv ist, vollends
für das ästhetische Interesse, hinreichend aufgeklärt, obwohl schon hier die Schwierigkeit
hemmend eintritt, daß wir am menschlichen Ohr nicht experimentiren können und mit
akustischen Apparaten uns begnügen müssen. Unerklärt ist aber der Nervenproceß, wodurch
die percipirte Tonreihe, Lust oder Unlust erzeugend, zum Gefühl wird. Die Physiologie
weiß, daß das, was wir als Ton empfinden, eine Molecularbewegung in der Nervensubstanz
ist, und zwar wenigstens eben so gut als im Akusticus in den Centralorganen. Sie weiß,
daß die Fasern des Gehörnervs mit den anderen Nerven zusammenhängen, und seine Reize
auf sie übertragen, daß das Gehör namentlich mit dem kleinen und großen Gehirn, dem
Kehlkopf, der Lunge, dem Herzen in Verbindung steht. Unbekannt ist ihr aber die specifische
Art, wie Musik auf diese Nerven wirkt, noch mehr die Verschiedenheit, mit welcher
bestimmte musikalische Factoren, Accorde, Rhythmen, Instrumente auf verschiedene Nerven
wirken. Vertheilt sich eine musikalische Gehörsempfindung auf alle mit dem Akusticus
zusammenhängende Nerven, oder nur auf einige? Mit welcher Intensität, mit welcher
Schnelligkeit? Von welchen musikalischen Elementen wird das Gehirn, von welchen werden
die zum Herzen oder zur Lunge führenden Nerven am meisten afficirt? Unleugbar ist,
daß Tanzmusik in jungen Leuten, deren natürliches Temperament nicht durch die Uebung
der Civilisation ganz zurückgehalten wird, ein Zucken im Körper, namentlich in den
Füßen hervorruft. Es wäre einseitig, den physiologischen Einfluß von Marsch- und Tanzmusik
zu leugnen, und ihn lediglich auf psychologische Ideenassociation reduciren zu wollen.
Was daran psychologisch ist, – die wachgerufene Erinnerung an das schon bekannte Vergnügen
des Tanzes, – entbehrt nicht der Erklärung, allein diese reicht für sich keineswegs
aus. Nicht weil sie Tanzmusik ist, hebt sie die Füße, sondern sie ist Tanzmusik, weil
sie die Füße hebt. Wer in der Oper ein wenig um sich blickt, wird bald bemerken, wie
bei lebhaften faßlichen Melodien die Damen unwillkürlich mit dem Kopfe hin- und herschaukeln,
nie wird man dies aber bei einem Adagio sehen, sei es noch so ergreifend oder melodisch.
Läßt sich daraus schließen, daß gewisse musikalische, namentlich rhythmische Verhältnisse
auf motorische Nerven wirken, andere nur auf Empfindungsnerven? Wann ist das Erstere,
wann das Letzere der Fall? Erleidet das Solargeflecht, welches traditionell für einen
vorzugsweisen Sitz des Empfindens gilt, bei der Musik eine besondere Affection? Erleiden
sie etwa die „sympathetischen Nerven (– an denen, wie der geistreiche Purkinje uns
bemerkte, ihr Name das Schönste ist –)? Warum ein Klang schrillend, widerwärtig, ein
anderer rein und wohllautend erscheine, das wird auf akustischem Wege durch die Gleichförmigkeit
oder Ungleichförmigkeit der auf einander folgenden Luftstöße erklärt. Mit der einfachen
Empfindung hat der Aesthetiker es nicht zu thun, er verlangt nach der Erklärung des
Gefühls und fragt: wie kommt es, daß eine Reihe von wohlklingenden Tönen den Eindruck
der Trauer, eine zweite von gleichfalls wohlklingenden den Eindruck der Freude macht?
Woher die entgegengesetzten, oft mit zwingender Kraft auftretenden Stimmungen, welche
verschiedene Accorde oder Instrumente von gleich reinem, wohlklingendem Ton dem Hörer
unmittelbar einflößen? |
Verfolgen wir den Gang, welchen eine Melodie nehmen muß, um auf unsere Gemüthsstimmung
zu wirken, so finden wir ihren Weg vom vibrirenden Instrument bis zum Gehörnerv, besonders
nach den epochemachenden Bereicherungen dieses Gebiets durch Helmholtz’ „ Lehre von
den Tonempfindungen “ hinreichend aufgeklärt. Die Akustik weist genau die äußeren
Bedingungen nach, unter welchen wir einen Ton überhaupt, unter welchen wir diesen
oder jenen bestimmten Ton vernehmen; die Anatomie deckt uns unter Mithilfe des Mikroskops
den Bau des Gehörorgans bis in’s Innerste und Feinste auf; die Physiologie endlich
kann zwar an diesem überaus kleinen und zarten, tief verborgenen Wunderbau keine directen
Versuche anstellen, hat aber doch dessen Wirkungsweise zum Theil mit Sicherheit ermittelt,
zum Theil durch eine, von Helmholtz aufgestellte Hypothese so klar gelegt, daß uns
jetzt der ganze Vorgang der Tonempfindung physiologisch verständlich ist. Selbst darüber
hinaus, auf einem Gebiete, in dem sich bereits die Naturwissenschaft eng mit der Aesthetik
berührt, haben uns die Forschungen von Helmholtz über die Consonanz und die Verwandtschaft
der Töne viel Licht gegeben, wo noch bis vor kurzem viel Dunkel herrschte. Aber damit
freilich stehen wir auch am Ende unserer Kenntniß. Das für uns Wichtigste ist und
bleibt unerklärt: der Nervenproceß, durch welchen nun die Empfindung des Tones zum
Gefühl, zur Gemüthsstimmung wird. Die Physiologie weiß, daß das, was wir als Ton empfinden,
eine Molecularbewegung in der Nervensubstanz ist, und zwar wenigstens eben so gut
als im Akusticus in den Centralorganen. Sie weiß, daß die Fasern des Gehörnervs mit
den anderen Nerven zusammenhängen, und seine Reize auf sie übertragen, daß das Gehör
namentlich mit dem kleinen und großen Gehirn, dem Kehlkopf, der Lunge, dem Herzen
in Verbindung steht. Unbekannt ist ihr aber die specifische Art, wie Musik auf diese
Nerven wirkt, noch mehr die Verschiedenheit, mit welcher bestimmte musikalische Factoren,
Accorde, Rhythmen, Instrumente auf verschiedene Nerven wirken. Vertheilt sich eine
musikalische Gehörsempfindung auf alle mit dem Akusticus zusammenhängende Nerven,
oder nur auf einige? Mit welcher Intensität? Von welchen musikalischen Elementen wird
das Gehirn, von welchen werden die zum Herzen oder zur Lunge führenden Nerven am meisten
afficirt? Unleugbar ist, daß Tanzmusik in jungen Leuten, deren natürliches Temperament
nicht durch die Uebung der Civilisation ganz zurückgehalten wird, ein Zucken im Körper,
namentlich in den Füßen hervorruft. Es wäre einseitig, den physiologischen Einfluß
von Marsch- und Tanzmusik zu leugnen, und ihn lediglich auf psychologische Ideenassociation
reduciren zu wollen. Was daran psychologisch ist, – die wachgerufene Erinnerung an
das schon bekannte Vergnügen des Tanzes, – entbehrt nicht der Erklärung, allein diese
reicht für sich keineswegs aus. Nicht weil sie Tanzmusik ist, hebt sie die Füße, sondern
sie ist Tanzmusik, weil sie die Füße hebt. Wer in der Oper ein wenig um sich blickt,
wird bald bemerken, wie bei lebhaften faßlichen Melodien die Damen unwillkürlich mit
dem Kopfe hin- und herschaukeln, nie wird man dies aber bei einem Adagio sehen, sei
es noch so ergreifend oder melodisch. Läßt sich daraus schließen, daß gewisse musikalische,
namentlich rhythmische Verhältnisse auf motorische Nerven wirken, andere nur auf Empfindungsnerven?
Wann ist das Erstere, wann das Letzere der Fall? Erleidet das Solargeflecht, welches
traditionell für einen vorzugsweisen Sitz des Empfindens gilt, bei der Musik eine
besondere Affection? Erleiden sie etwa die „sympathischen Nerven“ (– an denen, wie
Purkinje uns bemerkte, ihr Name das Schönste ist –)? Warum ein Klang schrillend, widerwärtig,
ein anderer rein und wohllautend erscheine, das wird auf akustischem Wege durch die
Gleichförmigkeit oder Ungleichförmigkeit der auf einander folgenden Luftstöße – warum
mehrere zusammenklingende Töne consoniren oder dissoniren, wird durch ihren ungestörten,
gleichmäßigen oder gestörten, ungleichmäßigen Abfluß erklärt. Diese Erklärungen mehr
oder minder einfacher Gehörsempfindungen können aber dem Aesthetiker nicht genügen;
er verlangt nach der Erklärung des Gefühls und fragt: wie kommt es, daß eine Reihe
von wohlklingenden Tönen den Eindruck der Trauer, eine zweite von gleichfalls wohlklingenden
den Eindruck der Freude macht? Woher die entgegengesetzten, oft mit zwingender Kraft
auftretenden Stimmungen, welche verschiedene Accorde oder Instrumente von gleich reinem,
wohlklingendem Ton dem Hörer unmittelbar einflößen? |
Verfolgen wir den Gang, welchen eine Melodie nehmen muß, um auf unsere Gemüthsstimmung
zu wirken, so finden wir ihren Weg vom vibrirenden Instrument bis zum Gehörnerv, besonders
nach den epochemachenden Bereicherungen dieses Gebiets durch Helmholtz’ „ Lehre von
den Tonempfindungen “ hinreichend aufgeklärt. Die Akustik weist genau die äußeren
Bedingungen nach, unter welchen wir einen Ton überhaupt, unter welchen wir diesen
oder jenen bestimmten Ton vernehmen; die Anatomie deckt uns unter Mithilfe des Mikroskops
den Bau des Gehörorgans bis in’s Innerste und Feinste auf; die Physiologie endlich
kann zwar an diesem überaus kleinen und zarten, tief verborgenen Wunderbau keine directen
Versuche anstellen, hat aber doch dessen Wirkungsweise zum Theil mit Sicherheit ermittelt,
zum Theil durch eine, von Helmholtz aufgestellte Hypothese so klar gelegt, daß uns
jetzt der ganze Vorgang der Tonempfindung physiologisch verständlich ist. Selbst darüber
hinaus, auf einem Gebiete, in dem sich bereits die Naturwissenschaft eng mit der Aesthetik
berührt, haben uns die Forschungen von Helmholtz über die Consonanz und die Verwandtschaft
der Töne viel Licht gegeben, wo noch bis vor kurzem viel Dunkel herrschte. Aber damit
freilich stehen wir auch am Ende unserer Kenntniß. Das für uns Wichtigste ist und
bleibt unerklärt: der Nervenproceß, durch welchen nun die Empfindung des Tones zum
Gefühl, zur Gemüthsstimmung wird. Die Physiologie weiß, daß das, was wir als Ton empfinden,
eine Molecularbewegung in der Nervensubstanz ist, und zwar wenigstens eben so gut
als im Akusticus in den Centralorganen. Sie weiß, daß die Fasern des Gehörnervs mit
den anderen Nerven zusammenhängen, und seine Reize auf sie übertragen, daß das Gehör
namentlich mit dem kleinen und großen Gehirn, dem Kehlkopf, der Lunge, dem Herzen
in Verbindung steht. Unbekannt ist ihr aber die specifische Art, wie Musik auf diese
Nerven wirkt, noch mehr die Verschiedenheit, mit welcher bestimmte musikalische Factoren,
Accorde, Rhythmen, Instrumente auf verschiedene Nerven wirken. Vertheilt sich eine
musikalische Gehörsempfindung auf alle mit dem Akusticus zusammenhängende Nerven,
oder nur auf einige? Mit welcher Intensität? Von welchen musikalischen Elementen wird
das Gehirn, von welchen werden die zum Herzen oder zur Lunge führenden Nerven am meisten
afficirt? Unleugbar ist, daß Tanzmusik in jungen Leuten, deren natürliches Temperament
nicht durch die Uebung der Civilisation ganz zurückgehalten wird, ein Zucken im Körper,
namentlich in den Füßen hervorruft. Es wäre einseitig, den physiologischen Einfluß
von Marsch- und Tanzmusik zu leugnen, und ihn lediglich auf psychologische Ideenassociation
reduciren zu wollen. Was daran psychologisch ist, – die wachgerufene Erinnerung an
das schon bekannte Vergnügen des Tanzes, – entbehrt nicht der Erklärung, allein diese
reicht für sich keineswegs aus. Nicht weil sie Tanzmusik ist, hebt sie die Füße, sondern
sie ist Tanzmusik, weil sie die Füße hebt. Wer in der Oper ein wenig um sich blickt,
wird bald bemerken, wie bei lebhaften faßlichen Melodien die Damen unwillkürlich mit
dem Kopfe hin- und herschaukeln, nie wird man dies aber bei einem Adagio sehen, sei
es noch so ergreifend oder melodisch. Läßt sich daraus schließen, daß gewisse musikalische,
namentlich rhythmische Verhältnisse auf motorische Nerven wirken, andere nur auf Empfindungsnerven?
Wann ist das Erstere, wann das Letzere der Fall? Erleidet das Solargeflecht, welches
traditionell für einen vorzugsweisen Sitz des Empfindens gilt, bei der Musik eine
besondere Affection? Erleiden sie etwa die „sympathischen Nerven“ (– an denen, wie
Purkinje uns bemerkte, ihr Name das Schönste ist –)? Warum ein Klang schrillend, widerwärtig,
ein anderer rein und wohllautend erscheine, das wird auf akustischem Wege durch die
Gleichförmigkeit oder Ungleichförmigkeit der auf einander folgenden Luftstöße – warum
mehrere zusammenklingende Töne consoniren oder dissoniren, wird durch ihren ungestörten,
gleichmäßigen oder gestörten, ungleichmäßigen Abfluß erklärt. Diese Erklärungen mehr
oder minder einfacher Gehörsempfindungen können aber dem Aesthetiker nicht genügen;
er verlangt nach der Erklärung des Gefühls und fragt: wie kommt es, daß die eine Reihe
von wohlklingenden Tönen den Eindruck der Trauer, eine zweite von gleichfalls wohlklingenden
den Eindruck der Freude macht? Woher die entgegengesetzten, oft mit zwingender Kraft
auftretenden Stimmungen, welche verschiedene Accorde oder Instrumente von gleich reinem,
wohlklingendem Ton dem Hörer unmittelbar einflößen? |
Verfolgen wir den Gang, welchen eine Melodie nehmen muß, um auf unsere Gemüthsstimmung
zu wirken, so finden wir ihren Weg vom vibrirenden Instrument bis zum Gehörnerv, besonders
nach den epochemachenden Bereicherungen dieses Gebiets durch Helmholtz’ „ Lehre von
den Tonempfindungen “ hinreichend aufgeklärt. Die Akustik weist genau die äußeren
Bedingungen nach, unter welchen wir einen Ton überhaupt, unter welchen wir diesen
oder jenen bestimmten Ton vernehmen; die Anatomie deckt uns unter Mithilfe des Mikroskops
den Bau des Gehörorgans bis in’s Innerste und Feinste auf; die Physiologie endlich
kann zwar an diesem überaus kleinen und zarten, tief verborgenen Wunderbau keine directen
Versuche anstellen, hat aber doch dessen Wirkungsweise zum Theil mit Sicherheit ermittelt,
zum Theil durch eine, von Helmholtz aufgestellte Hypothese so klar gelegt, daß uns
jetzt der ganze Vorgang der Tonempfindung physiologisch verständlich ist. Selbst darüber
hinaus, auf dem Gebiete, in dem sich bereits die Naturwissenschaft eng mit der Aesthetik
berührt, haben uns die Forschungen von Helmholtz über die Consonanz und die Verwandtschaft
der Töne viel Licht gegeben, wo noch bis vor kurzem viel Dunkel herrschte. Aber damit
freilich stehen wir auch am Ende unserer Kenntniß. Das für uns Wichtigste ist und
bleibt unerklärt: der Nervenproceß, durch welchen nun die Empfindung des Tones zum
Gefühl, zur Gemüthsstimmung wird. Die Physiologie weiß, daß das, was wir als Ton empfinden,
eine Molecularbewegung in der Nervensubstanz ist, und zwar wenigstens eben so gut
als im Akusticus in den Centralorganen. Sie weiß, daß die Fasern des Gehörnervs mit
den anderen Nerven zusammenhängen, und seine Reize auf sie übertragen, daß das Gehör
namentlich mit dem kleinen und großen Gehirn, dem Kehlkopf, der Lunge, dem Herzen
in Verbindung steht. Unbekannt ist ihr aber die specifische Art, wie Musik auf diese
Nerven wirkt, noch mehr die Verschiedenheit, mit welcher bestimmte musikalische Factoren,
Accorde, Rhythmen, Instrumente auf verschiedene Nerven wirken. Vertheilt sich eine
musikalische Gehörsempfindung auf alle mit dem Akusticus zusammenhängende Nerven,
oder nur auf einige? Mit welcher Intensität? Von welchen musikalischen Elementen wird
das Gehirn, von welchen werden die zum Herzen oder zur Lunge führenden Nerven am meisten
afficirt? Unleugbar ist, daß Tanzmusik in jungen Leuten, deren natürliches Temperament
nicht durch die Uebung der Civilisation ganz zurückgehalten wird, ein Zucken im Körper,
namentlich in den Füßen hervorruft. Es wäre einseitig, den physiologischen Einfluß
von Marsch- und Tanzmusik zu leugnen, und ihn lediglich auf psychologische Ideenassociation
reduciren zu wollen. Was daran psychologisch ist, – die wachgerufene Erinnerung an
das schon bekannte Vergnügen des Tanzes, – entbehrt nicht der Erklärung, allein diese
reicht für sich keineswegs aus. Nicht weil sie Tanzmusik ist, hebt sie die Füße, sondern
sie ist Tanzmusik, weil sie die Füße hebt. Wer in der Oper ein wenig um sich blickt,
wird bald bemerken, wie bei lebhaften faßlichen Melodien die Damen unwillkürlich mit
dem Kopfe hin- und herschaukeln, nie wird man dies aber bei einem Adagio sehen, sei
es noch so ergreifend oder melodisch. Läßt sich daraus schließen, daß gewisse musikalische,
namentlich rhythmische Verhältnisse auf motorische Nerven wirken, andere nur auf Empfindungsnerven?
Wann ist das Erstere, wann das Letzere der Fall? Erleidet das Solargeflecht, welches
traditionell für einen vorzugsweisen Sitz des Empfindens gilt, bei der Musik eine
besondere Affection? Erleiden sie etwa die „sympathischen Nerven“ (– an denen, wie
Purkinje mir einst bemerkte, ihr Name das Schönste ist –)? Warum ein Klang schrillend,
widerwärtig, ein anderer rein und wohllautend erscheine, das wird auf akustischem
Wege durch die Gleichförmigkeit oder Ungleichförmigkeit der auf einander folgenden
Luftstöße – warum mehrere zusammenklingende Töne consoniren oder dissoniren, wird
durch ihren ungestörten, gleichmäßigen oder gestörten, ungleichmäßigen Abfluß erklärt.
Diese Erklärungen mehr oder minder einfacher Gehörsempfindungen können aber dem Aesthetiker
nicht genügen; er verlangt nach der Erklärung des Gefühls und fragt: wie kommt es,
daß die eine Reihe von wohlklingenden Tönen den Eindruck der Trauer, eine zweite von
gleichfalls wohlklingenden den Eindruck der Freude macht? Woher die entgegengesetzten,
oft mit zwingender Kraft auftretenden Stimmungen, welche verschiedene Accorde oder
Instrumente von gleich reinem, wohlklingendem Ton dem Hörer unmittelbar einflößen? |
Verfolgen wir den Gang, welchen eine Melodie nehmen muß, um auf unsere Gemüthsstimmung
zu wirken, so finden wir ihren Weg vom vibrirenden Instrument bis zum Gehörnerv, besonders
nach den epochemachenden Bereicherungen dieses Gebiets durch Helmholtz’ „ Lehre von
den Tonempfindungen “ hinreichend aufgeklärt. Die Akustik weist genau die äußeren
Bedingungen nach, unter welchen wir einen Ton überhaupt, unter welchen wir diesen
oder jenen bestimmten Ton vernehmen; die Anatomie deckt uns unter Mithilfe des Mikroskops
den Bau des Gehörorgans bis in’s Innerste und Feinste auf; die Physiologie endlich
kann zwar an diesem überaus kleinen und zarten, tief verborgenen Wunderbau keine directen
Versuche anstellen, hat aber doch dessen Wirkungsweise zum Theil mit Sicherheit ermittelt,
zum Theil durch eine, von Helmholtz aufgestellte Hypothese so klar gelegt, daß uns
jetzt der ganze Vorgang der Tonempfindung physiologisch verständlich ist. Selbst darüber
hinaus, auf dem Gebiete, in dem sich bereits die Naturwissenschaft eng mit der Aesthetik
berührt, haben uns die Forschungen von Helmholtz über die Consonanz und die Verwandtschaft
der Töne viel Licht gegeben, wo noch bis vor kurzem viel Dunkel herrschte. Aber damit
freilich stehen wir auch am Ende unserer Kenntniß. Das für uns Wichtigste ist und
bleibt unerklärt: der Nervenproceß, durch welchen nun die Empfindung des Tones zum
Gefühl, zur Gemüthsstimmung wird. Die Physiologie weiß, daß das, was wir als Ton empfinden,
eine Molecularbewegung in der Nervensubstanz ist, und zwar wenigstens eben so gut
als im Akusticus in den Centralorganen. Sie weiß, daß die Fasern des Gehörnervs mit
den anderen Nerven zusammenhängen, und seine Reize auf sie übertragen, daß das Gehör
namentlich mit dem kleinen und großen Gehirn, dem Kehlkopf, der Lunge, dem Herzen
in Verbindung steht. Unbekannt ist ihr aber die specifische Art, wie Musik auf diese
Nerven wirkt, noch mehr die Verschiedenheit, mit welcher bestimmte musikalische Factoren,
Accorde, Rhythmen, Instrumente auf verschiedene Nerven wirken. Vertheilt sich eine
musikalische Gehörsempfindung auf alle mit dem Akusticus zusammenhängende Nerven,
oder nur auf einige? Mit welcher Intensität? Von welchen musikalischen Elementen wird
das Gehirn, von welchen werden die zum Herzen oder zur Lunge führenden Nerven am meisten
afficirt? Unleugbar ist, daß Tanzmusik in jungen Leuten, deren natürliches Temperament
nicht durch die Uebung der Civilisation ganz zurückgehalten wird, ein Zucken im Körper,
namentlich in den Füßen hervorruft. Es wäre einseitig, den physiologischen Einfluß
von Marsch- und Tanzmusik zu leugnen, und ihn lediglich auf psychologische Ideenassociation
reduciren zu wollen. Was daran psychologisch ist, – die wachgerufene Erinnerung an
das schon bekannte Vergnügen des Tanzes, – entbehrt nicht der Erklärung, allein diese
reicht für sich keineswegs aus. Nicht weil sie Tanzmusik ist, hebt sie die Füße, sondern
sie ist Tanzmusik, weil sie die Füße hebt. Wer in der Oper ein wenig um sich blickt,
wird bald bemerken, wie bei lebhaften, faßlichen Melodien die Damen unwillkürlich
mit dem Kopfe hin- und herschaukeln, nie wird man dies aber bei einem Adagio sehen,
sei es noch so ergreifend oder melodisch. Läßt sich daraus schließen, daß gewisse
musikalische, namentlich rhythmische Verhältnisse auf motorische Nerven wirken, andere
nur auf Empfindungsnerven? Wann ist das Erstere, wann das Letzere der Fall? Erleidet
das Solargeflecht, welches traditionell für einen vorzugsweisen Sitz des Empfindens
gilt, bei der Musik eine besondere Affection? Erleiden sie etwa die „sympathischen
Nerven“ – an denen, wie Purkinje mir einst bemerkte, ihr Name das Schönste ist –?
Warum ein Klang schrillend, widerwärtig, ein anderer rein und wohllautend erscheine,
das wird auf akustischem Wege durch die Gleichförmigkeit und Ungleichförmigkeit der
auf einander folgenden Luftstöße – warum mehrere zusammenklingende Töne consoniren
oder dissoniren, wird durch ihren ungestörten, gleichmäßigen oder gestörten, ungleichmäßigen
Abfluß erklärt. Diese Erklärungen mehr oder minder einfacher Gehörsempfindungen können
aber dem Aesthetiker nicht genügen; er verlangt nach der Erklärung des Gefühls und
fragt: wie kommt es, daß die eine Reihe von wohlklingenden Tönen den Eindruck der
Trauer, eine zweite von gleichfalls wohlklingenden den Eindruck der Freude macht?
Woher die entgegengesetzten, oft mit zwingender Kraft auftretenden Stimmungen, welche
verschiedene Accorde oder Instrumente von gleich reinem, wohlklingendem Ton dem Hörer
unmittelbar einflößen? |
Verfolgen wir den Gang, welchen eine Melodie nehmen muß, um auf unsere Gemütsstimmung
zu wirken, so finden wir ihren Weg vom vibrierenden Instrument bis zum Gehörnerv,
besonders nach den epochemachenden Bereicherungen dieses Gebiets durch Helmholtz’
„ Lehre von den Tonempfindungen “ hinreichend aufgeklärt. Die Akustik weist genau
die äußeren Bedingungen nach, unter welchen wir einen Ton überhaupt, unter welchen
wir diesen oder jenen bestimmten Ton vernehmen; die Anatomie deckt uns unter Mithilfe
des Mikroskops den Bau des Gehörorgans bis ins Innerste und Feinste auf; die Physiologie
endlich kann zwar an diesem überaus kleinen und zarten, tief verborgenen Wunderbau
keine direkten Versuche anstellen, hat aber doch dessen Wirkungsweise zum Teil mit
Sicherheit ermittelt, zum Teil durch eine, von Helmholtz aufgestellte Hypothese so
klar gelegt, daß uns jetzt der ganze Vorgang der Tonempfindung physiologisch verständlich
ist. Selbst darüber hinaus, auf dem Gebiete, in dem sich bereits die Naturwissenschaft
eng mit der Ästhetik berührt, haben uns die Forschungen von Helmholtz über die Konsonanz
und die Verwandtschaft der Töne viel Licht gegeben, wo noch bis vor kurzem viel Dunkel
herrschte. Aber damit freilich stehen wir auch am Ende unserer Kenntnis. Das für uns
Wichtigste ist und bleibt unerklärt: der Nervenprozeß, durch welchen nun die Empfindung
des Tones zum Gefühl, zur Gemütsstimmung wird. Die Physiologie weiß, daß das, was
wir als Ton empfinden, eine Molekularbewegung in der Nervensubstanz ist, und zwar
wenigstens eben so gut als im Akustikus in den Centralorganen. Sie weiß, daß die Fasern
des Gehörnervs mit den anderen Nerven zusammenhängen, und seine Reize auf sie übertragen,
daß das Gehör namentlich mit dem kleinen und großen Gehirn, dem Kehlkopf, der Lunge,
dem Herzen in Verbindung steht. Unbekannt ist ihr aber die spezifische Art, wie Musik
auf diese Nerven wirkt, noch mehr die Verschiedenheit, mit welcher bestimmte musikalische
Faktoren, Akkorde, Rhythmen, Instrumente auf verschiedene Nerven wirken. Verteilt
sich eine musikalische Gehörsempfindung auf alle mit dem Akustikus zusammenhängende
Nerven, oder nur auf einige? Mit welcher Intensität? Von welchen musikalischen Elementen
wird das Gehirn, von welchen werden die zum Herzen oder zur Lunge führenden Nerven
am meisten affiziert? Unleugbar ist, daß Tanzmusik in jungen Leuten, deren natürliches
Temperament nicht durch die Übung der Civilisation ganz zurückgehalten wird, ein Zucken
im Körper, namentlich in den Füßen hervorruft. Es wäre einseitig, den physiologischen
Einfluß von Marsch- und Tanzmusik zu leugnen, und ihn lediglich auf psychologische
Ideenassociation reduzieren zu wollen. Was daran psychologisch ist, – die wachgerufene
Erinnerung an das schon bekannte Vergnügen des Tanzes, – entbehrt nicht der Erklärung,
allein diese reicht für sich keineswegs aus. Nicht weil sie Tanzmusik ist, hebt sie
die Füße, sondern sie ist Tanzmusik, weil sie die Füße hebt. Wer in der Oper ein wenig
um sich blickt, wird bald bemerken, wie bei lebhaften, faßlichen Melodien die Damen
unwillkürlich mit dem Kopfe hin- und herschaukeln, nie wird man dies aber bei einem
Adagio sehen, sei es noch so ergreifend oder melodisch. Läßt sich daraus schließen,
daß gewisse musikalische, namentlich rhythmische Verhältnisse auf motorische Nerven
wirken, andere nur auf Empfindungsnerven? Wann ist das erstere, wann das letzere der
Fall? Erleidet das Solargeflecht, welches traditionell für einen vorzugsweisen Sitz
des Empfindens gilt, bei der Musik eine besondere Affektion? Erleiden sie etwa die
„sympathischen Nerven“ – an denen, wie Purkinje mir einst bemerkte, ihr Name das Schönste
ist –? Warum ein Klang schrillend, widerwärtig, ein anderer rein und wohllautend erscheine,
das wird auf akustischem Wege durch die Gleichförmigkeit und Ungleichförmigkeit der
aufeinander folgenden Luftstöße – warum mehrere zusammenklingende Töne konsonieren
oder dissonieren, wird durch ihren ungestörten, gleichmäßigen oder gestörten, ungleichmäßigen
Abfluß erklärt. Diese Erklärungen mehr oder minder einfacher Gehörsempfindungen können
aber dem Ästhetiker nicht genügen; er verlangt nach der Erklärung des Gefühls und
fragt: wie kommt es, daß die eine Reihe von wohlklingenden Tönen den Eindruck der
Trauer, eine zweite von gleichfalls wohlklingenden den Eindruck der Freude macht?
Woher die entgegengesetzten, oft mit zwingender Kraft auftretenden Stimmungen, welche
verschiedene Akkorde oder Instrumente von gleich reinem, wohlklingendem Ton dem Hörer
unmittelbar einflößen? |
Verfolgen wir den Gang, welchen eine Melodie nehmen muß, um auf unsere Gemütsstimmung
zu wirken, so finden wir ihren Weg vom vibrierenden Instrument bis zum Gehörnerv,
besonders nach den epochemachenden Bereicherungen dieses Gebiets durch Helmholtz’
„ Lehre von den Tonempfindungen “ hinreichend aufgeklärt. Die Akustik weist genau
die äußeren Bedingungen nach, unter welchen wir einen Ton überhaupt, unter welchen
wir diesen oder jenen bestimmten Ton vernehmen; die Anatomie deckt uns unter Mithilfe
des Mikroskops den Bau des Gehörorgans bis ins Innerste und Feinste auf; die Physiologie
endlich kann zwar an diesem überaus kleinen und zarten, tief verborgenen Wunderbau
keine direkten Versuche anstellen, hat aber doch dessen Wirkungsweise zum Teil mit
Sicherheit ermittelt, zum Teil durch eine, von Helmholtz aufgestellte Hypothese so
klar gelegt, daß uns jetzt der ganze Vorgang der Tonempfindung physiologisch verständlich
ist. Selbst darüber hinaus, auf dem Gebiete, in dem sich bereits die Naturwissenschaft
eng mit der Ästhetik berührt, haben uns die Forschungen von Helmholtz über die Konsonanz
und die Verwandtschaft der Töne viel Licht gegeben, wo noch bis vor kurzem viel Dunkel
herrschte. Aber damit freilich stehen wir auch am Ende unserer Kenntnis. Das für uns
Wichtigste ist und bleibt unerklärt: der Nervenprozeß, durch welchen nun die Empfindung
des Tones zum Gefühl, zur Gemütsstimmung wird. Die Physiologie weiß, daß das, was
wir als Ton empfinden, eine Molekularbewegung in der Nervensubstanz ist, und zwar
wenigstens eben so gut als im Akustikus in den Centralorganen. Sie weiß, daß die Fasern
des Gehörnervs mit den anderen Nerven zusammenhängen, und seine Reize auf sie übertragen,
daß das Gehör namentlich mit dem kleinen und großen Gehirn, dem Kehlkopf, der Lunge,
dem Herzen in Verbindung steht. Unbekannt ist ihr aber die spezifische Art, wie Musik
auf diese Nerven wirkt, noch mehr die Verschiedenheit, mit welcher bestimmte musikalische
Faktoren, Akkorde, Rhythmen, Instrumente auf verschiedene Nerven wirken. Verteilt
sich eine musikalische Gehörsempfindung auf alle mit dem Akustikus zusammenhängende
Nerven, oder nur auf einige? Mit welcher Intensität? Von welchen musikalischen Elementen
wird das Gehirn, von welchen werden die zum Herzen oder zur Lunge führenden Nerven
am meisten affiziert? Unleugbar ist, daß Tanzmusik in jungen Leuten, deren natürliches
Temperament nicht durch die Civilisation ganz zurückgehalten wird, ein Zucken im Körper,
namentlich in den Füßen hervorruft. Es wäre einseitig, den physiologischen Einfluß
von Marsch- und Tanzmusik zu leugnen, und ihn lediglich auf psychologische Ideenassociation
reduzieren zu wollen. Was daran psychologisch ist, – die wachgerufene Erinnerung an
das schon bekannte Vergnügen des Tanzes, – entbehrt nicht der Erklärung, allein diese
reicht für sich keineswegs aus. Nicht weil sie Tanzmusik ist, hebt sie die Füße, sondern
sie ist Tanzmusik, weil sie die Füße hebt. Wer in der Oper ein wenig um sich blickt,
wird bald bemerken, wie bei lebhaften, faßlichen Melodien die Damen unwillkürlich
mit dem Kopfe hin- und herschaukeln, nie wird man dies aber bei einem Adagio sehen,
sei es noch so ergreifend oder melodisch. Läßt sich daraus schließen, daß gewisse
musikalische, namentlich rhythmische Verhältnisse auf motorische Nerven wirken, andere
nur auf Empfindungsnerven? Wann ist das erstere, wann das letzere der Fall? Erleidet
das Solargeflecht, welches traditionell für einen vorzugsweisen Sitz des Empfindens
gilt, bei der Musik eine besondere Affektion? Erleiden sie etwa die „sympathischen
Nerven“ – an denen, wie Purkinje mir einst bemerkte, ihr Name das Schönste ist –?
Warum ein Klang schrillend, widerwärtig, ein anderer rein und wohllautend erscheine,
das wird auf akustischem Wege durch die Gleichförmigkeit und Ungleichförmigkeit der
aufeinander folgenden Luftstöße – warum mehrere zusammenklingende Töne konsonieren
oder dissonieren, wird durch ihren ungestörten, gleichmäßigen oder gestörten, ungleichmäßigen
Abfluß erklärt. Diese Erklärungen mehr oder minder einfacher Gehörsempfindungen können
aber dem Ästhetiker nicht genügen; er verlangt nach der Erklärung des Gefühls und
fragt: wie kommt es, daß die eine Reihe von wohlklingenden Tönen den Eindruck der
Trauer, eine zweite von gleichfalls wohlklingenden den Eindruck der Freude macht?
Woher die entgegengesetzten, oft mit zwingender Kraft auftretenden Stimmungen, welche
verschiedene Akkorde oder Instrumente von gleich reinem, wohlklingendem Ton dem Hörer
unmittelbar einflößen? |