Wie mit diesem ganz zufällig gewählten Motiv geht es mit jedem andern Instrumentalthema.
Eine große Klasse von Musikfreunden hält es blos für ein Characteristicum der älteren
„classischen“ Musik, den Affecten abhold zu sein, und giebt von vornherein zu, daß
Niemand in einer der 48 Fugen und Präludien aus J. S. Bachʼs „wohltemperirtem Clavier“
ein Gefühl werde nachweisen können, das den Inhalt derselben bilde. So dilettantisch
und willkürlich diese Unterscheidung auch ist, welche in dem Umstand, daß in der älteren
Musik der Selbstzweck noch unverkennbarer, die Deutbarkeit schwieriger und weniger
verlockend erscheint, ihre Erklärung findet, – der Beweis wäre dadurch schon hergestellt,
daß die Musik nicht Gefühle erwecken und zum Gegenstand haben muß. Das ganze Gebiet
der Figuralmusik fiele hinweg. Müssen aber große, historisch wie ästhetisch begründete
Kunstgattungen ignorirt werden, um einer Theorie Haltbarkeit zu erschleichen, dann
ist diese falsch. Ein Schiff muß untergehen, sobald es auch nur ein Leck hat. Wem
dies nicht genügt, der mag ihr immerhin den ganzen Boden ausschlagen. Er spiele das
Thema irgend einer Mozartʼschen oder Haydnʼschen Symphonie, eines Beethovenʼschen
Adagios, eines Mendelssohnʼschen Scherzos, eines Schumannʼschen oder Chopinʼschen
Clavierstückes, den Stamm unserer gehaltvollsten Musik; oder auch die populärsten
Ouvertürenmotive von Auber, Donizetti, Flotow. Wer tritt hinzu und getraut sich, ein
bestimmtes Gefühl als Inhalt dieser Themen aufzuzeigen? Der Eine wird „Liebe“ sagen.
Möglich. Der Andere meint „Sehnsucht“. Vielleicht. Der Dritte fühlt „Andacht“. Niemand
kann das widerlegen. Und so fort. Heißt dies nun ein bestimmtes Gefühl darstellen,
wenn Niemand weiß, was eigentlich dargestellt wird? Ueber die Schönheit und Schönheiten
des Musikstückes werden wahrscheinlich Alle übereinstimmend denken, von dem Inhalt
Jeder verschieden. Darstellen heißt aber einen Inhalt klar, anschaulich produciren,
ihn uns vor Augen „daher stellen“. Wie mag man nun dasjenige als das von einer Kunst
Dargestellte bezeichnen, welches, das ungewisseste, vieldeutigste Element derselben,
einem ewigen Streit unterworfen ist? |
Wie mit diesem ganz zufällig gewählten Motiv geht es mit jedem andern Instrumentalthema.
Eine große Klasse von Musikfreunden hält es bloß für ein Characteristicum der älteren
„classischen“ Musik, den Affecten abhold zu sein, und giebt von vornherein zu, daß
Niemand in einer der 48 Fugen und Präludien aus J. S. Bachʼs „wohltemperirtem Clavier“
ein Gefühl werde nachweisen können, das den Inhalt derselben bilde. So dilettantisch
und willkürlich diese Unterscheidung auch ist, welche in dem Umstand, daß in der älteren
Musik der Selbstzweck noch unverkennbarer, die Deutbarkeit schwieriger und weniger
verlockend erscheint, ihre Erklärung findet, – der Beweis wäre dadurch schon hergestellt,
daß die Musik nicht Gefühle erwecken und zum Gegenstand haben muß. Das ganze Gebiet
der Figuralmusik fiele hinweg. Müssen aber große, historisch wie ästhetisch begründete
Kunstgattungen ignorirt werden, um einer Theorie Haltbarkeit zu erschleichen, dann
ist diese falsch. Ein Schiff muß untergehen, sobald es auch nur ein Leck hat. Wem
dies nicht genügt, der mag ihr immerhin den ganzen Boden ausschlagen. Er spiele das
Thema irgend einer Mozartʼschen oder Haydnʼschen Symphonie, eines Beethovenʼschen
Adagios, eines Mendelssohnʼschen Scherzos, eines Schumannʼschen oder Chopinʼschen
Clavierstückes, den Stamm unserer gehaltvollsten Musik; oder auch die populärsten
Ouverturenmotive von Auber, Donizetti, Flotow. Wer tritt hinzu und getraut sich, ein
bestimmtes Gefühl als Inhalt dieser Themen aufzuzeigen? Der Eine wird „Liebe“ sagen.
Möglich. Der Andere meint „Sehnsucht“. Vielleicht. Der Dritte fühlt „Andacht“. Niemand
kann das widerlegen. Und so fort. Heißt dies nun ein bestimmtes Gefühl darstellen,
wenn Niemand weiß, was eigentlich dargestellt wird? Ueber die Schönheit und Schönheiten
des Musikstückes werden wahrscheinlich Alle übereinstimmend denken, von dem Inhalt
Jeder verschieden. Darstellen heißt aber einen Inhalt klar, anschaulich produciren,
ihn uns vor Augen „daher stellen“. Wie mag man nun dasjenige als das von einer Kunst
Dargestellte bezeichnen, welches, das ungewisseste, vieldeutigste Element derselben,
einem ewigen Streit unterworfen ist? |
Wie mit diesem ganz zufällig gewählten Motiv geht es mit jedem andern Instrumentalthema.
Eine große Klasse von Musikfreunden hält es bloß für ein Charakteristikum der älteren
„klassischen“ Musik, den Affekten abhold zu sein, und giebt von vornherein zu, daß
niemand in einer der 48 Fugen und Präludien aus J. S. Bachs „wohltemperiertem Klavier“
ein Gefühl werde nachweisen können, das den Inhalt derselben bilde. So dilettantisch
und willkürlich diese Unterscheidung auch ist, welche in dem Umstand, daß in der älteren
Musik der Selbstzweck noch unverkennbarer, die Deutbarkeit schwieriger und weniger
verlockend erscheint, ihre Erklärung findet, – der Beweis wäre dadurch schon hergestellt,
daß die Musik nicht Gefühle erwecken und zum Gegenstand haben muß. Das ganze Gebiet
der Figuralmusik fiele hinweg. Müssen aber große, historisch wie ästhetisch begründete
Kunstgattungen ignoriert werden, um einer Theorie Haltbarkeit zu erschleichen, dann
ist diese falsch. Ein Schiff muß untergehen, sobald es auch nur ein Leck hat. Wem
dies nicht genügt, der mag ihr immerhin den ganzen Boden ausschlagen. Er spiele das
Thema irgend einer Mozartschen oder Haydnschen Symphonie, eines Beethovenschen Adagios,
eines Mendelssohnschen Scherzos, eines Schumannschen oder Chopinschen Klavierstückes,
den Stamm unserer gehaltvollsten Musik; oder auch die populärsten Ouverturenmotive
von Auber, Donizetti, Flotow. Wer tritt hinzu und getraut sich, ein bestimmtes Gefühl
als Inhalt dieser Themen aufzuzeigen? Der eine wird „Liebe“ sagen. Möglich. Der andere
meint „Sehnsucht“. Vielleicht. Der dritte fühlt „Andacht“. Niemand kann das widerlegen.
Und so fort. Heißt dies nun ein bestimmtes Gefühl darstellen, wenn niemand weiß, was
eigentlich dargestellt wird? Über die Schönheit und Schönheiten des Musikstückes werden
wahrscheinlich alle übereinstimmend denken, von dem Inhalt jeder verschieden. Darstellen
heißt aber einen Inhalt klar, anschaulich produzieren, ihn uns vor Augen „daher stellen“.
Wie mag man nun dasjenige als das von einer Kunst Dargestellte bezeichnen, welches,
das ungewisseste, vieldeutigste Element derselben, einem ewigen Streit unterworfen
ist? |
Wie mit diesem ganz zufällig gewählten Motiv geht es mit jedem andern Instrumentalthema.
Eine große Klasse von Musikfreunden hält es bloß für ein Charakteristikum der älteren
„klassischen“ Musik, den Affekten abhold zu sein, und giebt von vornherein zu, das
niemand in einer der 48 Fugen und Präludien aus J. S. Bachs „wohltemperiertem Klavier“
ein Gefühl werde nachweisen können, das den Inhalt derselben bilde. So dilettantisch
und willkürlich diese Unterscheidung auch ist, welche in dem Umstand, daß in der älteren
Musik der Selbstzweck noch unverkennbarer, die Deutbarkeit schwieriger und weniger
verlockend erscheint, ihre Erklärung findet, – der Beweis wäre dadurch schon hergestellt,
daß die Musik nicht Gefühle erwecken und zum Gegenstand haben muß. Das ganze Gebiet
der Figuralmusik fiele hinweg. Müssen aber große, historisch wie ästhetisch begründete
Kunstgattungen ignoriert werden, um einer Theorie Haltbarkeit zu erschleichen, dann
ist diese falsch. Ein Schiff muß untergehen, sobald es auch nur ein Leck hat. Wem
dies nicht genügt, der mag ihr immerhin den ganzen Boden ausschlagen. Er spiele das
Thema irgend einer Mozartschen oder Haydnschen Symphonie, eines Beethovenschen Adagios,
eines Mendelssohnschen Scherzos, eines Schumannschen oder Chopinschen Klavierstückes,
den Stamm unserer gehaltvollsten Musik; oder auch die populärsten Ouverturenmotive
von Auber, Donizetti, Flotow. Wer tritt hinzu und getraut sich, ein bestimmtes Gefühl
als Inhalt dieser Themen aufzuzeigen? Der eine wird „Liebe“ sagen. Möglich. Der andere
meint „Sehnsucht“. Vielleicht. Der dritte fühlt „Andacht“. Niemand kann das wiederlegen.
Und so fort. Heißt dies nun ein bestimmtes Gefühl darstellen, wenn niemand weiß, was
eigentlich dargestellt wird? Über die Schönheit und Schönheiten des Musikstückes werden
wahrscheinlich alle übereinstimmend denken, von dem Inhalt jeder verschieden. Darstellen
heißt aber einen Inhalt klar, anschaulich produzieren, ihn uns vor Augen „daher stellen“.
Wie mag man nun dasjenige als das von einer Kunst Dargestellte bezeichnen, welches,
das ungewisseste vieldeutigste Element derselben, einem ewigen Streit unterworfen
ist? |
Wie mit diesem ganz zufällig gewählten Motiv geht es mit jedem andern Instrumentalthema.
Eine große Klasse von Musikfreunden hält es bloß für ein Charakteristikum der älteren
„klassischen“ Musik, den Affekten abhold zu sein, und giebt von vornherein zu, daß
niemand in einer der 48 Fugen und Präludien aus J. S. Bachs „wohltemperiertem Klavier“
ein Gefühl werde nachweisen können, das den Inhalt derselben bilde. So dilettantisch
und willkürlich diese Unterscheidung auch ist, welche in dem Umstand, daß in der älteren
Musik der Selbstzweck noch unverkennbarer, die Deutbarkeit schwieriger und weniger
verlockend erscheint, ihre Erklärung findet, – der Beweis wäre dadurch schon hergestellt,
daß die Musik nicht Gefühle erwecken und zum Gegenstand haben muß. Das ganze Gebiet
der Figuralmusik fiele hinweg. Müssen aber große, historisch wie ästhetisch begründete
Kunstgattungen ignoriert werden, um einer Theorie Haltbarkeit zu erschleichen, dann
ist diese falsch. Ein Schiff muß untergehen, sobald es auch nur ein Leck hat. Wem
dies nicht genügt, der mag ihr immerhin den ganzen Boden ausschlagen. Er spiele das
Thema irgend einer Mozartschen oder Haydnschen Symphonie, eines Beethovenschen Adagios,
eines Mendelssohnschen Scherzos, eines Schumannschen oder Chopinschen Klavierstückes,
den Stamm unserer gehaltvollsten Musik; oder auch die populärsten Ouverturenmotive
von Auber, Donizetti, Flotow. Wer tritt hinzu und getraut sich, ein bestimmtes Gefühl
als Inhalt dieser Themen aufzuzeigen? Der eine wird „Liebe“ sagen. Möglich. Der andere
meint „Sehnsucht“. Vielleicht. Der dritte fühlt „Andacht“. Niemand kann das wiederlegen.
Und so fort. Heißt dies nun ein bestimmtes Gefühl darstellen, wenn niemand weiß, was
eigentlich dargestellt wird? Über die Schönheit und Schönheiten des Musikstückes werden
wahrscheinlich alle übereinstimmend denken, von dem Inhalt jeder verschieden. Darstellen
heißt aber einen Inhalt klar, anschaulich produzieren, ihn uns vor Augen „daher stellen“.
Wie mag man nun dasjenige als das von einer Kunst Dargestellte bezeichnen, welches,
das ungewisseste vieldeutigste Element derselben, einem ewigen Streit unterworfen
ist? |